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Wirtschaft: Telekom wird Ortstarife nicht senken

Konzern erwartet keine Entwicklung wie im Festnetz, aber die Regulierungsbehörde stärkt die Wettbewerber

Berlin (vis). Die Deutsche Telekom erwartet nach der Einführung von Callby-Call im Ortsnetz keine so dramatische Entwicklung wie bei den Ferngesprächen. „Wir werden keine Verhältnisse wie 1998 bekommen“, sagte Josef Brauner, der im Vorstand der Deutschen Telekom die Festnetzsparte verantwortet, im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Die Einführung von der freien Anbieterwahl (Call-by-Call) bei Ferngesprächen hatte vor fünf Jahren zu einem deutlichen Preissturz geführt. Es entstand eine Vielzahl neuer Firmen. „Inzwischen ist der Markt wesentlich nüchterner geworden“, sagt Brauner. „Ich glaube nicht, dass die Zahl der Anbieter extrem steigen wird.“ Bisher bieten sechs Firmen Call-by-Call für Ortsgespräche an. Brauner rechnet bei der Telekom mit Umsatzeinbußen maximal in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrags.

Allerdings musste die Telekom am Dienstag einen Rückschlag hinnehmen. Die Regulierungunsbehörde für Post und Telekommunikation legte die Gebühren fest, die Wettbewerber der Telekom für die Durchleitung von Gesprächen durch das Telekom-Netz zahlen müssen. Die Telekom erhält ab 1. Juli von allen Firmen, die für ihre Angebote das Netz der Telekom nutzen wollen, nur im Ortsnetz eine Gebühr von 0,4 Cent je Gespräch. Das liegt weit unter den Forderungen der Telekom. Die wollte je Gespräch eine Gebühr von 0,6 Cent – und zwar auch für Ferngespräche und Interneteinwahlen. Auch der monatliche Mietpreis, den Wettbewerber der Telekom für einen Teilnehmerschluss, die so genannte „letzte Meile“, zahlen müssen, sinkt ab 1. Mai von 12,48 Euro auf 11,80 Euro. Die Telekom hatte ursprünglich einen Preis von 17,40 Euro beantragt.

Unterstützt wurde die Telekom von regionalen Netzbetreibern, die ihre Investitionen von der Billigkonkurrenz im Ortsnetz bedroht sehen. Die Call-by-Call-Anbieter hielten den geforderten Zuschlag dagegen für zu hoch. Während sich Telekom-Wettbewerber wie Freenet deshalb positiv zur aktuellen Entscheidung der Regulierungsbehörde äußerten, sagte Brauner: „Wir finden die Entscheidung enttäuschend, weil sie die Kostenstruktur der Telekom nicht berücksichtigt. Die Luft zum Atmen, die der Infrastruktur- und Innovationswettbewerb brauchen, wird nicht gegeben.“

Allerdings ist noch unklar, wie stark der Wettbewerb bei Ortsgesprächen bereits wirkt. Wie viele Kunden die neue Wahlfreiheit bei Ortsgesprächen bereits genutzt haben, konnte Telekom-Vorstand Brauner im Gespräch mit dem Tagesspiegel nicht sagen. Nur so viel: „Betrachtet man die Minuten-Entwicklung bei unseren Kunden, sehen wir im Moment keine Veränderung.“ Auch mit wie vielen Konkurrenten langfristig zu rechnen sei, könne er nicht prognostizieren. Das hänge von den weiteren Entscheidungen der Regulierungsbehörde ab. Da befürchtet die Telekom, dass die Regulierungsbehörde selbst die gerade beschlossenen Gebühren für die Durchleitung von Ortsgesprächen bald senken könnte. Darauf deute die kurze Laufzeit der Entscheidung, die lediglich bis zum 30. November gilt.

Die Telekom werde aber „sicher klarer Marktführer im Ortsnetz bleiben, auch wenn wir logischerweise Anteile aufgeben müssen“. Bei Ferngesprächen hat die Telekom einen Marktanteil von 60 Prozent, im Ortsnetz von rund 95 Prozent. Im Gegensatz zu Ferngesprächen, wo die Telekom mit Preissenkungen auf die Konkurrenz reagierte, sind im Ortsnetz keine Preissenkungen geplant. „Wir werden mit Produktvarianten nachsteuern – nicht unbedingt mit Preisen“, sagte Brauner. „Wir wollen auf unterschiedliche Wettbewerbssituationen unterschiedlich reagieren.“ In einigen Orten hat die Deutsche Telekom bereits starke Konkurrenz durch lokale Anbieter. Auf der anderen Seite ist das Unternehmen gerade dabei, den Angebotsdschungel im eigenen Hause zu lichten. „Ich gebe zu, dass auch ich in der Vergangenheit nicht alle Preise verstanden habe“, sagt Brauner.

Das Festnetz ist die Hauptertragssäule der Telekom mit einem Umsatz von 30,2 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Ende 2002 gelang es der Telekom den Umsatzrückgang im Festnetz zu stabilisieren. Zur Frage, ob die Telekom diesen positiven Trend fortsetzen kann, sagte Brauner: „Im ersten Quartal 2003 wird es keine negativen Überraschungen geben.“ Die Zahlen für das erste Quartal will die Telekom am 15. Mai veröffentlichen.

Ärger droht der Deutschen Telekom aus Brüssel. EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti will voraussichtlich im Juni eine Kartellstrafe in Millionenhöhe gegen die Telekom verhängen. Nach Ansicht der Kommission verhindert der Konzern durch überhöhte Nutzungspreise im Ortsnetz einen effektiven Wettbewerb. Dass eine solche Diskussion über Deutschland geführt werde, sei unverständlich, sagte Brauner, da sich in anderen Ländern wie Italien oder Frankreich bei den Telefonanschlüssen viel weniger getan habe.

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