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Subventionen für Nokia: Dankbarkeit kann man nicht verlangen

"Subventionsheuschrecke" hat der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Rüttgers den Handy-Hersteller Nokia genannt, weil dieser Bochum trotz Förderung verlassen will. Dabei vergisst er eins: Nokia ist ein Unternehmen, das nüchterne Entscheidungen trifft.

Jürgen Rüttgers (CDU) macht sich gegen die geplante Schließung des Nokia-Werks in Bochum stark. Der Konzernleitung des finnischen Mobilfunkherstellers will er Vorschläge unterbreiten, wie sich die Lohnkosten - die ohnehin einen geringen Prozentsatz bei der Herstellung eines Telefons ausmachen - noch weiter senken lassen. Doch nützen wird es den Beschäftigten wenig.

Es zeigt sich einmal mehr, dass Subventionen Arbeitsplätze in Unternehmen nicht nachhaltig sichern, wenn anderswo die Rahmenbedingungen besser sind als in Deutschland. Firmen wie Nokia sind ihren Aktionären Rechenschaft schuldig und müssen um jeden Preis wettbewerbsfähig bleiben. In der Standortfrage haben ethische Argumente wenig Raum. Auch Konkurrenten von Nokia wie BenQ und Motorola entscheiden sich in den letzten Jahren gegen den Standort Deutschland. Besonders hart traf es die ehemaligen Mitarbeiter der Mobilfunkabteilung von Siemens, die zunächst von Benq übernommen wurde. Im September 2006 ließ das taiwanesische Unternehmen seine deutsche Produktion platzen. Gerade bei Elektronikprodukten wie Mobiltelefonen ist das Herstellungsland des Gerätes dem Käufer fast gleichgültig - was zählt, ist die Marke. Auch im Januar dieses Jahres haben ein Drittel der Ex-Angestellten keinen neuen Job.

"Jeder Kaufmann würde so handeln"

"Es ist mit Subventionen genauso wie mit Geschenken im Privatleben. Sie können zwar erwarten, dass der Beschenkte ihnen dankbar ist, aber sie können es nicht verlangen", erklärte auch der Bonner Arbeitsmarktexperte Hilmar Schneider im ZDF. So ist das auch bei Nokia. Die Bindungsfristen für die Gelder sind abgelaufen. Die Regierung hat keine Handhabe, um Forderungen zu stellen.

Auch der Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), Christoph Schmidt, findet das Vorgehen des Unternehmens eher normal. "Wenn man jemanden herlocken kann, indem man sagt, hier gibt es schöne Fördermittel, dann ist klar, dass spätestens nach Auslaufen der Förderung neu kalkuliert wird. Das würde jeder nüchterne Kaufmann so machen müssen."

Fördergelder nur als Starthilfe

Fast jede regionale Wirtschaftsförderung versuche schließlich, durch finanzielles Entgegenkommen Firmen anzulocken, so Schmidt. Nokia sei ein internationales Unternehmen, das nüchtern kalkuliere. "Ein großer internationaler Konzern denkt nicht in regionalen Kategorien, der denkt an den eigenen Betriebserfolg und an die nächste Hauptversammlung. Damit hätte man rechnen müssen", findet der Experte.

Fördergelder sind vor allem dann sinnvoll, wenn sie Starthilfe geben. Ihr Sinn steht dann in Frage, wenn sie der einzige Grund sind, warum sich Unternehmen in einer bestimmten Region ansiedeln. Rumänien hatte sich in Bezug auf den Industriepark, in dem sich Nokia angesiedelt hat, verpflichtet , vor allem in die Infrastruktur zu investieren. Unter anderem sollte die rumänische Eisenbahngesellschaft dort ein extra Nebengleis für die Güterwaggons errichten. Die Elektrizitätswerke sollten in "Nokia Village" - so der Name des Industrieparks -  für 17 Millionen Euro ihre Infrastruktur erneuern.

Angleichung der Lebensverhältnisse in der EU

Der Vorsitzende der CDU in Nordrhein-Westfalen, Helmut Stahl, hält das "moderne Nomadentum" von Firmen wie Nokia für eine Folge der Globalisierung. Wenn die EU gemeinsame Märkte und ähnliche Lebensbedingungen schafft, ist die Mobilität von Firmen nur verständlich und sogar erwünscht. Liegt die Verantwortung für Nokias Umzugspläne also in der Förderung des neuen EU-Mitglieds Rumänien?

Die EU-Kommission streitet ab, dass Rumänien Fördergelder von der EU bekommen habe, will die Vorwürfe aber prüfen. Im Strukturförderprogramm für Rumänien für die Jahre 2007 bis 2013 sei eine "Kofinanzierung von Arbeitsplatzverlagerungen" ausdrücklich ausgeschlossen, erklärte  eine Sprecherin. Die EU habe zwar im Jahr 2001 den Aufbau des Industrieparks Tetarom I mit 3,36 Millionen Euro unterstützt. Die von der gleichen Firma gemanagten Anlagen Tetarom II und Tetarom III hätten aber keine EU-Zuschüsse erhalten. Nokia habe seine Fabrik im Industriegelände Tetarom III bei Cluj (Klausenburg) errichtet.

Allerdings soll der rumänische Staat nach einem Bericht der Westdeutschen Zeitung 33 Millionen Euro für Nokia Village aufgebracht haben. Warum soll es verwerflicher sein, dass der rumänische Staat Unternehmen aus Deutschland weglockt als wenn der deutsche Staat Unternehmen aus Finnland weglockt? (mit dpa/AP)

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