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Tausendundein DEAL (99): Eine Welt ohne Nein

Am dritten Tag, meist kurz vor der Abreise, sind diese Menschen von Euphorie berauscht. Für den erfahrenen Beobachter hat dieser Rausch etwas Beklemmendes.

Am dritten Tag, meist kurz vor der Abreise, sind diese Menschen von Euphorie berauscht. Für den erfahrenen Beobachter hat dieser Rausch etwas Beklemmendes. Das Leuchten in den Augen dieser Menschen löst bei ihm Mitleid aus. Ihre Hochstimmung macht ihn ganz schweigsam. Ihr Ruf: „Wir sehen uns bestimmt bald wieder!“ lässt ihn verlegen zu Boden blicken. Denn die meisten sieht er hier nie wieder, bei vielen wird die Hochstimmung fundamentaler Enttäuschung weichen. Und so mancher von ihnen beginnt von nun an eine ganze Menge Geld zu verlieren.

Sie alle sind in die größte Falle der Geschäftswelt am Golf getappst, ohne es zu merken: Ein traditioneller arabischer Geschäftsmann nämlich kennt im Gespräch mit einem Unbekannten kein Nein. Aus reiner Höflichkeit. Und so fliegen sie ein, von zweistelligen Wachstumsraten und immer schneller sprudelnden Öl-Milliarden gelockt. Sie zahlen Vermittlern Tagesspesen. Oder sie beißen sich selbst durch, hangeln sich von Kontakt zu Kontakt. Sie werden von Scheichs empfangen und von Managern, treffen Banker und Investoren. Sie stellen Fragen wie „Brauchen Sie unsere Dienstleistungen?“ – „Gefallen Ihnen unsere Produkte?“ – „Kommen wir ins Geschäft?“ Und sie hören immer die gleichen Antworten, in großer Herzlichkeit vorgetragen: „Ja, das ist hochinteressant!“, „Ja, genau so etwas brauchen wir, mein Freund!“, und immer wieder: „Ja, ja, ja!“.

Noch am Flughafen hacken sie die E-Mail-Adressen von gesammelten Visitenkarten in ihre Laptops, schicken lange Gesprächsprotokolle mit den „nächsten Schritten“. Im Flugzeug bestellen sie Sekt und träumen von den Geschäften am Golf, blättern in den aufgegabelten Immobilienanzeigen nach dem neuen Büro. In der Heimat angekommen, bilden sie Dubai-Teams und Doha-Arbeitsgruppen, schreiben Angebote, verschicken Präsentationen.

Schleichend kommt die Ernüchterung. Die E-Mails werden nicht beantwortet. Die Angebote bleiben ohne Echo. Das Doha-Team kommt von der „Nächsten Schritte“-Reise zurück und wurde nicht einmal empfangen.

Wochen später stellen sie sich dann die Frage: Wird es etwas mit dem Geschäft am Golf?“ Die Antwort lautet schlicht und einfach: „Nein!“

Der Autor betreibt eine Medienfirma in Dubai und lebt abwechselnd dort und in Berlin.

Tewe Pannier, ein Geschäftsmann

aus Berlin, erzählt von Arabien

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