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Wirtschaft: Tarifgehälter steigen kaum noch

2005 schwächster Anstieg der vergangenen zehn Jahre / DGB-Chef Sommer verlangt Mindestlohn

Berlin - Die Tarifeinkommen in Deutschland sind im letzten Jahr so schwach gestiegen wie zuletzt 1995. Das Statistische Bundesamt teilte am Freitag mit, die Gehälter der Angestellten hätten sich 2005 um 1,3 Prozent erhöht, die tariflichen Stundenlöhne der Arbeiter um 1,2 Prozent. Da die Verbraucherpreise gleichzeitig um zwei Prozent stiegen, haben die Arbeitnehmer also weniger für ihren Verdienst einkaufen können als im Jahr zuvor. DGB-Chef Michael Sommer bekräftigte unterdessen die Forderung der Gewerkschaften nach einem gesetzlichen Mindestlohn. Die bundesdeutsche Gesellschaft dürfe sich nicht mit Stundenlöhnen von 3,50 Euro abfinden, sagte Sommer auf der Neujahrspressekonferenz des DGB in Berlin. Der DGB-Chef gab dabei auch offiziell die Kandidaten für den nächsten DGB-Vorstand bekannt. Anstelle der altersbedingt ausscheidenden Ursula Engelen-Kefer und Heinz Putzhammer rücken, wie berichtet, Annelie Buntenbach und Claus Matecki nach. Der Vorstand wird auf dem DGB-Bundeskongress im Mai in Berlin gewählt.

Zur Entwicklung der Tarifeinkommen im vergangenen Jahr hat das Statistische Bundesamt einen überdurchschnittlichen Anstieg vor allem im Schienenfahrzeugbau und Fahrzeugbau mit gut zwei Prozent ermittelt. So gut wie keine Lohnerhöhungen gab es im Textil- und Bekleidungsgewerbe (0,1 Prozent), auf dem Bau blieben die Tarifeinkommen sogar unverändert. In den kommenden Wochen steht in der Metallindustrie ein Tarifkonflikt an, da die IG Metall fünf Prozent mehr Lohn fordert, die Arbeitgeber aber maximal zwei Prozent für den Anstieg der Produktivität zahlen wollen. Da die Friedenspflicht bis Ende März dauert, wird der Tarifkonflikt vermutlich bis Ostern dauern.

DGB-Chef Sommer kündigte am Freitag den Bundeskongress seines Dachverbandes unter dem Motto „Die Würde des Menschen ist unser Maßstab“ an. Er forderte die „staatliche Gewalt“ dazu auf, Arbeitnehmer vor Managern zu schützen, „die auch bei guter Ertragslage tausenden Familien die Existenzgrundlage“ entziehen. Sommer nannte die Unternehmen AEG, Continental, Telekom und Deutsche Bank als Beispiele für „die neue unsoziale Marktwirtschaft“. Diese Firmen würden „ihre Belegschaften erpressen und Vertragsbrüche begehen“. Zum wiederholten Mal regte der DGB-Chef eine „neue Finanzarchitektur für einen modernen Sozialstaat“ an. Ferner solle der Sozialstaatsbegriff um Bildung erweitert werden, sagte Sommer.

Zu den Vorstandskandidaten sagte der DGB-Vorsitzende, Annelie Buntenbach habe sich als „standfeste Sozialpolitikerin in der Bundestagsfraktion der Grünen“ profiliert. Für die Gewerkschaften begleitete sie die Arbeit der Rürup-Kommission. Claus Matecki wurde von Sommer als „Leiter der Abteilung Vorsitzender der IG Metall“ vorgestellt. Als damaliger IG-Metall-Chef von Magdeburg habe sich Matecki direkt nach der Vereinigung mit der De-Industrialisierung und den Problemen des Aufbau Ost vertraut gemacht. Die bisherigen Vorstandsmitglieder Ingrid Sehrbrock und Dietmar Hexel sollen ebenso wiedergewählt werden wie der Vorsitzende Sommer selbst. Anstelle von Engelen-Kefer rückt Sehrbrock auf die Position der stellvertretenden Vorsitzenden. Das Ausscheiden von Engelen-Kefer war lange Zeit fraglich und umstritten. Die 62-Jährige hätte gerne weitergemacht, wurde aber mit dem Argument zum Ausstieg bewegt, dass sie im Verlauf der vierjährigen Amtsperiode ja das Renteneintrittsalter von 65 Jahren erreiche.

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