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Wirtschaft: Strommarkt: Mit der Liberalisierung des Marktes wachsen auch die multinationalen Konzerne

Nationalen Grenzen kommt im europäischen Strommarkt eine immer geringere Bedeutung zu. Die großen Elektrizitätsunternehmen richten ihre Planungen bereits europaweit aus und bauen ein internationales Beteiligungsnetz auf.

Nationalen Grenzen kommt im europäischen Strommarkt eine immer geringere Bedeutung zu. Die großen Elektrizitätsunternehmen richten ihre Planungen bereits europaweit aus und bauen ein internationales Beteiligungsnetz auf. Auf den wichtigsten Strommärkten wollen die großen Versorger unmittelbar präsent sein. Die staatliche Electricité de France (EdF) - mit großem Abstand Nummer eins in der Europäischen Union (EU) - hat dabei eine Vorreiterrolle übernommen. Nun folgen die Konkurrenten und positionieren sich gleichfalls durch ausländische Beteiligungen und Allianzen. Das Stromgeschäft wird künftig international ausgerichtet.

Noch bestehen jedoch große Unterschiede bei der Öffnung nationaler Strommärkte und erhebliche Hemmnisse für den grenzüberschreitenden, wie aber auch für den nationalen Stromhandel. Die Durchschnittszahlen der Liberalisierung europäischer Strommärkte von beinahe 70 Prozent täuschen darüber hinweg, dass in einzelnen Volkswirtschaften erfolgreiche Abschottungsmanöver festzustellen sind. Voll liberalisierten Märkte in Deutschland, Großbritannien und Skandinavien stehen derzeit kaum zu überwindende Zugangsbarrieren beispielsweise in Frankreich gegenüber.

Die EdF kann daher ihre Offensive im Ausland nicht zuletzt deshalb erfolgreich starten und hohe Preise für Unternehmensanteile zahlen, weil sie auf ihrem Heimatmarkt kurzfristig noch weitgehend geschützt bleibt. Dagegen müssen sich die Konkurrenten sowohl auf ihren nationalen Märkten im Wettbewerb behaupten als auch ohne interne Subventionierungen ausländische Firmenkäufe finanzieren. Das schwedische Staatsunternehmen Vattenfall engagiert sich neben Frankreichs EdF vor allem in Deutschland, dem größten Strommarkt der EU und der künftigen Drehscheibe im europäischen Stromhandel. In Deutschland ist damit der Weg in ein relativ enges Anbieteroligopol zwar programmiert; dennoch werden auch in Zukunft unabhängige Stromversorger den Wettbewerb hier zu Lande nachhaltig intensivieren. Damit Elektrizitätskunden erfolgreich erobert werden können, müssen Vertriebskanäle erschlossen werden. Dies ist am schnellsten möglich, wenn Allianzen und Kooperationen mit Stadtwerken entwickelt werden können.

Der Einstieg von Vattenfall bei Hamburgs HEW und nun bei der Berliner Bewag ist daher konsequent gewesen. Die EdF hat mit der Übernahme der London Electricity einen solchen Einstieg gleichfalls schon erfolgreich geprobt. Die beiden größten deutschen Elektrizitätsanbieter RWE - Rang drei in der EU - und Eon - Rang vier - sind dabei, in den Nachbarländern Deutschlands ihr Beteiligungsportfolio auszubauen. Hier zu Lande sind den beiden deutschen Spitzenreitern durch die Wettbewerbshüter Grenzen gesetzt worden; Allianzen mit deutschen Stadtwerken werden vom Bundeskartellamt in Bonn wohl kaum noch in größerem Umfang zugelassen. Je mehr jedoch im europäischen Stromgeschäft die nationalen Grenzen übersprungen werden können, umso eher wird für künftige wettbewerbspolitische Beurteilungen von Fusionen Europa zum relevanten Markt werden.

Hierfür ist es aber notwendig, dass die grenzüberschreitenden Kapazitäten zum Austausch von Strom weiter ausgebaut werden. Zugleich ist Vorsorge zu treffen, dass nicht neue Abschottungen wirksam werden. Deutschlands insgesamt erfolgreiches Liberalisierungsexperiment, das immerhin bei den Elektrizitätsverbrauchern bereits Kostenersparnisse von 20 Milliarden Mark ermöglicht hat, droht jedoch durch staatliche Regulierungen teilweise wieder gebremst zu werden.

Nach den Plänen der deutschen Bundesregierung könnten durch Schutzmaßnahmen zu Gunsten der erneuerbaren Energieträger und zu Gunsten der Kraft-Wärme-Kopplung 40 Prozent des heimischen Strommarktes langfristig vom Wettbewerb ausgenommen werden. Das Fundament für einen leistungsfähigen Binnenmarktstrom in Deutschland würde dann immer mehr ausgehöhlt. Es wäre fatal, wenn die Bundesregierung in ihrem für den Herbst geplanten Energiekonzept die Wettbewerbskräfte wieder lähmen würde.

Heinz Jürgen Schürmann

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