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Niek Jan van Damme verantwortet im Telekom-Vorstand das Deutschlandgeschäft.

© Kitty Kleist-Heinrich

Telekom-Vorstand van Damme im Interview: "Der Ball rollt weiter bei Liga total"

Niek Jan van Damme verantwortet im Vorstand der Deutschen Telekom das Deutschland-Geschäft. Im Interview mit dem Tagesspiegel spricht er über neue Produkte, Preise, Netze - und die Verhandlungen mit Sky über die Übertragungsrechte der Fußballbundesliga.

Herr van Damme, die Telekom verliert weniger Kunden im Festnetz als früher. Sind Sie damit schon zufrieden?

Kunden zu verlieren, wünscht sich kein Unternehmen. Dass wir im Festnetz Kundenrückgänge verzeichnen, ist ja politisch so gewünscht. Wir sehen jedoch langsam eine Stabilisierung und die Entwicklung ist besser als wir erwartet haben. Das hat damit zu tun, dass der Breitbandmarkt immer noch wächst und unser Fernsehgeschäft ganz erfreulich läuft. Seit September bieten wir unser TV-Produkt Entertain auch über Satellit an, wodurch wir viel mehr Kunden erreichen können.

Und wie wollen Sie weiter wachsen?

Wir erhöhen die Leistung unserer Netze, die Geschwindigkeit steigt weiter und wir bauen unser Netz weiter aus und optimieren es. Das macht  neue Angebote möglich –  wie etwa Fernsehen in HD oder Fernsehen in 3D. Daneben bieten wir über das Internet viele zusätzliche Dienste an, zum Beispiel Sicherheitspakete, die ihren Computer vor Viren und anderen Angriffen schützen. Oder Pageplace, einen Online-Zeitungskiosk. Intelligente Netzdienstleistungen aus den Bereichen Automobil, Gesundheit oder Energie tragen künftig verstärkt dazu bei, die Rückgänge im klassischen Telko-Geschäft zu kompensieren, ebenso Cloud Computing. Sie sehen, wir entwickeln parallel zum Zugangsgeschäft immer mehr Dienste, die die Netznutzung interessanter machen – und das bringt wiederum mehr Nachfrage nach höherer Leistung.

Ein wichtiges Argument für Ihr TV- Produkt Entertain war Liga total. Die Fußball-Übertragungsrechte ab Sommer 2013 haben Sie aber an Sky verloren. Wie wird es weitergehen ohne Fußball?

Wir sind mit unserem Angebot an die Grenzen des wirtschaftlich Machbaren gegangen. Wir stehen jetzt aber nicht unter Druck. Erst einmal ändert sich für unsere Kunden ja nichts. Auch in der kommenden Saison rollt der Ball bei Liga total. Derzeit haben rund zehn Prozent unserer Entertain-Kunden auch Liga total gebucht, die Fußball-Bundesliga ist also nicht alleine ausschlaggebend für den Erfolg unseres TV-Angebots. Aber natürlich: Der Fußball ist ein wichtiger Baustein. Wir werden sicherstellen, dass unsere Kunden die Bundesliga auch ab der übernächsten Saison live verfolgen können.

Sie sprechen  mit  Sky über eine Zusammenarbeit?

Ja, natürlich, die Gespräche laufen. Wie das Angebot genau aussehen wird, das wissen wir noch nicht. Aber Sky hat so viel für die Rechte bezahlt, dass wir davon ausgehen, dass sie einen Teil des Geldes zurückverdienen möchten.

Also stehen die Chancen für eine Einigung nicht schlecht?

Ich bin absolut zuversichtlich, dass wir das hinbekommen. Es liegt in beiderseitigem Interesse.

"Die Breitbandziele für Deutschland sind extrem ambitioniert."

"Wir werden in Berlin im Juni mit LTE starten", sagt Telekom-Vorstand Niek Jan van Damme.
"Wir werden in Berlin im Juni mit LTE starten", sagt Telekom-Vorstand Niek Jan van Damme.

© Kitty Kleist-Heinrich

Immer mehr Leistung bedeutet für die Telekom steigende Investitionen in die Netze. Das ist teuer. Sind die Kunden bereit, entsprechend dafür zu bezahlen?

Es stimmt, die Nachfrage nach Bandbreite steigt massiv. Studien zeigen, dass sich die Datenmenge im Netz jedes Jahr verdoppelt. Heutzutage können wir mit unseren Netzen in Deutschland die Kunden vernünftig versorgen. Das gilt auch für unsere Wettbewerber, wir sind ja nicht allein da. Aber die Netze stoßen irgendwann an ihre Grenzen. Deshalb bauen wir bereits Glasfaserleitungen bis an die Häuser heran. Im Prinzip haben wir dann unbegrenzte Möglichkeiten. Aber der Aufbau dieser neuen Infrastruktur ist sehr teuer, und sie muss sich für uns rechnen. Deshalb gehen wir bei der Vermarktung neue Wege und bauen nur dort aus, wo wir in der Vorvermarktung erfolgreich sind. Die Kunden sind heute nur zum Teil bereit, für mehr Leistung auch entsprechend etwas mehr zu bezahlen.

Und wie wollen Sie raus aus der Zwickmühle?

Wir brauchen ein Umsteuern bei der Regulierung. Dies gilt auch auf europäischer Ebene. Die Preise immer weiter abzusenken ist kein Rezept, um Investitionen anzustoßen. Die Breitbandziele für Deutschland sind extrem ambitioniert. Darum muss Regulierung Investitionen in neue Netze fördern und belohnen. Das gilt nicht nur für uns, sondern für die gesamte Industrie. Im Breitbandmarkt haben wir ja nur noch einen Marktanteil von 45 Prozent, deswegen kann man nicht erwarten, dass die Telekom den Ausbau alleine macht.

Die CSU will, dass sie jeden Bauernhof mit einem Glasfaseranschluss  versorgen.

Stabil hohe Bandbreiten schafft derzeit nur Glasfaser. Es kostet je nach Schätzung 50 bis 70 Milliarden Euro das gesamte Land mit Glasfaser anzuschließen. Das können wir uns unter den heutigen wirtschaftlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen nicht leisten. Um den ländlichen Raum zu versorgen, müssen wir deshalb einen Mix aus Festnetz- und Mobilfunktechnologien wie LTE einsetzen. Mindestbandbreiten von 50 Megabit pro Sekunde, wie sie in den Breitbandzielen der Bundesregierung vorgesehen sind, können damit aber nicht erreicht werden. Deshalb benötigt der Markt aktive Unterstützung durch den Staat.

"Wir werden in Berlin im Juni mit LTE starten."

"Der Kunde, der mehr Leistung will, ist auch bereit, dafür zu zahlen", sagt Telekom-Vorstand Niek Jan van Damme. "Das Modell ist im Mobilfunk gelernt und funktioniert sehr gut."
"Der Kunde, der mehr Leistung will, ist auch bereit, dafür zu zahlen", sagt Telekom-Vorstand Niek Jan van Damme. "Das Modell ist im Mobilfunk gelernt und funktioniert sehr gut."

© Kitty Kleist-Heinrich

Wie läuft der LTE-Ausbau?

Wir treiben den Ausbau zügig voran. LTE ist die Mobilfunk-Technologie der Zukunft. Wir haben bereits 2000 weiße Flecken in Deutschland versorgt und unsere Reichweite im ersten Quartal dieses Jahres auf 25 Prozent der Bevölkerung ausgebaut. Wir setzen den Ausbau in hohem Tempo fort, alleine in diesem Jahr schließen wir weitere 1000 Flecken.

Wann schalten Sie LTE in Berlin frei?

Wir werden in Berlin im Juni mit LTE starten. Das bedeutet, dass wir unseren Kunden dann unterwegs auf dem Tablet oder Laptop eine Geschwindigkeit von bis zu 100 Megabit bieten können.

Was wird das kosten?

Unsere Datentarife sind Technologie-neutral, das bedeutet, unsere Kunden surfen in jedem Tarif über das bestmögliche Netz. Die Preise liegen zwischen 19,95 Euro für den kleinsten Datentarif und 69,95 Euro für unser Premium-Angebot mit bis zu 100 Megabit pro Sekunde. Aber egal, für welchen Tarif sich der Kunde entscheidet, er profitiert immer von den Vorteilen, die LTE bietet.

Und wann wird es LTE-fähige Handys in Ihren Läden geben?

Wir bringen die ersten Geräte im Sommer in die Shops. Derzeit werden die Modelle intensiv getestet. Aber ich denke, dass LTE wegen der großen Bandbreite erst einmal für die Nutzer von Tablets und Laptops interessant ist.

Sie haben  erwähnt, dass Sie ihr Angebot im Internet ausbauen. In Ihrem Mediencenter etwa bieten Sie Speicherplatz für Fotos, Videos, Musik und andere Dokumente. Damit treten  Sie in direkte Konkurrenz zu den Cloud-Angeboten von Google oder Apple. Wie viele Leute nutzen Ihr Mediencenter?

Wir haben mehr als 500.000 Kunden, die regelmäßig das Mediencenter nutzen. Insgesamt sind bereits rund fünf Millionen Kunden registriert. Immerhin bieten wir 25 Gigabyte kostenlosen Speicherplatz - das reicht für mehr als 6000 Musiktitel in der Cloud. Aber es geht auch um das Thema Sicherheit: Die Kunden legen Wert darauf, dass ihre Daten sicher in Rechenzentren in Deutschland gespeichert werden. Nicht nur Geschäftskunden, auch viele  Privatkunden wollen, dass ihre Daten vor fremden Zugriffen geschützt sind. Unsere Rechenzentren sind TüV-zertifiziert und bieten ein Höchstmaß an Sicherheit.

Sie hatten zuletzt selbst  Sicherheitsprobleme mit einigen Ihrer W-Lan-Router. Hacker hatten damit leichtes Spiel.

Das hat mich sehr geärgert, deshalb war es wichtig schnell zu reagieren. Die Probleme sind mittlerweile behoben, wir haben die Sicherheitslücke geschlossen. Aber Sicherheit bleibt immer ein großes Thema im Netz. Ich glaube es ist wichtig, bei Problemen direkt zu reagieren, transparent zu sein und die Nutzer zu informieren. Im Fall unserer W-Lan-Router haben wir so verhindern können, dass jemand geschädigt wurde. Jedenfalls haben wir keine Rückmeldung, dass da etwas schief gelaufen ist.

Wie sind Sie auf die Sicherheitslücke aufmerksam geworden?

Wir haben intern Kollegen, die sich mit diesen Themen beschäftigen. Aber in diesem Fall kam die Information von außen.

Wie groß ist  die Mannschaft, die ihre eigenen Systeme überprüft?

In der Telekom sind es inzwischen ein paar dutzend Leute.

"Transparente und faire Preise sind immens wichtig."

Niek Jan van Damme, Jahrgang 1961, ist seit März 2009 Mitglied des Vorstands der Deutschen Telekom.
Niek Jan van Damme, Jahrgang 1961, ist seit März 2009 Mitglied des Vorstands der Deutschen Telekom.

© Kitty Kleist-Heinrich

Einige Kunden berichten, dass es  bei Ihren  modernen Anschlüssen Qualitätsprobleme beim Telefonieren gibt.

Im Moment bauen wir unser Netz um. In Zukunft basiert es vollständig auf dem Internet-Protokoll (IP). Das ist ein Prozess von Jahren. Wir tun das unter anderem, um die Netze in Zukunft besser steuern zu können. Am Anfang haben wir Schwierigkeiten mit der neuen Technologie gehabt, unter anderem weil die unterschiedlichen Komponenten nicht reibungslos zusammengearbeitet haben. Ich kann aber sagen, dass wir die Probleme im Griff haben. Allerdings machen manchmal auch zum Teil ältere Endgeräte beim Kunden Probleme.

Wie viele IP-Kunden haben Sie bereits?

Wir haben rund 750.000 Kunden. Es ist also noch ein langer Weg.

Aus dem Internet  kommen  viele Dienste, die Ihr Geschäft bedrohen. Mit SMS zum Beispiel haben Sie immer gut verdient. Jetzt gibt es Apps, mit denen man  Kurznachrichten  kostenlos verschicken kann.

Ja, und es gibt immer mehr solcher Anwendungen. Aber zugleich sehen wir immer noch ein starkes Wachstum bei SMS, wobei die Kunden dafür nicht immer extra bezahlen. In Deutschland gibt es viele Flatrates – für Gespräche, für Daten, für SMS. Durch diese Tarifstruktur sind wir ganz gut abgesichert. Denken Sie zum Beispiel an den Internettelefondienst Skype. Der ist in Deutschland auch nur moderat gewachsen. In anderen Ländern mit anderen Tarifstrukturen sieht das ganz anders aus. Aber es stimmt natürlich, dass wir jeden Tag vor neuen Herausforderungen stehen. Denen begegnen wir beispielsweise mit einem neuen Messaging-Standard wie Joyn oder unserer Beteiligung am US-Unternehmen Pinger. Sie sehen, wir sind für die Zukunft gewappnet.

Im  Mobilfunk haben Sie das gleiche Problem wie im Festnetz: Die Kunden wollen  mehr Leistung, aber sie wollen immer weniger bezahlen. Das kann für Sie zu  keinem guten Ende führen.

Im Mobilfunk haben wir mehr Wettbewerb und auch mehr Möglichkeiten, bestimmte Leistungen zu bepreisen. Der Kunde, der mehr Leistung will, ist auch bereit, dafür zu zahlen. Das Modell ist im Mobilfunk gelernt und funktioniert sehr gut.

Die EU möchte sie zwingen, die Preise für  mobiles Telefonieren und Surfen im europäischen Ausland weiter zu senken. Die Industrie wehrt sich dagegen. Glauben Sie nicht, dass die  hohen Preise Kunden davon abhalten, ihr Smartphone zu nutzen?

Für die Vergangenheit mag das zutreffen. Allerdings funktioniert der Wettbewerb in der Branche mittlerweile sehr gut. Telekom Kunden können heute schon für unter zehn Cent pro Megabyte im Ausland ins Netz gehen. Das ist deutlich unter dem, was Brüssel als Obergrenze festgelegt hat. Wir wollen, dass unsere Kunden ihr Smartphone auch im Ausland intensiv nutzen. Transparente und faire Preise sind immens wichtig. Wir arbeiten daher ständig daran, unser Angebot weiter zu optimieren. Eines darf man bei der ganzen Diskussion jedoch nicht vergessen: Wenn Sie einen Brief ins Ausland schicken, kostet der auch mehr.

Ihr Personal wird künftig auch mehr kosten. Welche Konsequenzen wird der Tarifabschluss mit Verdi haben?

Das Ergebnis ist noch frisch. Wir müssen nun schauen, wie wir dieser Herausforderung begegnen. Fakt ist, dass diese Industrie insgesamt seit Jahren kaum noch Wachstum zeigt. Wir bemühen uns daher, die Kosten zu senken und unsere Effizienz weiter zu steigern. Die Telekom steht in einem Transformationsprozess. Dazu gehört auch der Personalumbau.

Und mit Umbau meinen Sie Abbau?

Umbau bedeutet dreierlei: Neueinstellungen, Umqualifizierung von Mitarbeitern, Abbau nicht benötigter Stellen.

Können Sie das schon quantifizieren?

Nein. Und wir sind dafür bekannt, dass wir unsere Maßnahmen sozialverträglich gestalten.

ZUR PERSON

Niek Jan van Damme, geboren 1961, stammt aus der niederländischen Provinz Nordbrabant. Er studierte Wirtschaft und begann seine berufliche Laufbahn bei Procter & Gamble. 1999 kam der Marketingprofi zum niederländischen Mobilfunkanbieter Ben, der später von der Telekom übernommen wurde. Seit März 2009 gehört van Damme dem Vorstand der Telekom an. Er verantwortet das Deutschland-Geschäft.

Die Deutsche Telekom gehört zu Europas größten Telekommunikationsanbietern. Sie beschäftigt weltweit 240 000 Mitarbeiter, 76 000 davon in Deutschland. 2011 setzten sie insgesamt knapp 59 Milliarden Euro um.

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