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Wirtschaft: Sturm an der Ostsee

Die Sparkasse Stralsund soll verkauft werden. Das bringt die Hansestadt in Aufruhr – und könnte die Finanzbranche durcheinander wirbeln

Berlin (dr/fmd/HB). Die Sparkasse Stralsund ist ziemlich klein – doch es gibt großen Streit um sie. Sie soll verkauft werden – das strebt der Oberbürgermeister der Hansestadt an. Sie soll in der Hand der Kommune bleiben – das will unter anderem das mecklenburgvorpommersche Finanzministerium. Der Konflikt spitzte sich am Dienstag zu: Bekannt wurde, dass Mecklenburg-Vorpommerns Finanzministerin Sigrid Keler (SPD) einen Beschluss des Verwaltungsrats der Stralsunder Stadtsparkasse aufgehoben hat, den Verkauf zu prüfen. Davon unbeirrt will die Stralsunder Bürgerschaft morgen einen Verkaufs-Prüfauftrag beschließen. „Wir sind Sturm gewöhnt“, sagte Stralsunds Oberbürgermeister Harald Lastovka (CDU).

Sein Plan ist so umstritten, weil er für ein Novum in der deutschen Finanzbranche sorgen würde: Mit dem Verkauf würde erstmals ein öffentlich-rechtliches Kreditinstitut in private Hände übergehen. Das wäre der Anfang vom Ende des traditionell in drei Säulen aufgeteilten Bankensystems, bei dem Private, Genossenschaftsbanken und Sparkassen miteinander konkurrieren.

CDU und SPD in Stralsund seien sich einig, nach einem Beschluss schnell einen privaten Investor zu suchen, sagte Lastovka. Doch eine solche Entscheidung will die Landesregierung wieder für unwirksam erklären, erfuhr das Handelsblatt. Gegen die drohende Untersagung will Lastovka „notfalls bis in die letzte Instanz“ vor Gericht klagen, denn er sieht die kommunale Selbstverwaltung in Gefahr.

Die Banker sind in Sorge. Das Sparkassenlager ist nervös. „Wir dürfen da keine Kompromisse eingehen, schließlich ist die Bestandsdiskussion eingeleitet“, stellt Walter Schubert, der Vorstandsvorsitzende der Mittelbrandenburgischen Sparkasse in Potsdam, klar. Wenn eine Sparkasse herausgebrochen werde, sei das Verbundsystem gefährdet.

SPD und CDU ficht das nicht an – sie verfügen in der Bürgerschaft über eine Mehrheit. Einem möglichen Erwerber haben sie nur abverlangt, er solle Erfahrung im Bankgeschäft haben, „die Arbeitsplätze der Mitarbeiter für eine angemessene Zeit garantieren“, und „sicherstellen, dass auch in Zukunft allen Einwohnern der Hansestadt die Eröffnung einer Kontoverbindung auf Guthabenbasis möglich ist“. Die Verabschiedung der Verkaufs gilt als sicher. „Um 15 Uhr beginnen wir mit der Beratung, um 16 Uhr fällt der Hammer“, sagt der Sprecher der Stadt, Peter Koslik.

35 Millionen Euro könnte Lastovka für die Sparkasse erlösen. Geld, das die Stadt dringend braucht. „Kitas und Schulen sind in einem maroden Zustand und müssen dringend renoviert werden“, sagt Koslik. Doch Oberbürgermeister Lastovka geht es nicht nur ums Geld. Er sorgt sich auch um die 155 Arbeitsplätze. Diese sollen nämlich in eine Fusion eingebracht werden, ein Drittel der Arbeitsplätze könnte verloren gehen. „Und warum soll ich da nicht an jemanden verkaufen, der eine Großzahl von Arbeitsplätzen garantiert?“, fragt Lastovka.

Die Bewerber sollen in den Startlöchern stehen. Genannt werden in der Branche die Commerzbank, ausländische Institute und die Deutsche Bank. Deren Aufsichtsratschef Rolf Breuer hatte schon oft eine engere Zusammenarbeit mit einzelnen Kassen angeregt und einen Kauf nicht ausgeschlossen. „Wer hätte gedacht, dass die Sparkasse Stralsund einmal die Schlagzeilen der Wirtschaftspresse beherrscht“, stichelte er. Und der Bundesverband deutscher Banken, der Zusammenschluss der Privaten, legte nach. Geschäftsführer Manfred Weber bezeichnete es als unhaltbar, dass Fusionen oder Übernahmen in Deutschland nur „als Einbahnstraße“ möglich seien. Öffentliche Banken dürften private Institute übernehmen, umgekehrt gehe dies aber nicht. „Erst wenn eine private Bank eine Sparkasse oder eine Landesbank kaufen oder mit ihr fusionieren kann, gibt es einen funktionierenden Bankenmarkt.“

Die Sparkassen sind anderer Meinung. Rainer Voigt, Präsident des Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverbandes, wirft Lastovka vor, „Interessen von Bürgern und Mittelständlern“ zu verleugnen. Die Sparkassen wissen zudem Schwerins Finanzministerin Keler an ihrer Seite. Sie droht mit einer Zwangsfusion als „sparkassen-interner Lösung“. Zudem wird an der Bilanz der Sparkasse gemäkelt. Die stillen Reserven seien von 9,6 Millionen auf noch 1,9 Millionen Euro zusammengeschmolzen, im Kreditportfolio gebe es hohe Risiken, wird aus dem Sparkassenverband kolportiert. Das Finanzministerium orakelt gar von akuter Gefährdung des Hauses.

Lastovka und seine Mitstreiter ficht das nicht an. Die Sparkasse mit einer Bilanzsumme von 550 Millionen Euro sei gesund. Der Oberbürgermeister hat sich juristischen Rat geholt: Das Berliner Rechtsanwaltsbüro Hengeler Müller hat ein Gutachten erstellt. Lastovka könnte nur die Vermögenswerte der Sparkasse einschließlich des Bankgeschäfts, also inklusive des begehrten Kundenstamms, verkaufen. Im Besitz der Stadt bliebe ein leere Hülle, die sich dann auflösen ließe. Die Berliner Rechtsanwälte hatten schon einmal Erfolg. Für den europäischen Bankenverband gingen sie in Brüssel gegen die Staatsgarantien für die Sparkassen vor. Sie fallen Mitte 2005. Spätestens dann werden die Karten auf dem deutschen Markt neu gemischt – selbst wenn Lastovka scheitern sollte.

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