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Tarifstreit: Verdi bereitet großen Streik vor

Die Chancen auf eine friedliche Lösung des Tarifkonflikts im öffentlichen Dienst werden immer geringer. Zwar verhandeln Arbeitgeber und Gewerkschaften am Montag und Dienstag wieder in Potsdam. Doch statt einer Annäherung stellen sich die Tarifpartner auf eine verschärfte Auseinandersetzung ein – ein Arbeitskampf scheint unvermeidlich

Berlin - Die kommunalen Arbeitgeber erwägen, den Tarifvertrag über die Dauer der Arbeitszeit zu kündigen. Das Kalkül dabei: Erst wenn der Tarif gekündigt ist, kann die Forderung der Arbeitgeber nach längeren Arbeitszeiten Gegenstand der Schlichtung werden.

Dass die Kontrahenten bereits jetzt, vor Beginn der vierten Verhandlungsrunde, an die Schlichtung denken, wirft ein Licht auf die bisherigen Fortschritte in den Gesprächen: Es gibt keine. Verdi und Beamtenbund, Polizei- und Lehrergewerkschaft beharren unverändert auf acht Prozent mehr Lohn oder mindestens 200 Euro im Monat für die 1,3 Millionen Beschäftigten der Kommunen und weitere 170 000 beim Bund. Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) bietet fünf Prozent an, gestaffelt in drei Stufen, davon die letzte im März 2009. Von den fünf Prozent soll ein Prozent für Leistungsprämien reserviert bleiben. Das lehnt Verdi ebenso ab wie die stufenweise Verlängerung der Arbeitszeit auf 40 Wochenstunden Anfang 2009. Derzeit wird im Westen zumeist 38,5 Stunden gearbeitet und im Osten 40 Wochenstunden.

„Wir gehen nicht davon aus, dass die Arbeitgeber jetzt ein besseres Angebot vorlegen“, sagte Verdi-Vorstandsmitglied Achim Meerkamp, der gemeinsam mit Verdi-Chef Frank Bsirske die Verhandlungen führt, am Wochenende dem Tagesspiegel. „Aber wir erwarten in Richtung des letzten Verhandlungstermins Bewegung der Arbeitgeber.“ Die vorerst letzte Verhandlungsrunde ist für den 6. und 7. März vereinbart. „Danach gibt es keinen Verhandlungstermin mehr“, kündigte Meerkamp an. Wenn es also spätestens dann kein Ergebnis gibt, wird Verdi das Scheitern der Verhandlungen erklären und werden die Arbeitgeber die Schlichtung anrufen.

Doch dass die bereits benannten Schlichter Herbert Schmalstieg, der ehemalige SPD-Bürgermeister von Hannover, und Lothar Späth (CDU), einst Ministerpräsident von Baden-Württemberg, den Konflikt lösen können, glaubt niemand. Maximal neun Tage nach Beginn der Schlichtung muss ein Ergebnis vorliegen. Da das unwahrscheinlich ist, bereitet Verdi den großen Streik vor. Nach Ostern, Verdi hat die erste Aprilwoche im Auge, sollen die Gewerkschaftsmitglieder in einer Urabstimmung den Arbeitskampf beschließen. Bislang gab es nur punktuelle, befristete Warnstreiks. Ab Mitte April könnten dann dauerhaft Kitas schließen, der Betrieb in Krankenhäusern auf das Nötigste reduziert sowie die Müllabfuhr und der öffentliche Personenverkehr gestoppt werden.

VKA-Präsident Thomas Böhle sieht dieses Szenario Realität werden. Am Paket der Arbeitgeber, mehr Geld, mehr Leistungsprämien, aber auch längerer Arbeitszeit, wird er vor der Schlichtung so wenig ändern wollen wie Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), der mit Böhle zusammen die Verhandlungen führt. Denn ein verbessertes Angebot vor der Schlichtung würde nur den Preis in die Höhe treiben, den die Schlichter am Ende als Kompromiss vorschlagen werden. Deshalb steuert alles auf einen Arbeitskampf zu: weil eine flächendeckende Verlängerung der Arbeitszeit für Verdi überhaupt nicht verhandelbar ist. Und weil die Beschäftigten im öffentliche Dienst in den vergangenen drei Jahren nur Einmalzahlungen bekamen und mit ihren Einkommen deutlich hinter der privaten Wirtschaft zurückblieben.

Der jüngste Abschluss in der Stahlindustrie – dort gibt es 5,2 Prozent mehr Geld – bestärkt die Gewerkschaft noch in der Forderung nach deutlich mehr Geld. Arbeitgebervertreter Böhle möchte das gerne anders sehen. „Wenn ich höre, dass Verdi den Abschluss begrüßt, ist das ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Böhle und verweist darauf, dass die IG Metall „die unsinnige Forderung nach einer Mindesterhöhung nicht weiter verfolgt hat“.

Vor der Verdi- Forderung nach mindestens 200 Euro pro Monat graust den Arbeitgebern. Allein die Kommunen würde das Böhle zufolge insgesamt 4,5 Milliarden Euro kosten. Bei 110 Milliarden Euro Schulden der Städte, Gemeinden und Landkreise sei das nicht verkraftbar, sagt der VKA-Präsident. Verdi hält dagegen: Die Kommunen könnten im laufenden Jahr mit Mehreinnahmen in der Größenordnung von 4,5 Milliarden Euro rechnen.

Bevor diese beiden Positionen in Deckung gebracht werden, bedarf es wohl eines Arbeitskampfes.

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