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Wirtschaft: "Tarifautonomie neu ausloten"

Der frühere Wirtschaftsweise Herbert Hax: Arbeitsmarktordnung muss reformiert werdenWerner Mussler "Wirtschaftspolitik unter Reformdruck" - so haben die fünf Wirtschaftsweisen ihr Jahresgutachten vom vergangenen Herbst betitelt. Es war das letzte Ratsgutachten, an dem Herbert Hax mitwirkte.

Der frühere Wirtschaftsweise Herbert Hax: Arbeitsmarktordnung muss reformiert werdenWerner Mussler

"Wirtschaftspolitik unter Reformdruck" - so haben die fünf Wirtschaftsweisen ihr Jahresgutachten vom vergangenen Herbst betitelt. Es war das letzte Ratsgutachten, an dem Herbert Hax mitwirkte. Zum 1. März ist der 66-Jährige aus dem Sachverständigenrat ausgeschieden. Seit 1989 hatte er ihm angehört, seit 1992 als Vorsitzender. "Der Sachverständigenrat muss an das erinnern, was ökonomisch geboten ist. Politische Opportunitäten dürfen dabei keine Rolle spielen", sagte der Kölner Professor im Gespräch mit dem Handelsblatt.

Besonnen im Ton, aber unmissverständlich in der Sache hat Hax immer wieder auf wirtschaftspolitische Fehlentwicklungen aufmerksam gemacht: auf die zu hohe Steuer- und Abgabenlast, die unsolide Finanzpolitik, die verkrustete und beschäftigungsfeindliche deutsche Arbeitsmarktordnung und den leistungshemmenden Sozialstaat.

Immerhin sei in der deutschen Wirtschaftspolitik im vergangenen Jahrzehnt vieles in Bewegung geraten, sagt Hax. Die Politik sei - nicht zuletzt gezwungen durch den verschärften Standortwettbewerb - reformbereiter geworden und sie habe manches angestoßen, "was in unserem Sinne war". Das ändere aber nichts daran, dass auf der deutschen Volkswirtschaft weiterhin schwer wiegende Strukturprobleme lasten.

Eines der Hauptprobleme sieht Hax in der Arbeitsmarktordnung. Mit Hilfe des Arbeits- und Tarifvertragsrechts habe das Kartell der Tarifpartner den Arbeitsmarkt nach seinen eigenen Vorstellungen geordnet zu Gunsten der Arbeitsplatzbesitzer und zu Lasten der Arbeitslosen, sagt Hax. Im Aufbrechen dieses Kartells sieht der Professor eine der wichtigsten Voraussetzungen für mehr Beschäftigung: "Die Grenzen der Tarifautonomie müssen neu ausgelotet werden. Auch der Gesetzgeber muss prüfen, welche rechtlichen Regelungen durch die Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz) gedeckt sind und welche nicht." Besonders auf den Prüfstand gehörten das Günstigkeitsprinzip des Tarifvertragsrechts (Paragraph 4 Abs. 3 Tarifvertragsgesetz) sowie Paragraph 77 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz, der Betriebsvereinbarungen über Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen ausschließt, soweit sie nicht per Tarifvertrag erlaubt sind.

Kein Verständnis hat Hax dafür, dass die Koalition mit der Etablierung des Bündnisses für Arbeit dem Tarifkartell noch zusätzlichen Einfluss eingeräumt hat. Mit der Mehrheit seiner bisherigen Ratskollegen plädiert Hax dafür, dass Tarifabschlüsse unter der "echten" langfristigen Trendwachstumsrate der Arbeitsproduktivität liegen sollten. Also deutlich unter drei Prozent.

Das Bündnis für Arbeit ist für Hax schon beinahe das Sinnbild des bundesdeutschen Reformstaus. Dass im Bündnis nach niederländischem Vorbild noch Vereinbarungen etwa über Lohnzurückhaltung zu Stande kommen, hält er für ausgeschlossen. Lob und Kritik hat Hax für die Steuerpolitik: "Die Steuerreform markiert trotz ihrer Widersprüche eine Trendwende, weil sie zweifellos zu Steuerentlastungen führt." Mit der Unterscheidung nur die Unternehmen, nicht aber die Unternehmer zu entlassten, habe die Regierung den falschen Weg eingeschlagen. In einem Wirtschaftssystem, in dem die Unternehmen in Privatbesitz seien, sei das eine ziemlich "unsinnige Formel". Dass die Steuern nun gesenkt werden lässt Hax hoffen, dass seine Mahnungen auch in anderen Feldern der Wirtschaftspolitik Gehör finden.

Werner Mussler

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