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Blick zurück. Vor drei Jahren legten die Lokführer weite Teile des Bahnverkehrs lahm – etwa in Leipzig. Nun wird wieder gedroht.

© ddp

Tarifrunde bei der Bahn: Stau auf der Schiene

Drohungen bei der Bahn: Die drei Gewerkschaften Transnet, GDL und GDBA beginnen Tarifverhandlungen und schließen Streiks in der Ferienzeit nicht aus.

Berlin - Womöglich geht zwischen Magdeburg und Berlin bald nichts mehr. Oder zwischen Hamburg und Sylt. Auch von Bielefeld nach Köln könnte es schwierig werden – jedenfalls für alle, die mit dem Zug reisen wollen. Denn bei der Bahn stehen Streiks an. Die Gewerkschaften wollen vor allem den Verkehr auf den wichtigen Regionalstrecken lahmlegen. Mitten in den Sommerferien und womöglich über mehrere Wochen.

„Ein Streik wird sich kaum vermeiden lassen“, sagte Klaus-Dieter Hommel, Chef der Gewerkschaft GDBA, dem Tagesspiegel. „Ende Juli kann es losgehen.“ Dann läuft die Friedenspflicht aus, ab dann sind Arbeitskämpfe erlaubt. Wie die Gewerkschaften Transnet und GDBA am Mittwoch mitteilten, nehmen sie am kommenden Montag in Frankfurt Verhandlungen für rund 165 000 Beschäftigte des bundeseigenen Konzerns auf. Dass die Verhandlungen bis Ende des Monats zum Ziel führen, gilt als wenig wahrscheinlich. An diesem Freitag soll zwar ein Branchengespräch beim Bundesverkehrsministerium Bewegung bringen. Doch am Ende könnten sogar doppelte Streiks möglich sein.

Denn die Gewerkschaften GDBA und Transnet kämpfen zwar gemeinsam – die Lokführergewerkschaft GDL aber kocht ihr eigenes Süppchen. Am Freitag kommender Woche will die GDL mit eigenen Verhandlungen beginnen. Den einen geht es vor allem um bessere Bedingungen im Regionalverkehr, die anderen streiten auch für das Personal von ICEs und Güterzügen. Womöglich streiken die einen von montags bis mittwochs, die anderen von donnerstags bis sonntags.

Nicht einmal 2007, als die GDL die Republik mit Streiks überzog, war die Gemengelage so schwierig. Es geht um gleich drei Themen: erstens einen Flächentarifvertrag, also eine einheitliche Bezahlung in der Branche, egal ob in Flensburg und Berchtesgaden, ob bei der Deutschen Bahn oder einem ihrer privaten Konkurrenten. Zweitens geht es um mehr Geld, fünf Prozent mehr will die GDL, sechs Prozent Transnet und GDBA. Dritter Punkt ist der Beschäftigungspakt bei der Bahn – er soll verlängert werden, der Staatskonzern soll also auf Kündigungen verzichten, die Belegschaft im Gegenzug Zugeständnisse bei Lohn oder Arbeitszeit machen. Über allem steht aber der Branchentarifvertrag. Die Arbeitnehmervertreter weigern sich, neue Tarifverträge zu unterschreiben, solange keine verbindlichen Regeln für die Arbeitsbedingungen in der Branche gelten. Noch zahlen die Bahn- Konkurrenten bis zu 30 Prozent weniger als der Marktführer. Dank dieses Kostenvorteils nehmen sie der Bahn Marktanteile im lukrativen Regionalverkehr ab. Die Bahn streitet denn auch gemeinsam mit den Gewerkschaften für gleiche Regeln der Branche. „Das ist Wettbewerb auf dem Rücken unserer Mitarbeiter, und das lasse ich nicht zu“, sagte Bahn-Chef Rüdiger Grube dem Tagesspiegel kürzlich.

Die Privaten wollen ihren Vorteil naturgemäß bewahren. „Der Branchentarifvertrag wäre der Tod des Wettbewerbs, das sichere Aus für die kleinen und mittelgroßen Bahnen“, sagt Rolf Bender, Chef des Arbeitgeberverbandes Deutsche Eisenbahnen. In ihm sind Firmen wie Veolia und Keolis organisiert. Wenn Länder und Städte höhere Löhne zahlen müssten, sagt Bender, müssten sie das Zugangebot zusammenstreichen, das sie heute noch bei den Anbietern bestellen. Das könne „mehrere hundert Jobs“ gefährden. Einem Arbeitskampf sieht der Manager gelassen entgegen. „Wir können in puncto Streiks schon einiges aushalten.“ Überhaupt sei der Lohnkostenvorteil der Privaten längst nicht so hoch, wie immer behauptet. „Fünf bis 15 Prozent, im Einzelfall 20“, beziffert er den Unterschied zum Ex-Monopolisten. Die Privaten zahlten auskömmliche Löhne.

Eine derart vertrackte Lage bringt selbst Tarifexperten ins Grübeln. „Das ist in den vergangenen Jahrzehnten ohne Beispiel“, urteilt Reinhard Bispinck, Tarifexperte bei der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. „Hier einen Kompromiss zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften und finden, das wird eine hohe Kunst.“

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