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Aufschwung

© ddp

Studie: Keine Spur vom Aufschwung

Nur eine Minderheit der Deutschen findet, dass die Einkommen gerecht verteilt sind. Viele spüren vom derzeitigen Wirtschaftsboom so gut wie nichts.

Berlin - Die Konjunktur brummt, die Arbeitslosenzahlen sinken – aber immer weniger Menschen spüren das wirklich in ihren Portemonnaies. Einer repräsentativen Umfrage zufolge sind nur noch 15 Prozent von mehr als 2000 Befragten der Ansicht, der Aufschwung komme bei ihnen an. Ein Jahr zuvor hielten noch knapp 30 Prozent der Deutschen die Einkommen für gerecht verteilt, wie aus der am Montag veröffentlichten Erhebung des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Bertelsmann-, Heinz-Nixdorf- und Ludwig-Erhard-Stiftung hervorgeht.

Als Motivation für die Studie führen die Stiftungen in einem Kommentarband, der dem Tagesspiegel vorliegt, die Erkenntnis an, dass schon fast zwei Drittel der Menschen das Wirtschafts- und Sozialsystem Deutschlands nicht mehr als eine soziale Marktwirtschaft ansehen. Die Ergebnisse der im August durchgeführten Erhebung belegen das: Den Autoren zufolge widersprechen sie den Erfahrungen früherer Konjunkturzyklen, „in denen Boomzeiten in der Bevölkerung stets zu der Einschätzung führten, dass mit dem Aufschwung auch ein Mehr an Verteilungsgerechtigkeit im Lande verbunden sei“.

Die derzeitige Einschätzung der Bürger sei dagegen geprägt von Meldungen über wachsende Kinderarmut und darüber, dass viele Menschen trotz Vollzeitarbeit nicht von ihrem Einkommen leben könnten – und gleichzeitig von der Diskussion um die Gehälter einzelner Spitzenmanager, schreiben die Autoren. Die Brutto- Löhne und Gehälter in Deutschland hätten sich zwar in den vergangenen Jahren leicht erhöht, bei den Arbeitnehmern bleibe davon jedoch aufgrund von Mehrwertsteuerhöhung und Inflation netto nicht viel übrig. Gleichzeitig seien die Einkommen aus Unternehmertätigkeit sowie die Einkünfte aus Kapitalvermögen stark angestiegen. „Wohlstand für alle“ – der Slogan von Ludwig Erhard, dem „Vater des Wirtschaftswunders“, in den Anfangsjahren der sozialen Marktwirtschaft – sei einer zunehmenden sozialen Differenzierung gewichen. „Während die besonders leistungsfähigen Bevölkerungsteile mit hohem gesellschaftlich-wirtschaftlichen Status auch in den schwierigen letzten Jahren über ein deutlich gestiegenes frei verfügbares Einkommen berichten, stagniert seit Jahren der Betrag, der Personen mit mittlerem gesellschaftlich-wirtschaftlichem Status nach Abzug der laufenden Ausgaben für Miete, Heizung, Kleidung, Essen und Trinken übrig bleibt.“

Das habe auch dazu geführt, dass der Anteil der „Statuspessimisten“, die nicht glaubten, durch Leistung weiterzukommen, angestiegen sei. Besonders erschreckend: Selbst bei den 16- bis 29-Jährigen sieht knapp ein Drittel keine Aufstiegschancen für sich (siehe Grafik).

Nach ihren Vorschlägen zu einer besseren Verteilungsgerechtigkeit befragt, forderte die Mehrheit eine stärkere Bekämpfung der Kinderarmut (74 Prozent) und die steuerliche Entlastung von Geringverdienern (72 Prozent). Auf dem Wunschzettel stehen weiter die Sicherung eines Mindesteinkommens durch Mindest- oder Kombilöhne (69 Prozent) sowie die Abschaffung von Steuerschlupflöchern (67 Prozent). Für eine Wiedereinführung der Vermögensteuer oder eine stärkere Belastung von Unternehmensgewinnen sprach sich dagegen jeweils nur ein Drittel aus. Auch eine Erhöhung der Leistungen für Bezieher von Arbeitslosengeld II halten nur 28 Prozent für sinnvoll.

Juliane Schäuble

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