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Gute Ernte. Die Landwirtschaft erhielt im vergangenen Jahr 11,4 Milliarden Euro an Subventionen und ist damit der zweitgrößte Nutznießer staatlicher Förderung.

© ddp

Subventionsbericht: Milliarden aus leeren Taschen

Trotz Finanznot verteilt der Staat 165 Milliarden Euro an Subventionen – für die Abwrackprämie ebenso wie für Kinderheime

Berlin - Der Mittelstand ist die Perle der deutschen Wirtschaft, diese Phrase gehört zur Grundausstattung eines jeden Politikers. Für ihn öffnet der Staat bereitwillig die Kassen: Will ein Unternehmer etwa aus dem strukturschwachen Mecklenburg-Vorpommern auf einer Messe auftreten, hilft der Fiskus mit Zuschüssen. Muss die Belegschaft weitergebildet werden, fließt ebenfalls Geld. Braucht der Chef fachkundige Beratung, beteiligt sich das Gemeinwesen an den Kosten. Müssen eine Solaranlage aufs Dach geschraubt, neue Produkte entwickelt oder im Ausland vermarktet werden, hilft der Steuerzahler. Insgesamt 44 Förderprogramme kann die Firma anzapfen, finanziert von Bund, Land und EU.

Eine „Subventionitis“ hat sich in der Republik breitgemacht, findet Alfred Boss. Er ist Forscher am Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) und hat sich auf Subventionen spezialisiert. Nach seinen neuen, am Donnerstag vorgestellten Berechnungen hat der Staat 2009 Unternehmen und Bürger mit einer Rekordsumme bedacht: 164,7 Milliarden Euro an Finanzhilfen und Steuervergünstigungen sind geflossen. Zugleich muss der Staat sparen wie noch nie, hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) angekündigt. Wie das zusammenpasst? „Das wüsste ich auch gerne“, schmunzelt Boss. „Eine klare Begründung wird Ihnen kein Politiker geben, da kommt nur Palaver.“

In Boss’ Bericht tauchen hunderte Posten auf – immense Summen ebenso wie Kleckerbeträge, skurrile Programme ebenso wie Zukunftsausgaben. So genießt die Wirtschaft allein beim Strom Vergünstigungen von 3,9 Milliarden Euro. Hausbesitzer bekommen gut drei Milliarden, weil sie die Kosten für Renovierungen von der Steuerschuld abziehen können. Die Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen, etwa Putzen oder Babysitten, kostet eine Milliarde. Damit hierzulande teure deutsche Steinkohle verfeuert wird, zahlt der Staat 1,5 Milliarden. 2009 kam mit der Abwrackprämie ein weiterer großer Posten hinzu. Die Milliarden für die Bankenrettung sind in der Studie nicht einmal berücksichtigt.

Unter den kleinen Hilfsprogrammen finden sich die eine Million Euro teure Steuerbefreiung für den Haustrunk, an dem sich Brauereibeschäftigte privat laben können. Mittelständische Brennereien erhalten einen garantierten Preis, wenn sie ihren Alkohol beim Staat abliefern, das lässt sich dieser 80 Millionen Euro kosten. Eine Beihilfe von 51 000 Euro geht an Schiffsjungenheime. Mit 450 000 Euro schlägt der internationale Austausch von Landwirtschaftspraktikanten zu Buche.

Allerdings ist umstritten, welche Zahlungen und Rabatte als Subvention gelten und welche nicht. Der Bund kommt in seinem jüngsten Subventionsbericht nur auf Zuwendungen und Hilfen von gut 58 Milliarden Euro. Die IfW-Studie hat eine viel weitreichenderes Verständnis von staatlichen Eingriffen. „Wir zählen alles hinzu, was die Struktur der Wirtschaft irgendwie beeinflusst, ohne dass es dafür einen ökonomischen Grund gibt“, sagt Boss. Darunter fallen etwa die Zuschüsse für Kindergärten (15,7 Milliarden), die Umsatzsteuerbefreiung ärztlicher Leistungen (5,4 Milliarden Euro), die Bundeshilfe für Krankenkassen (7,2 Milliarden) oder der Freibetrag für ehrenamtliche Sporttrainer (zwei Milliarden). Insgesamt bekommt die Wirtschaft nur die Hälfte der Subventionen, der Rest geht an die Bürger. Nach Branchen sind die größten Nutznießer der Verkehr (24,8 Milliarden), die Landwirtschaft (11,4 Milliarden) und die Wohnungswirtschaft (9,4 Milliarden).

Wird die Koalition angesichts dieser Summen bei der Sparrunde am Wochenende nun heftige Kürzungen beschließen? Forscher Boss glaubt nicht daran. „Es wird allenfalls eine Maus geboren.“ Die Lobbygruppen seien schlicht zu mächtig, findet er. „Ich glaube nicht, dass die Politik die Kraft zu wirklichen Kürzungen hat.“

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