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Finger weg. Teile des alten Bahnhofs sind weg, viele Bäume gefällt – Entscheidendes geschehen ist auf der Baustelle in Stuttgart aber noch nicht. Doch schon jetzt wird das Projekt deutlich teurer. Foto: dpa

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Update

Stuttgart 21: Bahnhof runter - Kosten rauf

Bei Stuttgart 21 hat sich die Deutsche Bahn kräftig verkalkuliert. Das Großprojekt soll nun bis zu 6,8 Milliarden Euro kosten - wenn die Berechnungen diesmal stimmen.

Den Stuttgarter Hauptbahnhof unter die Erde zu verlegen, kostet 4,893 Milliarden. Die Deutsche Bahn und alle Freunde des Projekts waren überzeugt, dass der Tiefbahnhof für die Stadt und für Baden-Württemberg eine gute Sache sein wird. Und natürlich für die Kunden, die mit den flotten ICE-Zügen dann noch schneller ans Ziel kommen können.

Das war im November 1995, als eine erste Rahmenvereinbarung für das Projekt unterzeichnet wurde. Die gültige Währung zum Betrag von 4,893 Milliarden waren Deutsche Mark. Heute taxiert die Bahn das Vorhaben auf mindestens 5,626 Milliarden – allerdings in der Währung Euro. Diese Summe hat der Bahn-Vorstand am Mittwoch dem Aufsichtsrat präsentiert. Das bedeutet Mehrkosten von wenigstens 1,1 Milliarden Euro gegenüber der bisherigen Obergrenze von 4,526 Milliarden Euro vom Frühjahr 2009. Das erklärte der zuständige Bahn-Vorstand Volker Kefer nach der Sitzung des Kontrollgremiums.

Hinzu kommen noch Risiken von bis zu 1,2 Milliarden Euro, auf die der Staatskonzern eigenen Angaben zufolge keinen Einfluss hat – sie drohen als Ergebnis von Planänderungen und neuen Wünschen des Landes und der Stadt Stuttgart. Auch „behördlicher Schwergang“, wie es die Bahn nennt, könne die Kosten weiter treiben. Unter dem Strich könnten 2021, wenn der erste Zug durch den Tiefbahnhof rollen soll, im schlechtesten Fall Gesamtkosten von 6,8 Milliarden Euro aufgelaufen sein. Womöglich treten zudem noch Probleme auf, die heute niemand ahnt – „wir wissen nicht, wie die Welt in zehn Jahren aussieht“, sagte Kefer. Die Summe nähert sich damit Größenordnungen an, die Kritiker von Stuttgart 21 nennen. Karlheinz Rößler vom Planungsbüro Vieregg-Rößler etwa erwartet Kosten von acht bis zehn Milliarden Euro.

In dem neuen Betrag von 5,626 Milliarden Euro gebe es einen Puffer für „weitere Unwägbarkeiten“, erläuterte der Manager. Der Aufsichtsrat gab dem Vorstand noch keine freie Hand, sondern will die neuen Schätzungen erst prüfen und auf einer Sondersitzung darüber befinden. Die Bahn strebt an, den Kostenblock von 1,1 Milliarden Euro aus der Konzernkasse zu finanzieren. Verantwortlich dafür seien unzureichende oder ungenaue Planungen, räumte Kefer ein. So sei man etwa im Untergrund auf Leitungen gestoßen. „Eine Befriedung des Projektes ist notwendig und gefordert“, fügte er hinzu.

Angesichts des zweiten großen Ausgabenpostens von bis zu 1,2 Milliarden Euro könnte das schwierig werden. Änderungen an dem Bahnhof, etwa durch einen Bürgerdialog oder die Schlichtung 2010, müsse die Politik tragen, verlangte die Bahn. Winfried Hermann (Grüne), Verkehrsminister in Baden-Württemberg, lehnte dies ab. Auch der Bund will seinen Beitrag nicht aufstocken. Allerdings gebe es auch die Chance, die Kosten um 200 Millionen Euro zu drücken, sagte Kefer. Beteiligt sind am Bahnhof neben der Bahn das Land, die Stadt und die Region Stuttgart, der Flughafen sowie der Bund.

Die Station rechne sich trotz der neuen Mehrausgaben, sagte Kefer. „Die Wirtschaftlichkeit des Projekts geht deutlich in die Knie, wird aber nicht negativ.“ Das Vorhaben sei nun nicht mehr so wirtschaftlich wie es Unternehmungen der Bahn normalerweise sein müssten. Die Mehrkosten will der Konzern über Schulden finanzieren. Angesichts der Mehrkosten seien andere Investitionen in die Infrastruktur nicht gefährdet, versicherte er. Der Betrag, den die Bahn nun trägt – 2,8 Milliarden statt wie bisher 1,7 Milliarden Euro –, verteile sich dazu auf zu viele Jahre. Gegner des Projekts befürchten, dass die nötige Sanierung von Engpässen im Gleisnetz nun jahrelang ausbleibt.

Einen Ausstieg aus dem Bauvorhaben habe der Konzern erwogen, sagte Kefer – ihn aber verworfen. Dies würde mindestens zwei Milliarden Euro kosten und dem Ruf der Bahn schaden. Die Gegner des Tiefbahnhofs plädieren dafür, die bestehende Station zu modernisieren, sie halten dies für besser und billiger.

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