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Die Vier von der Bahn: Personalvorstand Ulrich Weber (rechts) und GDL-Chef Claus Weselsky (links) rahmen die Schlichter Matthias Platzeck (zweiter von rechts) und Bodo Ramelow ein.

© dpa

Tarifkonflikt bei der Bahn: Platzeck: Schlichtung nichts für "zart besaitete Gemüter"

Die Schlichter im Tarifstreit der Deutschen Bahn lösen den Konflikt. Jetzt hoffen sie auf den Beginn einer Sozialpartnerschaft von Bahn und Lokführergewerkschaft GDL.

Sichtlich erleichtert baute sich das Quartett am Mittwochvormittag im fünften Stock der thüringischen Landesvertretung auf. Gastgeber Bodo Ramelow plauderte und witzelte, Matthias Platzeck sprach von einer „guten Nachricht für Deutschland“ und Gewerkschaftschef Claus Weselsky hatte ein Dauergrinsen im Gesicht. Nur Ulrich Weber, Personalvorstand der Bahn, sah etwas zerknittert aus. Über fünf Wochen hatte die Schlichtung gedauert, und das „war nichts für zart besaitete Gemüter“, wie Platzeck erzählte. „Noch ein Zacken schärfer wie Gesprächspartner in Moskau oder Warschau.“

Unter Hochspannung wurde geschlichtet

Insgesamt habe man 75 Stunden zusammengesessen, um aus einer „äußerst angespannten Ausgangssituation“ herauszukommen und einen Kompromiss zu finden. Es hat geklappt. In 16 Verträgen und auf 450 Seiten gibt es nun alle möglichen Regelungen für die GDL-Mitglieder. „Wir hoffen sehr, dass sich nun so etwas wie eine Sozialpartnerschaft entwickelt“, meinte Platzeck, der die Spannungen unter den Beteiligten so beschrieb: Eine Glühbirne hätte zu brennen begonnen, wenn man sie über den Verhandlungstisch gehalten hätte.

Die GDL-Mitglieder bekommen mehr Geld, 3,5 Prozent in diesem und weitere 1,6 Prozent im nächsten Jahr. Die Arbeitszeit wird 2018 von 39 auf 38 Stunden reduziert. Binnen eines Jahres sollen die Bahnbeschäftigten den Überstundenberg, nach Angaben der GDL rund vier Millionen, um eine Million abtragen. Dazu werden 100 Zugbegleiter und 300 Lokführer eingestellt. „Im Kern", so Ramelow, sei es in der Schlichtung um den Abbau von Belastungen gegangen, auch seelische Belastungen. So gibt es nun einen Tarif für den Umgang mit Lokführern, vor deren Zug sich Menschen geworfen haben. Und mit der Vereinbarung eines Bundesrahmentarifs habe man ein Regelwerk, das auch für die Wettbewerber der Bahn gelte, betonte Ramelow.

Im Herbst 2016 wird wieder verhandelt

Der neue Entgelttarif kann frühestens zum 30. September 2016 gekündigt werden, damit steht der nächste Tarifkonflikt im Herbst nächsten Jahres an. Aber womöglich wird der weniger zäh und heftig als die gerade überstandene Auseinandersetzung, denn Bahn und GDL verständigten sich auf ein Schlichtungsverfahren bis 2020. Wenn in den nächsten Jahren eine der beiden Seiten die Verhandlungen für gescheitert erklärt, gibt es erst mal eine Schlichtung. Bleibt die dann ergebnislos, darf die GDL zum Streik aufrufen.

Weselsky bedankte sich bei Platzeck und Ramelow, weil sie zwei aufeinander zurasende Züge umgelenkt hätten. „Jetzt sind beide mit Höchstgeschwindigkeit in die Zukunft unterwegs“, freute sich der Gewerkschafter, der seit vergangenem Herbst seine Leute neun Mal zum Streik aufgerufen hatte. Weselsky lobte die „tapferen Mitglieder“ der GDL und bat die Bahnkunden um Verständnis „für das, was wir ihnen angetan haben“. Die Konfliktparteien und die Schlichter wollten unbedingt vor dem 1. Juli eine Lösung, da dann das neue Gesetz über die Tarifeinheit in Kraft tritt. Darin ist festgeschrieben, dass die größere Gewerkschaft in einem Unternehmen Vorrang vor der kleineren hat. Bei der Bahn ist die Eisenbahnverkehrsgewerkschaft EVG deutlich größer als die GDL. Weselsky geht aber davon aus, dass das Gesetz wegen der nun abgeschlossenen Verträge mindestens bis 2020 nicht bei der Bahn angewendet wird.

Personalchef Weber äußerte die Hoffnung, dass die Bahn das Vertrauen der Kunden zurückgewinne. Er betonte ferner die Einheitlichkeit der Verträge von beiden Gewerkschaften, von diesem Monat an bekommen also alle Bahnbeschäftigten 3,5 Prozent mehr Geld. Die „Kollision“ verschiedener Tarifverträge wurde verhindert. Das sei der „große Erfolg der Schlichtung“ , meinte Weber, der die Gesamtkosten von Streiks und Entgelterhöhungen für 2014 und 2015 mit 480 Millionen Euro bezifferte.

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