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© Phototek

Tariferhöhung: Mehr Geld im öffentlichen Dienst?

Nach drei mageren Jahren soll es für den öffentlichen Dienst wieder eine ordentliche Tariferhöhung geben. Macht das Beispiel der Lokführer bei den Verhandlungen Schule?

Berlin – „Verdi will bis zu 30 Prozent mehr Geld.“ Diese Schlagzeile ließ vor drei Wochen die Stadtkämmerer und den Bundesinnenminister zusammenzucken. Sollte das Beispiel der Lokführer, die 31 Prozent gefordert hatten, auf den öffentlichen Dienst durchschlagen? Vermutlich nicht. Auf 30 Prozent käme höchstens eine Putzhilfe in München, wenn die Forderung der dortigen Gewerkschaft nach 350 Euro für alle umgesetzt würde. Doch das ist eine Ausnahme; die Bandbreite der Münchener Verdi-Forderung liegt vielmehr zwischen acht und 15 Prozent. Immerhin erinnert das an die glorreichen Zeiten der ÖTV unter Heinz Kluncker, als in den 70er Jahren zweistellige Gehaltszuwächse durchgesetzt wurden und der öffentliche Dienst zu einem der beliebtesten Arbeitgeber wurde. Doch das ist Vergangenheit.

Privatisierungen, Arbeitsplatzabbau und immer größere Löcher in den Kassen von Bund, Ländern und Gemeinden haben die Arbeitsbedingungen erheblich verändert. Vor gut zwei Jahren gab es dann die historische Reform des Bezahlungssystems: Der angestaubte Bundesangestelltentarif (BAT) wurde ersetzt durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). Doch auch für diese Reform gilt: Sie hat die Arbeitnehmer erstmal Geld gekostet, weil zum Beispiel weniger Zuschläge gezahlt werden und weil die Umstellung des Tarifs einher ging mit Stagnation: In den drei Jahren von 2005 bis 2007 gab es keine prozentuale Gehaltserhöhung sondern nur Einmalzahlungen von 300 Euro pro Jahr.

„Bei den Löhnen hinkt der öffentliche Dienst um bis zu zehn Prozent hinterher“, sagt Achim Meerkamp, im Verdi-Vorstand für den öffentlichen Dienst und die bevorstehende Tarifrunde zuständig. Die letzte dauerhafte Erhöhung hatte es 2004 gegeben, damals stiegen die Gehälter um 1,0 Prozent. Seitdem also nur Nullrunden, während es zum Beispiel in der Metallindustrie einige Erhöhungen gab, die in der Summe rund zehn Prozent ausmachen. Doch auch die härtesten Hardliner bei Verdi wissen, dass dies nicht aufzuholen ist.

Am Mittwoch wird die Bundestarifkommission der Gewerkschaft die Forderung beschließen, die wohl zwischen sieben und acht Prozent liegt. Am 10. Januar beginnen dann die Verhandlungen für rund 1,1 Millionen Arbeitnehmer der Kommunen und etwa 160 000 weitere beim Bund. Für die Arbeiter und Angestellten der Bundesländer wurde erst im vergangenen Jahr ein neuer Tarif abgeschlossen, sie sind jetzt also nicht dabei.

„Im Zeichen der Tarifrunde steht die Erhöhung der Einkommen“, sagte Meerkamp dem Tagesspiegel und erwartet einen zähen Tarifpoker, der vermutlich nicht ohne Arbeitskampf zu beenden sein wir. „Angesichts der Signale der Arbeitgeber rechne ich mit einer sehr harten Tarifrunde.“ Wie in den vergangenen Jahren verweisen die Arbeitgeber auf die erbärmliche Kassenlage, allein bei den Kommunen hätten sich 80 Milliarden Euro Schulden aufgetürmt, argumentiert Thomas Böhle, Präsident der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA). „Ich verstehe die Erwartungshaltung“, sagt Böhle, der hauptamtlich als Personalstadtrat von München arbeitet, „aber es gibt Nöte und Zwänge im kommunalen Bereich.“ Dennoch sollten die Beschäftigten im öffentlichen Dienst „teilhaben am Aufschwung“.

Wie genau, will Böhle natürlich nicht sagen, weist aber in die Richtung eines möglichen Kompromisses: „Wenn die Erhöhung über einen bestimmten Punkt geht, brauchen wir einen Produktivitätsgewinn durch längere Arbeitszeit.“ Zum Beispiel nach dem Vorbild der Länder, die seit dem vergangenen Jahr ihren Arbeitern und Angestellten 2,9 Prozent mehr zahlen – bei einer Arbeitszeit von 40 Stunden und sechs Minuten in der Woche. Für Verdi ist das eine Glaubensfrage: Längere Arbeitszeiten kosten Arbeitsplätze und werden deshalb als „Kampfansage“ der Arbeitgeber abgelehnt. Die wiederum hätten am liebsten eine Angleichung West, also eine Verlängerung der bislang 38,5 Stunden im Westen auf 40 Stunden, wie sie in den ostdeutschen Kommunen gelten. Die Arbeitszeitfrage wird vermutlich schwieriger zu lösen sein als die Frage des Geldes. Zumal die Gewerkschaften Unterstützung von der obersten Arbeitgeberin im öffentlichen Dienst haben. Es sei nun an der Zeit „Schritt für Schritt denen etwas zurückgeben, die sich in den vergangenen Jahren als Stabilitätselement erwiesen haben“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich beim Beamtenbund mit Blick auf die anstehende Tarifauseiandersetzung.

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