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Billig, aber ein Flop: Das Model "Nano" vom Hersteller Tata.

© dpa

Tata Nano: Das billigste Auto der Welt ist ein Flop

Der indische Nano, das billigste Automobil der Welt, lässt die Käufer kalt. Der Hersteller Tata hat sich verkalkuliert. Nun soll der Stadtflitzer ein neues Image bekommen.

Noch vor wenigen Jahren wurde er als Sensation, als moderner Volkswagen für die Masse der Armen gefeiert. Er sollte Millionen Menschen in Schwellenländern den Traum vom eigenen Auto erfüllen. Als der indische Konzernchef Ratan Tata Anfang 2008 das billigste Auto der Welt vorstellte, ging ein Raunen durch die Branche. Weltweit schaffte es der Nano auf die Titelseiten.

Doch inzwischen ist es still geworden um den Billigheimer aus Indien, der wie eine Aldi-Version des Smart aussieht. Statt die Weltmärkte von unten aufzurollen, geriet der kleine Viersitzer zum Megaflop. Selbst in Indien blieben die Verkäufe weit hinter den Erwartungen zurück. Von einem weltweiten Siegeszug ist gar nicht mehr die Rede.

Den größten Erfolg hat Tata mit Luxusautos

Ironischerweise verdankt der Konzern Tata Motors nun ausgerechnet dem Geschäft mit Luxuswagen seine größten Erfolge. So fahren die Marken Jaguar und Land Rover, die der Hersteller 2008 für 2,3 Milliarden Dollar von Ford gekauft hatte, fette Gewinne ein. Am Dienstag teilte Tata mit, dass sich der Überschuss im zweiten Quartal auf umgerechnet 660 Millionen Euro verdreifacht habe.

Von seinem Kleinwagen Nano verkaufte Tata gerade einmal rund 230 000 Stück, seit das erste Mini-Mobil im Juli 2009 vom Band rollte. Zuletzt brachen die Verkäufe dramatisch ein. Trotzdem zog der Preis an. Hatte Tata den rollenden Zwerg einst als 100 000-Rupien-Auto angepriesen, kostet er nun 150 000 Rupien. Das sind umgerechnet 1850 Euro. Warum verschmähen Millionen Käufer einen Wagen, der weltweit immer noch konkurrenzlos billig ist?

Volkswagen denkt auch über eine Billigmarke nach

Ratan Tata, der Anfang des Jahres in den Ruhestand ging, ist schnell mit einer Schuldigen bei der Hand: Mamata Banerjee. Die indische Politikerin hatte mit rabiaten Protesten die Nano-Fabrik auf Farmland in West-Bengalen gestoppt. Das hat ihr später den Wahlsieg beschert. Aber Tata musste Investitionen in Millionenhöhe in den Wind schreiben und ganz neu in Gujarat anfangen. Fast um ein Jahr hat das den Start des Nano verzögert und auch das Image befleckt.

Neustart. Mit dem neuen, besser ausgestatteten Modell Nano „Twist“, das Tata im Januar in Mumbai präsentierte, will der Hersteller dem Billigauto noch eine Chance geben. Vom einst angekündigten weltweiten Siegeszug ist inzwischen nicht mehr die Rede.
Neustart. Mit dem neuen, besser ausgestatteten Modell Nano „Twist“, das Tata im Januar in Mumbai präsentierte, will der Hersteller dem Billigauto noch eine Chance geben. Vom einst angekündigten weltweiten Siegeszug ist inzwischen nicht mehr die Rede.

© AFP

Branchenkenner machen allerdings massive Fehler bei Tata selbst für das Fiasko verantwortlich. Auf einem Markt, der ein jährliches Volumen von rund sieben Millionen weltweit verkauften Neufahrzeugen hat – Tendenz steigend. Das Analysehaus Polk schätzt, dass 2017 weltweit bis zu 16 Millionen Autos für weniger als 10 000 Euro verkauft werden. A.T. Kearney prognostiziert allein für die unterste Einstiegsklasse, in der auch der Nano fährt, 16 Millionen verkaufte Autos bis 2020. Dies entspricht einer jährlichen Wachstumsrate von 24 Prozent. Vor allem in den Schwellenländern China, Indien und Brasilien sehen Marktforscher das größte Potenzial. Auch deshalb denkt etwa Volkswagen über eine eigene Billigmarke nach.

Die Leute wollen kein Arme-Leute-Auto

Doch dem Pionier unterlief ein entscheidender Fehler: Von Anfang an wurde der Nano als Arme-Leute-Auto vermarktet. Nur: Dieses Image zieht nicht. Und schon gar nicht in Indien. Ein Auto ist gerade in Schwellenländer immer auch ein Statussymbol. „Seht her, ich habe es geschafft. Ich kann mir ein Auto leisten“, soll es zeigen. Doch als stolzes Prestigeobjekt, mit dem man Freunde und Nachbarn beeindruckt, taugt der Nano kaum. Das maximal 105 Stundenkilometer schnelle Basismodell ist spartanisch. Es hat keine Klima- und keine Stereoanlage, nicht mal ein Handschuhfach. Die Sitze sind hart und der Motor knattert wie der einer Auto-Rikscha.

Damit lässt sich kaum Staat machen. So spart die untere Mittelschicht, die Tata als Zielgruppe anpeilte, lieber auf eine Nummer größer. Der Ruf des kleinen Flitzers litt weiter, als 2010 mehrere Nano in der sengenden Hitze Indiens Feuer fingen. Dies schürte Zweifel an der Sicherheit.

Tatas Marktanteil schrumpft

Die Flaute auf dem indischen Automarkt schmälerte den Absatz weiter. Das traf nicht nur den Nano, sondern auch andere Tata-Modelle. Hatte der Hersteller 2012 noch einen Marktanteil von 10,8 Prozent, halbierte sich dieser bis Juni 2014 auf fünf Prozent. Auch der Indica, lange ein Verkaufshit des Konzerns, ist in die Jahre gekommen. Zwar machen Kleinwagen noch immer 70 Prozent aller Verkäufe in Indien aus, doch dem indischen Autobauer fehlt es an überzeugenden Marktneuheiten. Die Konkurrenz zieht davon. Marktführer Maruti baute seine Spitzenposition von 40 Prozent im Juni 2012 auf 46 Prozent im Juni 2014 aus.

Doch abschreiben will Tata den Nano noch nicht. Mit einem neuen Image und einem Facelift soll das Billigauto doch noch die Käuferherzen erobern. Ähnlich wie der Smart soll der Nano 2015 als Zweitwagen und als cooler Stadtflitzer neu auf dem Markt positioniert werden. Eine Luxusversion des Kleinstwagens wurde mit Stereoanlage, Handschuhfächern und neuen Radkappen aufgebrezelt.

Für Tata Motors steht viel auf dem Spiel. Der Konzern hat fast 400 Millionen Dollar in die Entwicklung des Wagens und weitere hunderte Millionen in den Bau der Fabrik gesteckt. Wegen der schwachen Nachfrage musste er bereits Arbeiter entlassen. Sollte der Kleinwagen nicht bald die Kurve kriegen, dürfte Tata weitere Jobs streichen. Mitarbeit: Henrik Mortsiefer

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