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Wirtschaft: Surfer vor Gericht

Darf man während der Arbeitszeit das Internet privat nutzen? Das Bundesarbeitsgericht entscheidet

Berlin - Mal eben ein neues Sofa im Internet ersteigern, nach Schnäppchen für den Kurzurlaub suchen oder sich vielleicht sogar beim Anblick unbekleideter Damen entspannen – viele Arbeitnehmer nutzen den Rechner im Büro auch während der Arbeitszeit. Manche Unternehmen dulden das, anderen ist das ein Ärgernis. „Dabei ist der Verlust der Arbeitszeit nur die eine Seite“, sagt Kai Kuhlmann, Bereichsleiter Recht beim Informationstechnik- und Telekommunikationsverband Bitkom. „Es besteht auch die Gefahr, dass über die Betriebsrechner verbotene Inhalte abgerufen oder verbreitet werden. Dann kann es passieren, dass der Staatsanwalt vor der Tür steht und die Rechner mitnimmt.“ Immer mehr Unternehmen überwachen daher, was ihre Mitarbeiter im Internet tun. Und immer mehr Fälle landen vor dem Richter.

Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt entscheidet am heutigen Donnerstag, wie weit ein Arbeitnehmer den firmeneigenen Internetanschluss für privates Surfen im Internet nutzen darf. Entschieden wird über die fristlose Kündigung eines Chemikanten, der während seiner Pausen, aber auch in der Arbeitszeit den Internetzugang für private Anliegen genutzt und dabei auch Seiten mit pornografischem Inhalt aufgerufen hat. Dies wird von dem Mitarbeiter auch eingeräumt. Mit seiner Klage wendet er sich jedoch gegen die fristlose Kündigung. Seine Begründung: Ihm sei das Verbot der privaten Nutzung nicht bekannt gewesen. Darum hätte ihn das Unternehmen zuvor abmahnen müssen. In den Vorinstanzen – so am Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – war seiner Klage stattgegeben worden.

Vom Unternehmen wird hingegen argumentiert, dass sich auf der Startseite zum Firmennetz und zum Internet ein eindeutiger Hinweis – „Intranet und Internet nur zum dienstlichen Gebrauch“ – befand, der die private Nutzung eindeutig untersagte. Hinter diesem Hinweis befand sich zudem eine weitere Seite, auf der die Mitarbeiter darüber informiert worden seien, dass jeder Zugriff auf pornografische Internetseiten registriert werde und arbeitsrechtliche Folgen haben könne. Auch in der Werkzeitung sei darauf aufmerksam gemacht worden. Der gekündigte Mitarbeiter hatte dagegen in den Vorinstanzen glaubhaft gemacht, dass er nicht über diese Startseite ins Internet gelangt sei, sondern über einen anderen Zugang.

Die Bedeutung der höchstinstanzlichen Verhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht ergibt sich daraus, dass bislang eine einheitliche juristische Linie fehlt. Wegweisend werde die Entscheidung vor allem dann sein, wenn das Gericht urteilt, dass das Verbot privater Nutzung des Internets am Arbeitsplatz generell rechtsunwirksam sei, sagt der Berliner Arbeitsrechtler Hans-Georg Meier. Bisher gelte nämlich: Ist es verboten, während der Arbeitszeit privat zu surfen, begeht der, er es dennoch bewusst tut, einen eindeutigen Vertragsverstoß, der zu einer Kündigung führen kann. Doch oftmals gibt es keine eindeutigen Verbote. „Viele Arbeitgeber gehen großzügig mit diesem Thema um“, sagt Meier. Der Streit, wie viel im Job privat gesurft werden darf und was nicht mehr zulässig ist, „ist zu einem alltäglichen Problem geworden“, sagt Meier. „Am besten ist es, die private Nutzung zu verbieten, dann kommt niemand in Versuchung“.

So weit will man bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi nicht gehen. Die Gewerkschaft wie die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände sind sich aber darin einig: Am besten ist es, im Unternehmen eine klare Regelung – zum Beispiel in Form einer Betriebsvereinbarung – zu treffen.

„Wir beobachten mit zunehmender Tendenz, dass Arbeitgeber den Internetverkehr von Mitarbeitern überwachen“, sagt Cornelia Brandt von Verdi. „Unserer Meinung nach ist das ein Mittel, unliebsame Mitarbeiter unter Druck zu setzen.“ Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, gesteht den Arbeitgebern zwar ein Recht zur Kontrolle zu. „Die Frage ist jedoch, wie weit sie geht, wie detailliert sie ist und ob die Kontrolle transparent ist.“ Hier wünscht sich Schaar eine gesetzliche Regelung. In jedem Fall dürfe es keine Vollkontrolle geben, die sei auch bei rein dienstlicher Nutzung nicht zulässig. „Es muss immer Rückzugsbereiche für den Mitarbeiter geben.“ Ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz mit klaren Regelungen gibt es jedoch immer noch nicht.

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