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Telekom: Auf der Anklagebank

Zum Auftakt des Zivilverfahrens lehnt der Konzern einen Vergleich ab.

Frankfurt am Main - Kurz vor Prozessbeginn steigt die Spannung. Ein halbes Dutzend Übertragungswagen von Funk und Fernsehen, rund 20 Fotografen, knapp 50 Journalisten und etwa 40 Anwälte drängen sich am Montagmorgen vor und in dem Bürgerhaus Bornheim im Norden der Frankfurter City. Immerhin geht es um den größten Anlegerprozess in der bundesdeutschen Geschichte. Einziges Problem: Der Vorsitzende Richter des 23. Zivilsenats des Frankfurter Oberlandesgerichtes fehlt. Christian Dittrich kommt aus Marburg. Dichter Schneefall, ein Baum auf den Gleisen, eine defekte Lok: Der Zug steckt fest. Mit drei Stunden Verspätung trifft Dittrich in dem roten Backsteinbau ein. Eine gute Stunde später als geplant eröffnet er kurz nach elf Uhr den Telekom-Prozess – mit der Ruhe eines erfahrenen Richters, der in zwei Jahren in den Ruhestand geht.

Vermeintlich geprellte Telekom-Aktionäre sucht man in dem verwinkelten Saal jedoch vergebens: Die rund 500 Besucherstühle bleiben leer. Auch der für das Verfahren als Musterkläger ausgewählte Anleger, an dessen Fall der Gerichtsstreit ausgefochten wird, ist zu Hause geblieben. Seine Anwälte Andreas Tilp und Peter Gundermann streiten für ihn und rund 16 000 Aktionäre. Sie pochen auf Schadenersatz für die Verluste nach dem dritten Börsengang der Telekom im Juni 2000, da Risiken verschwiegen wurden. 66,50 Euro haben sie für die Aktie bezahlt, heute dümpelt das Papier bei elf Euro. „Vielen Kleinaktionären ist es zu teuer, nach Frankfurt zu reisen“, sagt Anwalt Peter Kühn aus Wiesbaden, der rund 6500 Anleger vertritt. 1200 bis 50 000 Euro haben sie in Telekom-Aktien investiert. Der größte Teil des als Altersvorsorge geplanten Geldes ist weg.

Und daran wird sich so schnell nichts ändern, stellt Richter Dittrich rasch klar. Aus zwei Gründen: Das eigens für den Telekom-Prozess auf den Weg gebrachte

Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz taugt nicht für einen Vergleich. „Da müssten alle 16 000 Anleger zustimmen. Das ist schlicht undenkbar“, sagt Dittrich. So weit würde es ohnehin nicht kommen, ergänzt Telekom-Anwalt Bernd-Wilhelm Schmitz. „Die Klagen sind nicht begründet. Und ein Vergleich wäre ungerecht gegenüber den drei Millionen Telekom- Aktionären, die nicht klagen.“

Damit sind die Fronten in dem provisorischen Gerichtssaal geklärt. Tilp und Kühn reagieren unwirsch. Er habe ausdrücklich das Mandat, sich für einen Vergleich einzusetzen – nach dem Vorbild der USA, wo die Telekom 120 Millionen Euro gezahlt hat, sagt Kühn. „Rein wirtschaftlich müsste das hier bei einem Streitwert von 80 Millionen Euro auch möglich sein. Telekom-Vertreter Schmitz winkt ab. In den USA seien die Risiken ungleich höher, daher habe die Telekom dort gezahlt, aber ohne jegliche Anerkennung von Rechtsansprüchen. Tilp reagiert gereizt: „Um Ungerechtigkeiten zu vermeiden kann die Telekom gleich alle drei Millionen Aktionäre entschädigen. Wenn nicht, treten eben alle unseren Klagen bei“, poltert er.

Richter Dittrich mahnt, wenigstens bei der Abarbeitung der 187 Streitpunkte voranzukommen. Doch die Hoffnung ist begrenzt. „Die Verfahrensdauer ist nicht absehbar. Wenn eine Neubewertung der Telekom-Immobilien notwendig wird, dauert es Jahre.“ Immerhin noch vor der Mittagspause werden zwei kleinere Konfliktfelder abgehakt. Ein Signal für eine Beschleunigung des Verfahrens ist es nicht. „Ich sehe schwarz, dass wir in absehbarer Zeit zu einem Ergebnis kommen“, sagt Kühn. Viele Mandanten sind betagt, werden es nicht mehr erleben. Erst einmal wird nun an 17 Tagen bis Ende Mai verhandelt. Nächster Höhepunkt: Kommenden Montag ist Ex-Telekom-Chef Ron Sommer als Zeuge geladen.

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