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Studie: Mehr Wachstum - weniger Armut

Erstmals seit einem Jahrzehnt ist die Armut in Deutschland zurückgegangen, heißt es in einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Die Zahlen widerlegen Linkspartei und Gewerkschaften, die behaupten, die Bevölkerung profitiere nicht vom Aufschwung.

Berlin -  Der Anteil der Bürger, die als arm oder als armutsbedroht gelten, ist zwischen 2005 und 2006 von 18 auf 16,5 Prozent gesunken, heißt es in einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) vom Dienstag. Zugleich habe sich die Schere zwischen hohen und niedrigen Löhnen nicht weiter geöffnet, in Ostdeutschland hat sich der Unterschied sogar verringert. „Der Aufschwung und die Arbeitsmarktreformen haben zu mehr Beschäftigung und damit zu weniger Armut und Ungleichheit geführt“, begründete DIW-Präsident Klaus Zimmermann die Entwicklung.

Damit hatten 2006 – aktuellere Daten liegen noch nicht vor – 1,2 Millionen Menschen den Sprung in die untere Mittelschicht geschafft. Als arm gilt, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verfügt – das sind bei Alleinstehenden 890 Euro im Monat, bei einem Paar mit zwei Kindern 1871 Euro. Allerdings ist der Anteil der dauerhaft von Armut bedrohten Bürger weiterhin hoch: Mehr als zwölf Prozent leben derzeit mindestens zwei aufeinanderfolgende Jahre in Armut. In den achtziger Jahren waren es lange Zeit nur acht Prozent. Die DIW-Zahlen basieren auf seit Jahrzehnten laufenden Befragungen von 10 000 Haushalten.

Die Studie ist politisch brisant, weil sie die These von Gewerkschaften und der Linkspartei widerlegt, weite Teile der Bevölkerung profitierten von dem seit 2005 laufenden Aufschwung nicht, deshalb seien mehr Umverteilung und Mindestlöhne nötig. Zuletzt hatten prominente SPD-Linke von der Parteispitze eine entsprechende Kehrtwende in der Wirtschaftspolitik gefordert. „Das DIW versucht offensichtlich, das Armutsproblem in Deutschland kleinzureden, um Stimmung gegen Mindestlöhne zu machen“, kommentierte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die Erkenntnisse. Deutschland habe den größten Niedriglohnsektor in Kontinentaleuropa. „Die Agenda 2010, ein funktionsfähiger Niedriglohnbereich und eine moderate Lohnentwicklung“ sind dagegen für Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt die Ursachen der Entwicklung. Der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung war im Sommer noch zu dem Schluss gekommen, dass die Armut zunehme. Er basierte allerdings auf Zahlen von 2005.

DIW-Chef Zimmermann sagte, vermutlich werde in den Erhebungen für 2007 und 2008 die Zahl der Armen weiter zurückgehen. Ein wichtiger Grund sei, dass der Anstieg der Sockelarbeitslosigkeit gestoppt sei. Darunter versteht man den Teil der Arbeitslosen, der auch in einem Aufschwung keine Stelle findet. In diesem Konjunkturzyklus wurden erstmals wieder mehr Stellen geschaffen als beim vorherigen Abschwung verloren gegangen waren. Zimmermann warnte vor der Einführung eines Mindestlohns, um die Armut zu bekämpfen. Dies sei ein „ineffizientes Instrument“, da es den wirklich Bedürftigen nicht helfe. „Reguläre Beschäftigung ist auf Dauer die beste Lösung.“ Dazu müsse die Politik an den Arbeitsmarktreformen festhalten und dafür sorgen, dass es weniger Schulabbrecher und Menschen ohne Berufsabschluss gibt.

Über einen längeren Zeitraum betrachtet haben sich die Haushaltseinkommen aber kaum erhöht. Zwischen 1992 und 2007 stieg das Nettoeinkommen preisbereinigt nur um elf Prozent auf 18 932 Euro – vor allem wegen der Inflation. In der gleichen Spanne sank die Lohnquote – also der Anteil der Beschäftigten am Volkseinkommen – von 72 auf unter 65 Prozent.

Allerdings ist laut DIW der Trend des stetig wachsenden Niedriglohnbereichs „erstmals seit vielen Jahren“ gestoppt. 2007 arbeiteten 15 Prozent der Menschen für weniger als 7,50 Euro brutto in der Stunde. Dieser Trend werde wahrscheinlich anhalten, wenn auch die Beschäftigung weiter zunehme, erwarten die Berliner Ökonomen.

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