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Tausendundein DEAL (92): Gans bei Günter

In Günters Garten gibt es heute Gans. Die sieben geladenen Freunde sitzen in leichten Kleidern oder offenen Hemden an der Tafel.

In Günters Garten gibt es heute Gans. Die sieben geladenen Freunde sitzen in leichten Kleidern oder offenen Hemden an der Tafel. Gerade hat der Muezzin von der benachbarten Moschee zum Abendgebet gerufen, die Grillen zirpen in der Wüste hinterm Gartentor. Auf dem Tisch ist deutsches Weihnachten angerichtet: Es gibt Brezeln und Bier, in den Schüsseln dampfen Rotkohl, hausgemachte Klöße und dicke, braune Sauce. Da kommt Günter mit der Gänseplatte, und alle machen „Ahh!“ und „Ohh!“.

Nach zweimal Brust und einmal Keule lasse ich satt den Blick in die Runde schweifen. Dabei fällt auf: Wir Weihnachtsesser sind alle vor drei Jahren an den Golf gekommen. Wir haben unsere Euphorie geteilt und die dunklen Stunden. Jeder wähnte sich mal kurz vor der Million und dann auch mal knapp vor dem Bankrott. Wir mussten alle ganz viel lernen – und keiner von uns macht heute das, wofür er eigentlich hergekommen ist.

Axel aus Stuttgart gründete vor drei Jahren eine Marketingagentur. Heute ist er Chef einer Fabrik, die aus alten Lastwagenreifen neue macht. Er hat sie mit Investorengeld aus dem Wüstenboden gestampft und sagt zwischen zwei Bissen gut gelaunt: „Die erste Produktion ist schon verkauft!“ Sabine aus Köln kam heute alleine, ihr Mann ist in Europa: „Er hat seine Strategie ja im letzten Jahr total geändert. Seitdem läuft es blendend“, erzählt sie, um dann wieder von ihrem neuen Porsche Cayenne zu schwärmen.

Gänse-Günter ist damals aus dem Berliner Adlon von einem Palasthotel aus Abu Dhabi abgeworben worden. Jetzt ist er Topmanager in einem noch größeren und viel erfolgreicheren Hotel. Mein erstes Geschäft vor drei Jahren war das Fernsehen, heute Abend erzähle ich froh von der Gründung unseres Zeitschriftenverlages: „Morgen ziehen wir in das neue Büro!“

Nur Uli aus Memmingen hat sich bei der Gans zurückgehalten. „Ich kriege ja noch ein paar Braten bis zum Fest“, sagt er. Er ist nur für ein paar Strandtage bei Günter zu Besuch. Später, beim Erdbeereis, verrät er mir jedoch: „Ich will nach Dubai ziehen! Ich habe schon einen Job in Aussicht bei einer Unternehmensberatung!“ Und ich denke: Na, Uli, mal sehen, was du in drei Jahren machst!

Der Autor (46) betreibt eine Medienfirma in Dubai und lebt abwechselnd dort und in Berlin.

Tewe Pannier, ein Geschäftsmann

aus Berlin, erzählt von Arabien

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