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Gut eine Woche verhandelten Claus Weselsky und Bahn-Personalvorstand Martin Seiler (zweiter von rechts) zuletzt. Die Mediatoren Daniel Günther (li.) und Stephan Weil freuen sich über das Ergebnis.

© dpa

Tarifkompromiss bei der Bahn: Viel Lärm um die Rente

Nach einem Jahr und drei Streiks gibt es endlich Tariffrieden bei der Bahn. Einen Gewinner des Konflikts gibt es nicht. Ein Kommentar zum Abschluss.

Ein paar Ministerpräsidenten stehen noch zur Verfügung für die kommenden Konflikte bei der Bahn. Vor ein paar Jahren lenkten Bodo Ramelow und Matthias Platzeck die Kontrahenten vom tarifpolitischen Abstellgleis zurück an den Tisch, jetzt brachten Stephan Weil und Daniel Günther den Personalvorstand und den obersten Lokführer zusammen. Es spricht Bände über die Sozialpartnerschaft im Bahn-Konzern, dass die gerühmte Tarifautonomie in einem der größten Unternehmen des Landes nur funktioniert, wenn sich die Politik einschaltet. Besser: Einschalten lässt. Denn es waren DGB-Chef Reiner Hoffmann und der Vorsitzende des Beamtenbundes, Ulrich Silberbach, die Weil und Günter um Hilfe baten. Es hat funktioniert.

Weniger Prozente, mehr Prämie

Hat es sich auch gelohnt? Das müssen die Mitglieder der Gewerkschaft der Lokführer GDL beurteilen, die von Claus Weselsky drei Mal zum Streik aufgerufen wurden. Der GDL-Chef hat den Arbeitskampf langfristig angelegt und hatte eine Strategie: Unbedingt einen besseren Tarif erzwingen als die verfeindete Eisenbahnerverkehrsgewerkschaft EVG und den Arbeitskampf nutzen zur Akquise neuer Mitglieder. Beides ist ihm gelungen. Dennoch stehen Aufwand und Ertrag in einem Missverhältnis, das Weselsky mit einer Anleihe bei Norbert Blüm zu überspielen versucht: Die Rente ist sicher, meint der oberste Lokführer mit Blick auf eine fragwürdige Fortsetzung der betrieblichen Altersvorsorge, die er durchgesetzt hat. Aber die Entgelterhöhungen 2021 und 2022 bleiben deutlich unter den Erwartungen, was indes von den vereinbarten Coronaprämien ein bisschen ausgeglichen wird.

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Der EVG-Vorsitzende Klaus-Dieter Hommel gehört zu den Verlierern des Tarifkonflikts.
Der EVG-Vorsitzende Klaus-Dieter Hommel gehört zu den Verlierern des Tarifkonflikts.

© obs

Das Tarifeinheitsgesetz wird angewendet

Im Streit um die Anwendung des Tarifeinheitsgesetzes hat sich die Bahn durchgesetzt, die GDL-Tarifverträge gelten auch künftig nur in den Betrieben, in denen die GDL mehr Mitglieder hat als die EVG. Und das sind nach jetzigem Stand nur 16 von 71. Weselsky muss also bis zur nächsten Tarifauseinandersetzung Ende 2023 versuchen, noch mehr Mitglieder zu gewinnen. Das hängt wiederum davon ab, wie die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner den in diesem Jahr erkämpften Tarifabschluss bewerten. Und dazu die Rolle der EVG. Auch die Mitglieder der EVG kommen jetzt in den Genuss der Coronaprämie und einer fortgeführten betrieblichen Altersvorsorge, weil die GDL das im Arbeitskampf durchgesetzt hat. Trittbrettfahrer nennen das Tarifpolitiker. Hommel hatte sich im vergangenen Jahr auf einen Dumpingtarifvertrag eingelassen, der ihn nun aussehen lässt wie den Depp von der Bahn. Weselsky - mit deutlich weniger Mitgliedern in weniger Konzernbereichen und entsprechend weniger Verantwortung für das Gesamtsystem Bahn- hat Hommel jedenfalls gezeigt, was ein mutiger und strategisch denkender Gewerkschaftsführer erreichen kann.

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