zum Hauptinhalt
Wenig Schutz. Einen Rettungsschirm wird es für den öffentlichen Dienst nicht geben, aber etwas mehr Geld für die Beschäftigten. Foto: dpa

© dpa

Tarifstreit: Woche der Entscheidung im öffentlichen Dienst

Im öffentlichen Dienst gehen die Tarifverhandlungen in die heiße Phase. Kommt es zu keinem Kompromiss, droht ein unbefristeter Arbeitskampf.

Berlin - Wenn die Wahrheit in der Mitte liegt, dann wird es teuer: Die Gewerkschaften haben für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst 6,5 Prozent mehr Geld gefordert, die Arbeitgeber 2,1 Prozent geboten – die Mitte wären 4,3 Prozent. Für die Kommunen ist das undenkbar, denn ein Prozent kostet Städte und Gemeinden nach eigenen Angaben 760 Millionen Euro. Gegen Ende der Woche dürfte Klarheit herrschen: Am Mittwoch beginnt in Potsdam die dritte Runde der Tarifverhandlungen für gut zwei Millionen Beschäftigte der Kommunen und des Bundes. Alle Beteiligten erwarten eine Einigung bis Freitag.

„Wir sind bereit, uns zu bewegen“, betonen die kommunalen Arbeitgeber mit Blick auf Potsdam. Natürlich, denn mit den 2,1 Prozent, die sie für dieses Jahr angeboten haben, würde der Streit nicht beigelegt, sondern ein echter Streik provoziert. Bislang haben die Gewerkschaften – neben Verdi und Beamtenbund sind das die Gewerkschaften der Polizisten und der Lehrer – nur zu Warnstreiks aufgerufen. Ein unbefristeter Arbeitskampf wird wahrscheinlich, wenn bis zum Freitag kein Kompromiss gefunden wird.

Doch keine Seite will den großen Krawall: In der Regel treibt jeder Streiktag die Erwartungen der Beschäftigten nach oben, der Abschluss wird also immer teurer für die Arbeitgeber, und die Gewerkschaften geraten in die Gefahr, ihre Mitglieder zu enttäuschen. Wenn es dann doch zum Streik kommen sollte, dann platzt der Ende April/Anfang Mai voll in den nordrhein-westfälischen Wahlkampf. Das wollen die öffentlichen Arbeitgeber, die ja auch Politiker sind, vermeiden. Denn sie mögen es gar nicht, wenn die Bevölkerung kurz vor der Wahl verdrießlich wird, weil der Müll nicht abgeholt wird und die Kita zu ist.

Schließlich wollen die öffentlichen Arbeitgeber auch deshalb mehr zahlen, damit der Abstand zur Privatwirtschaft nicht zu groß wird. Sonst will bald keiner mehr im öffentlichen Dienst arbeiten. Seit der Reform des Tarifrechts im Jahr 2005, als der TVöD den verstaubten BAT ablöste, blieben die Tariferhöhungen zumeist deutlich hinter anderen Bereichen zurück.

Verdi-Chef Frank Bsirske forderte 6,5 Prozent, aber mindestens 200 Euro. Dieser Betrag ist ein gewaltiger Brocken, denn in den unteren Einkommensgruppen bedeuten 200 Euro einen prozentualen Anstieg im zweistelligen Bereich. Bsirske nennt den Mindestbeitrag „soziale Komponente“: Die einkommensschwachen Arbeitnehmer sollen, relativ gesehen, mehr zusätzlich kriegen als die übrigen. Damit will er vor allem die Gruppen mit vielen Verdi-Mitgliedern bedienen, zum Beispiel Müllmänner, die um die 2000 Euro verdienen. Wenn die drei Prozent mehr kriegen, landen sie bei 2060 Euro. Ein Aufschlag um 200 Euro sieht da besser aus. Doch den kann es nicht geben. Auch den Verdi-Strategen ist klar, dass sich die Arbeitgeber nur auf einen zweistelligen Sockelbetrag einlassen können. Vielleicht in Verbindung mit einer Einmalzahlung, deren Höhe für alle gleich ist.

Im Kern des Konflikts steht natürlich die Prozentzahl. Bsirske hat gedroht, er werde das Angebot der Arbeitgeber – 2,1 Prozent in diesem und weitere 1,2 Prozent im nächsten Jahr – nicht einmal dann akzeptieren, wenn es diese 3,3 Prozent bereits im laufenden Jahr gäbe. Das ist eine gewagte Ansage. Aber es gehört zum Tarifritual, dass in der Nacht der Entscheidung die starken Sätze von gestern vergessen werden. Am Ende könnten 3,3 Prozent, mindestens aber 50 Euro und dazu eine kleine Einmalzahlung passen. Auch für die Arbeitgeber, die sich mit dem Abschluss Ruhe kaufen. Sie wollen eine lange Laufzeit – am liebsten zwei Jahre – und die dürften sie kriegen. Deshalb gibt es vermutlich eine Tariferhöhung in zwei Stufen: In diesem Jahr vielleicht 3,3 und im nächsten Jahr 2,5 Prozent. Dann sind alle ein wenig zufrieden und unzufrieden zugleich – wie sich das für einen Tarifabschluss gehört.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false