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Wirtschaft: Südamerikas Börsen sind kein Kasino mehr - Anleger erleben einen soliden Kursaufschwung

"Baut sich hier etwa heimlich eine Hausse auf?" fragten sich Mitte Oktober die Lateinamerika-Analysten der Investmentbank Flemings.

"Baut sich hier etwa heimlich eine Hausse auf?" fragten sich Mitte Oktober die Lateinamerika-Analysten der Investmentbank Flemings. Ein Indiz dafür schienen die sinkenden Zinsaufschläge für lateinamerikanische Anleihen: Die Banken schätzen das Risiko für ihre Kredite in der Region nicht mehr so hoch ein, wie noch vor kurzem. Anleger könnten folgen. Außerdem machten überdurchschnittlich steigende Kurse von Bankaktien in Brasilien, Argentinien und Mexiko die Experten von Flemings aufmerksam: "Unsere Erfahrungen zeigen, dass in Emerging Markets, die gerade abgewertet haben, Banken die Vorreiter für eine Hausse sind."

Die britische Investmentbank hat Recht behalten: Seit zwei Monaten steigen in Lateinamerika nun schon die Aktienkurse. Vor allem in den Schlüsselländern Brasilien und Mexiko klettern die Indizes von einem Rekordhoch zum nächsten. Inzwischen ist Konsens unter den Investmentbankern: "Neben Mexiko ist Brasilien ein klarer Kauf für uns," sagt Paulo Leme, Emerging-Market-Stratege von Goldman Sachs, "das Land hat seine Haushaltssituation außergewöhnlich verbessert, die Entwicklung in der Leistungsbilanz sieht ordentlich aus, und die ökonomischen Fundamente zeigen sich solider als erwartet." Die sonst bei Lateinamerika eher vorsichtige Deutsche Bank drückt sich regelrecht euphorisch aus: Ein Report über die vielversprechenden Aktienmärkte der Region betitelten sie mit: "Rebirth of the Stars" - mit Wiedergeburt meinen die Deutschbanker ein Anknüpfen an den lateinamerikanischen Börsenboom vor zweieinhalb Jahren, der durch die Asienkrise und die weiteren Emerging-Market-Krisen abgewürgt wurde. "Die Märkte der Region bieten derzeit Wachstum und Wertsteigerungspotenzial zugleich - eine Kombination, die zunehmend schwerer zu finden ist", so die Deutsche Bank.

Die Gründe für den Aktienboom in Lateinamerika liegen auf der Hand: Nach der Stagnation wird die Region im Jahr 2000 voraussichtlich um 3,7 Prozent wachsen. Die wieder anziehende Konjunktur in Asien sowie das weiter hohe Wachstum sorgen für einen Anstieg der Rohstoffpreise. Das ist wichtig, denn die größten lateinamerikanischen Unternehmen exportieren fast nur Rohstoffe. Insgesamt hat sich die Region schneller als erwartet von der Krise der Emerging Markets erholt.

Klare Favoriten bleiben Brasilien und Mexiko. Die Nafta-Ökonomie wird gut gemanagt, profitiert von den höheren Öleinnahmen und dem boomenden US-Markt. Weil die Regierung gleichzeitig die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft stetig verbessert und die Zinsen senken kann, setzen die Anleger jetzt auf einen lebhafteren Konsum. Bisher haben Telekom und Banktitel den Index hochgezogen. Die Deutsche Bank etwa hält ihre sieben ausdrücklichen Kaufempfehlungen ausschließlich im privaten Konsumbereich.

In Brasilien überrascht, dass das Land sein Abkommen mit dem IWF einhält und sein Haushaltsdefizit stark reduzieren kann. Auch die Inflationsraten bleiben niedrig, die Zinsen sind gesunken, der Wechselkurs verbessert sich leicht. Weil die ausländischen Direktinvestitionen fließen wie schon lange nicht mehr, erwarten die Analysten, dass die Wirtschaft sich schneller erholt als erwartet. Für Privatanleger gilt: Der Einstieg über Fonds ist weniger riskant als der Kauf von Einzeltiteln.

Wie lange wird die Hausse in Brasilien und Mexiko anhalten? Die Börsenindizes haben ein Potenzial von rund 30 Prozent bis Ende 2000. Und die meisten Analysten rechnen damit, dass die Kurse nur bis Mitte des Jahres steigen. Die Stimmung kann, etwa aus politischen Gründen, jederzeit wieder umschlagen.

Alexander Busch

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