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Weichenstellung. Weil die Bahn streikt, müssen viele Unternehmen ihre Waren auf andere Weise transportieren – etwa per Lkw. Das ist eine logistische Herausforderung.

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Tarifstreit bei der Bahn: Die Wirtschaft läuft weiter

Eine Woche sind die Lokführer der GDL im Ausstand, doch das große Chaos bleibt aus. Dennoch bezahlt die Industrie einen hohen Preis für den Tarifstreit bei der Bahn. Wenngleich die Zahl der Streikbrecher zunimmt.

Bahnchef Rüdiger Grube ließ den Worten keine Taten folgen. Nach der Ankündigung vom Donnerstag, zur Auflösung des Tarifkonflikts „die nächste Stufe zünden“ zu wollen, passierte bis zum späten Freitagnachmittag nichts. Der seit Montag (Güterverkehr) beziehungsweise Dienstag (Personenverkehr) laufende Streik der der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) wird wie geplant bis Sonntagmorgen dauern, daran ließ die GDL am Freitag keinen Zweifel. „Wir werden diese Maßnahme am Sonntag um neun Uhr beenden und dann über weitere Maßnahmen beraten“, sagte GDL-Chef Claus Weselsky am Freitag in Leipzig. Auch eine „erneute Streikbereitschaft“ deutete er an, sollte es von Seiten der Bahn keine Bewegung geben.

Der längste Tarifstreit in der Geschichte der Bahn

Es ist bereits der achter achte Stree Streik in dem seit Monaten festgefahrenen Tarifkonflikt und dazu der längste in der Geschichte der Bahn. Die genauen Folgen lassen sich erst in einigen Wochen feststellen, doch allein wegen der Ausfälle im Güterverkehr hatten Wirtschaftsvertreter Schäden von bis zu 100 Millionen Euro pro Streiktag befürchtet. Danach sah es indes am Freitag nicht aus. Sowohl die meisten privaten Bahnfahrer als auch die Wirtschaft kommen einigermaßen klar mit dem Ausstand, wie eine Umfrage bei diversen Industrieverbänden ergab. Produktionsausfälle wurden jedenfalls nicht bekannt. Allerdings lassen sich die Unternehmen auch nicht gern in die Karten schauen – zu groß ist die Sorge, dass Kunden abspringen könnten, weil sie an der Zuverlässigkeit zu zweifeln beginnen.

Die Industrie bezahlt einen hohen Preis für den Zwist bei der Bahn

Kritisch sind die Streiks vor allem für die Auto-, die Chemie- und die Stahlindustrie. In der Autoindustrie ist in den vergangenen Jahren viel auf die Straße verlagert worden, weil hier „just in time“ produziert wird. Das spart Lagerkosten, macht die Autohersteller aber auch sehr empfindlich gegenüber Staus. Die Chemieindustrie gilt als eine der transportintensivsten Branchen überhaupt. Insgesamt sind es etwa 220 Millionen Tonnen chemischer Erzeugnisse, die im Jahr durchs Land gekarrt werden, aber nur knapp 15 Prozent davon per Güterzug. „Ein Streik ist eine riesige logistische Herausforderung“, sagte dennoch Oliver Claas vom Verband der Chemischen Industrie (VCI). Einfach auf einen Lkw laden kann man viele chemische Erzeugnisse nicht so einfach, weil es bei bestimmten Gütern gesetzlich vorgeschrieben ist, dass sie aus Sicherheitsgründen per Zug oder Binnenschiff transportiert werden. Ähnliches gilt für die Stahlindustrie: Je größer und unhandlicher das Transportgut, umso schwerer ist es, ausgefallene Güterzüge zu ersetzen. Hochöfen mussten wegen ausbleibender Lieferungen dennoch nicht abgeschaltet werden, hieß es bei der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Belastend für die Industrie sind die hohen Ausweichkosten. In den vergangen Tagen sind die Preise für Lkw-Transporte nach oben geschnellt.

Die Mobilisierungskraft der GDL schwindet

Anfang der Woche, zu Beginn des Streiks, ging die Bahn davon aus, dass sie etwa ein Drittel des Güterverkehrs würde aufrecht erhalten können. Zum Ende der Woche zeigt sich: Sie hat wesentlich mehr Züge auf die Schienen gebracht, nämlich fast zwei Drittel. Ein Grund dafür könnte sein, dass es der GDL offenbar nicht gelingt, den Großteil ihrer Mitglieder zu mobilisieren: Weniger als ein Drittel ihrer Lokführer streikt.

Bis der Normalzustand im Netz nach Ende des Streiks wieder hergestellt ist und alle Züge da sind, wo sie gebraucht werden, werden aber noch einmal mehrere Tage vergehen. Die abgestellten Güterzüge würden möglichst schnell abgefahren, sagte ein Sprecher der Güterbahn DB Schenker Rail. Grundsätzlich sei das Schienennetz „offen und befahrbar“, hieß es von der DB Netz AG. Im Fernverkehr will die Bahn am Sonntag rund 300 der sonst üblichen 800 Züge einsetzen.

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