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Tausendundein DEAL (78): Aktiengeschäfte vor dem Frühstück

Tewe Pannier, ein Geschäftsmann aus Berlin, erzählt von Arabien

Der Mann neben mir scheint eine lange Nacht hinter sich zu haben. Seine Augen sind rot, die Lider geschwollen. Er trägt die Dischdascha, das schneeweiße Gewand der Golf-Araber. Auf seiner Schädeldecke balanciert nur das kleine gestickte Käppi, das ein Kopftuch vom Rutschen abhalten soll. Der Mann hat sich aber bisher nicht die Mühe gemacht, ein Kopftuch aufzusetzen. Auf Deutsch gesagt: Der Herr scheint direkt aus dem Hotelbett in den Stuhl neben mir vor dem Computer im Business-Center des Hotels gefallen zu sein.

Es ist jetzt kurz vor 13 Uhr und er sagt mit breitem Lachen und knarziger Stimme: „Guten Morgen, mein Freund.“ Dann zeigt er auf den Bildschirm vor sich und fragt mit ernster Miene: „Gib mir einen Rat: Soll ich diese Aktie hier verkaufen?“ Auf dem Bildschirm ist eine für meinen neuen Freund sehr erfreuliche Kurve einer großen Immobilienfirma aus Abu Dhabi. „Hier habe ich gekauft“, er presst seinen Zeigefinger auf den Schirm, „und da steht sie jetzt.“ Es sind rund 20 Prozent Gewinn, obwohl es in den letzten Tagen einen deutlichen Zacken nach unten gibt. „Also, mein Freund, was soll ich tun?“

Die Unruhe an den Weltbörsen hat auch die kleinen Zocker und großen Tiere am Golf in der vergangenen Woche erfasst. Die Börse in Riad rutschte, der Dubaier Markt wurde um ein paar Milliarden Dollar ärmer. Das Schwergewicht Emmar, die Baufirma mit dem größten Turm der Welt, sackte um drei Prozent ab, steht jetzt so tief wie seit 16 Monaten nicht. In den Cafés und Teehäusern, in den Business-Centern und Hotel-Lobbys laufen immer häufiger Börsennachrichten statt Musikvideos in den aufgehängten Fernsehern. In einem Krankenhaus in Riad, so erzählte mir jetzt der libanesische Banker Elias, steigt die Zahl der Patienten rapide an, wenn die Börsenkurse sinken. Die Patienten klagen über Herzrasen unter der Dischdascha, über Schwindel, ja, über „körperliche Schmerzen“.

Mein Freund vor dem Computer hat dann auf meinen Rat hin verkauft. Beim Rausgehen nahm er meine Hand in seine beiden und drückte fest zu: „Danke mein Freund! Ich gehe jetzt erst einmal frühstücken.“

Der Autor (46) betreibt eine Medienfirma in Dubai und lebt abwechselnd dort und in Berlin.

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