zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Telekom fordert Einkommensverzicht

100000 Beschäftigte sollen weniger arbeiten und verdienen / Dienstleistungsgewerkschaft Verdi lehnt Pläne ab

Berlin (vis). Die Deutsche Telekom will das Thema Arbeitszeit zu einem zentralen Punkt in den kommenden Tarifverhandlungen mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi machen. Telekom-Personalvorstand Heinz Klinkhammer kündigte an, künftig die Personalkosten noch stärker reduzieren zu wollen, dafür aber den Mitarbeitern mehr Beschäftigungssicherheit bieten zu können. Verdi wies die Vorschläge Klinkhammers als indiskutabel zurück.

Der von Klinkhammer vorgeschlagene „Beschäftigungspakt Telekom“ umfasst vier zentrale Punkte: Erstens, eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit um mindestens zehn Prozent ohne Lohnausgleich in der Festnetzsparte T-Com. Klinkhammer selbst spricht von einem „dreistelligen Millionenbetrag“, der mit seinem Plan eingespart werden soll. In Unternehmenskreisen war von mehr als 500 Millionen Euro im Jahr die Rede. Im Gegenzug soll Beschäftigung für 10000 Mitarbeiter geschaffen werden. Zweitens fordert Klinkhammer von der Gewerkschaft eine „moderate Lohnrunde 2004“. Drittens plant er, die Zahl der Lehrstellen im Unternehmen zu reduzieren. Auch soll es Anpassungen bei der Übernahme und Vergütung von Nachwuchskräften geben. Schließlich möchte die Telekom Mitarbeitern, die in der internen Personal-Service-Agentur (PSA, siehe Lexikon Seite 18) unter Vertrag sind, aber keine Beschäftigung haben, die Bezüge reduzieren.

Franz Treml, Vizevorsitzender der Gewerkschaft Verdi, bezeichnete die Vorschläge als „den Gipfel der Zumutung“. Eine Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich sei nicht diskutabel, sagte er. Im November sind Gespräche zwischen der Telekom und Verdi geplant, bei denen es um Arbeitszeitmodelle bei der Telekom gehen soll. Der derzeitige Tarifvertrag hat jedoch noch eine Laufzeit bis Mai 2004. „Mit der Forderung nach einer moderaten Lohnrunde schießt Herr Klinkhammer zu früh“, sagte Treml dem Tagesspiegel.

55000 Stellen werden abgebaut

Die Telekom hatte vor einem Jahr einen weiteren umfangreichen Stellenabbau angekündigt. Seit Gründung der Deutschen Telekom AG zum 1. Januar 1995 hat das Unternehmen bereits rund 100000 Arbeitsplätze abgebaut. In der Mittelfristplanung bis zum Jahr 2005 sollen weitere rund 55000 Stellen im Konzern gestrichen werden – rund 40000 davon in Deutschland. Hauptsächlich davon betroffen ist die Belegschaft bei der Festnetzsparte T-Com. Die hat hier zu Lande noch rund 100000 Mitarbeiter – rund die Hälfte der Beschäftigten sind jedoch Beamte, denen nicht gekündigt werden kann. Darüber hinaus hat sich die Telekom im Juni 2002 mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi auf einen Tarifvertrag zum Rationalisierungsschutz und zur Beschäftigungssicherung (TV Ratio) geeinigt, der schließt betriebsbedingte Kündigungen für Beschäftigte der Telekom AG bis Ende des kommenden Jahres aus. Zudem sind die klassischen Instrumente zum Personalabbau – Abfindungen und Vorruhestandsregelungen – weitgehend ausgeschöpft.

Um trotzdem Personal abbauen zu können, hat die Telekom eine eigene Personalservice-Agentur gegründet. Die PSA nimmt freiwerdende Mitarbeiter auf und qualifiziert sie gegebenenfalls weiter, um sie in neue Jobs innerhalb oder auch außerhalb des Konzerns vermitteln zu können. Bisher mit geringem Erfolg. Auch die Telekom war mit dem Vermittlungsergebnis so unzufrieden, dass sie im Juli das Führungsteam der PSA ausgewechselt hat. Seit einigen Wochen trägt die PSA nun einen neuen Namen: Vivento. Ein Name, der für Aufbruchstimmung und neue Ideen stehen soll, den Mitarbeiter jedoch als euphemistisch empfinden: Ende September waren bei Vivento 9800 Mitarbeiter unter Vertrag – die meisten – rund 5000 – sind weitgehend ohne Beschäftigung.

Kritik an den neuen Vorschlägen Klinkhammers kam neben Verdi auch aus Kreisen des Betriebsrates. Der sieht vor allem in der Absenkung der Ausbildungsquote eine Gefahr für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Bereits heute liegt das Durchschnittsalter der T-Com-Mitarbeiter bei knapp 40 Jahren – zu alt für eine dynamische und innovationsgetriebene Branche, heißt es im Betriebsrat. Der fürchtet zudem, dass die jetzigen Pläne der Deutschen Telekom zum Personalabbau noch lange nicht am Ende sind. Die Mitarbeitervertreter gehen davon aus, dass mit den Änderungen in der Regulierungspolitik, die gerade im Rahmen der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes festgeschrieben werden sollen, noch weitere Arbeitsplätze bei der Telekom in Gefahr sind. Die Regulierungspolitik strebe an, den Marktanteil der Telekom im Festnetz unter 50 Prozent zu drücken, hieß es aus dem Betriebsrat: „Das halten wir nicht aus.“

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false