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Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Umweltminister Peter Altmaier (CDU) mit den Stromnetz-Bossen.

© dpa

Stromnetzausbau: Trassen für die Massen

Wirtschaftsminister und Umweltminister haben ein Finanzierungsmodell vorgestellt, das unter den Bürgern die Akzeptanz für den Bau neuer Stromleitungen erhöhen soll. Das finden im Prinzip alle gut. Warum es dafür die Politiker braucht, blieb aber unklar.

Die Betreiber der Stromübertragungsnetze haben zugesagt, Bürger künftig finanziell am Bau neuer Hochspannungsleitungen zu beteiligen. So sollen Anwohner neuer Trassen den Netzbetreibern Geld leihen dürfen und dafür attraktive Zinsen erhalten. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Umweltminister Peter Altmaier (CDU) stellten am Freitag in Berlin mit Vertretern der vier Netzgesellschaften 50Hertz, Amprion, TransnetBW und Tennet ein entsprechendes Eckpunktepapier vor.

Das Prinzip: Noch bevor ein Stromnetzbetreiber Bagger auf den Weg schickt, um die neue Trasse zu bauen, soll er Bürgern – aber auch Firmen vor Ort – die Möglichkeit geben, sich am Bau finanziell zu beteiligen. Über eine Anleihe zum Beispiel sollen Interessenten 1000 bis etwa 10.000 Euro über einige Jahre investieren dürfen und dafür eine jährliche Rendite von „bis zu“ fünf Prozent ab Baubeginn erhalten. Das wäre – gemessen an aktuellen Sparbuchzinsen in Höhe von um die 0,5 Prozent – ein für viele attraktives Angebot, zumal das Ausfallrisiko als sehr gering gilt. Auch sollen sich die Betreiber verpflichten, die Einlage vor Ablauf (allerdings gegen einen Abschlag) wieder an die Bürger auszuzahlen, sofern diese das wünschen.

Mit diesem Geld der Bürger sollen die vier Netzbetreiber bis zu 15 Prozent der Kosten für den Bau einer konkreten Leitung finanzieren. Insgesamt sollen bundesweit in den kommenden Jahren rund 2800 Kilometer Leitungen gebaut werden. Inklusive der Optimierung bestehender Leitungen müssen die Unternehmen innerhalb der kommenden Zehn Jahre bis 2023 rund 20 Milliarden Euro investieren, rechnet die Bundesregierung vor. Eigentlich brauchen die Netzbetreiber das Geld der Bürger nicht, um den Leitungsbau zu finanzieren. Es fänden sich genügend langfristige Investoren, Pensionsfonds etwa, die gern in derartige Infrastrukturprojekte investieren. Daher ist das Papier auch an mehreren Punkten vorsichtig formuliert. So sollten die Finanzierungsinstrumente „nach Möglichkeit“ einen Bezug zu konkreten Leitungsbauprojekten haben. Müssen aber nicht. Überhaupt entscheiden die Firmen selbst, ob sie den Bürgern überhaupt ein konkretes Angebot machen.

Für 50Hertz, Tennet und Co ist diese Möglichkeit der Bürgerbeteiligung lediglich ein Instrument, um erwartbare Widerstände von Anwohnern einer Trasse reduzieren zu helfen. Tennet sammelt seit Juni Erfahrungen mit dem Modell in Schleswig-Holstein entlang der Westküstentrasse, die Strom von den Hochseewindparks auf den Weg gen Süden bringen soll, und macht damit nach eigenen Angaben gute Erfahrungen. Umweltminister Altmaier erklärte es am Freitag so: „Transparenz und Beteiligung sind die Schlüssel für einen zügigen Ausbau unserer Stromnetze.“ Es sei ein Instrument um Lasten und Gewinne der Energiewende gerechter zu verteilen. Er hat das Modell „Bürgerdividende“ getauft. Ganz neu ist es nicht. Kernpunkte davon hatte der Minister bereits im vergangenen Herbst vorgestellt – und damit weitgehend positive Reaktionen geerntet. Dass es aber so lange gedauert hat, bis sich Bundesregierung und Netzbetreiber auf ein Eckpunktepapier geeinigt haben, provoziert nun Kritik der Opposition am Verfahren. „Was stets fehlt sind die Taten nach seinen vollmundigen Ankündigungen“, sagte etwa der Oliver Krischer, der energiewirtschaftliche Sprecher der Grünen im Bundestag.

Inhaltlich regt sich keine ernsthafte Kritik an dem Modell. Warum auch? Es ist ja für alle Beteiligte freiwillig. Auch braucht es kein neues Gesetz. „Bürgerbeteiligungsmodelle sind bereits heute im bestehenden rechtlichen Rahmen möglich“, räumt das Wirtschaftsministerium auf Nachfrage ein. Insofern bot die gestrige Präsentation der „Bürgerdividende“ den sonst in Energiefragen meist zerstrittenen Ministern eine gute Gelegenheit, Geschlossenheit zu demonstrieren..

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