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Wirtschaft: Telekommunik@tion: Eine technische Wunderwelt

Als es noch eine Wählscheibe gab, konnte man den Aufbau einer Verbindung akustisch miterleben. Das Impulswahlverfahren und die elektromechanischen Hebdrehwähler sorgten dafür, dass es im Hörer ratterte und knatterte, bis sich am anderen Ende jemand meldete.

Als es noch eine Wählscheibe gab, konnte man den Aufbau einer Verbindung akustisch miterleben. Das Impulswahlverfahren und die elektromechanischen Hebdrehwähler sorgten dafür, dass es im Hörer ratterte und knatterte, bis sich am anderen Ende jemand meldete. Heute flöten die Telefone durch die Mehrfrequenzwahl ebenso wie Faxgeräte, Modems oder Anrufbeantworter nur noch leise vor sich hin.

Doch längst sind Telefone nicht mehr nur zum Telefonieren da. Der integrierte Anrufbeantworter etwa gehört schon wie selbstverständlich zu modernen Geräten dazu. Manche Anrufer legen auf, wenn sich so ein quasselnder Automat meldet, doch der Angerufene kann heute trotzdem erfahren, wer ihn erreichen wollte. Zwei Dinge sind dazu erforderlich - eine für vier Mark monatlich zu aktivierende T-NetBox und die freigeschaltete Rufnummernübermittlung. So wird zusätzlicher Telefonverkehr erzeugt.

Transparenz durch neue Technik

Interessant sind auch Anrufweiterschaltung und Rufnummernanzeige. Kommt ein Gespräch an, erfährt man gleich, wer anruft. Vorausgesetzt, der Anrufer - oder die Anruferin - hat sich hierfür freischalten lassen. Dann sieht der oder die Angerufene die Nummer des Anrufers, und die Technik erkennt daraus den Namen. Bislang war diese Funktion ein bei Bedarf zu unterdrückendes "Leistungsmerkmal" im ISDN-Netz, doch seit Anfang 1998 gibt es sie auch im T-Net, dem klassischen und ehemals analogen Fernsprechnetz.

Wer mag, kann sich auch allmonatlich eine Einzelverbindungsübersicht zuschicken lassen. Dann wird jede Verbindung - auf Wunsch eben bis zur letzten Ziffer - mit Datum, Uhrzeit, Gesprächsdauer, Tarif und Kosten aufgelistet. Kostenlos. Anders sieht es bei den Mehrwertdiensten aus, etwa bei den Servicerufnummern 0130 oder 0800, die derzeit bereits von mehr als 105 000 Unternehmen genutzt werden. Das positive Image solcher - für die Anrufer - kostenlosen Servicerufnummern wird auch auf das Image des Unternehmens übertragen. Nicht so bei den 0180er oder den 0190er Nummern, wobei die sogenannte Premium Rate mit bis zu 3,63 Mark pro Minute recht heftig zu Buche schlägt. Billiger wird sie wohl auch nicht, wenn ab Herbst die Umstellung auf 0900 erfolgt.

Bei den sogenannten Vanity-Nummern - man kann das übersetzen mit "Eitelkeit" oder "Merkbarkeit", ganz nach Gusto - werden acht Buchstaben des Namens in einen internationalen Zahlencode gewandelt. Das sind die drei oder vier Buchstaben unter den Ziffern 2 bis 9 moderner Telefone. Dann braucht man für die Zentrale des jeweiligen Unternehmens oder einer Behörde beispielsweise nur noch 0800 und Chemnitz zu tippen.

Über das ISDN-Netz werden die Telekommunikationsdienste wie Telefon, Fax und Daten digital übertragen. Dazu sind keine besonderen Leitungen nötig, denn die vorhandenen Kupferadern reichen vollkommen. Die Umrüstung in der Wohnung darf man auch alleine machen - Selbstmontage heißt das und wäre vor Jahren noch so etwas wie ein Vergehen gewesen. Während eines Telefongesprächs kann man gleichzeitig ein Fax senden oder im Internet surfen. Anklopfen und Rückruf bei Besetzt-Zeichen, Anzeige der Rufnummer des Anrufers und ein Internet-Zugang ("by Call") über T-Online sind die wichtigsten Merkmale.

Möglichkeiten en masse

Es gibt auch Telefone, die sich die letzten 30 nicht angenommenen Anrufe merken - und dann später abarbeiten. Mehrfachrufnummern, einstellbare Tonrufmelodie, optische und akustische Rufnummernzuordnung, Telefonbuchfunktion, Anrufschutz, Freisprechen, Kostenanzeige und Fangschaltung - die Liste ließe sich noch ellenlang fortsetzen und auch auf eine Vielzahl von schnurlosen Telefonen ausdehnen. Die haben mittlerweile nicht nur bessere Akkus, sondern können auch zu mobilen Telekommunikations-Anlagen zusammengestellt werden.

Allerdings - das Superuniversalgerät gibt es nicht. Dabei strotzt nicht nur die ISDN-Technik vor Möglichkeiten. Auch das T-Net ist vielfältiger geworden, als die meisten seiner Nutzer ahnen. So ist dort seit einigen Jahren Anklopfen möglich, wobei man ein zweites Gespräch annehmen kann, ohne das erste beenden zu müssen. Selbst Dreierkonferenz, Rückfragen, Makeln und Rückruf bei Besetzt-Zeichen bietet die Telekom außerhalb von ISDN. Ist die Anschluss-Sperre aktiviert, lassen sich Auslands- oder 0190-Nummern nicht mehr anrufen. Und bei Rufnummernsperre können bis zu fünf Rufnummern oder Gruppen nicht mehr angewählt werden.

Bei Kleinkindern oder für pflegebedürftige Personen empfiehlt sich die Option "Verbindung ohne Wahl": Wird der Hörer fünf Sekunden abgehoben, kommt es automatisch zur Verbindung mit einer vorher gespeicherten Nummer. Für viele dieser T-Net-Leistungen muss man extra zahlen. Allein die veränderbaren Rufnummern- oder Anschluss-Sperren kosten monatlich jeweils über sieben Mark extra. Nur die Übermittlung von Zählimpulsen ist für eine Mark zu haben. Dafür funktioniert diese auch nur im Netz der Deutschen Telekom.

Dort hat sich inzwischen der Tarifdschungel etwas gelichtet. Wer monatlich einen höheren Grundpreis zahlt, wird mit billigeren Verbindungskosten belohnt. Ob sich das rechnet, sei dahingestellt, denn private Anbieter sind oftmals trotz allem noch billiger. Und selbst Ferngespräche - heute heißen die etwas großspurig "Deutschland" - sind bei den Wettbewerbern nicht selten günstiger als Ortsgespräche bei der Deutschen Telekom. Vorerst wird sich das kaum ändern, denn sie passt höllisch auf, dass ihr keiner an die letzte Meile geht. Die letzte Meile ist das Stück Leitung von der Vermittlungsstelle bis in die Wohnung. Allein für die Übernahme dieser beiden Kupferadern kassiert die Telekom von der Konkurrenz einmalig 191 DM und bis zum 31. März 2001 monatlich 25,40 Mark als Mietpreis. Der liegt damit genau 1,02 Mark über dem, was der Ex-Monopolist an monatlichem Grundpreis fordert.

97 Prozent Marktanteil

Kein Wunder, dass die neuen Telekommunikationsanbieter nicht nur sauer, sondern auch reichlich desillusioniert sind und längst keine so spritzigen Angebote hinlegen können, wie sie es gerne täten. Denn die Anschlussleitungen sind längst noch kein Geschäft. Daher wundert es kaum, dass bundesweit nur etwa 500 000 Teilnehmer ihren Anschluss komplett von einem Wettbewerber betreiben lassen. Von diesen nutzen 85 Prozent ISDN-Technik. Nach einer Untersuchung des Verbandes der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) besitzt die Telekom im Ortsnetz noch immer einen Marktanteil von rund 97 Prozent. Und das zweieinhalb Jahre, nachdem das wohl "größte Liberalisierungsvorhaben in der Geschichte der Europäischen Union vollendet" wurde, als nämlich das Telefonmonopol fiel, "das letzte und wirtschaftlich wichtigste Monopol in der Telekommunikation", so Joachim Dreyer, Präsident des Verbandes.

Die Deutsche Telekom meldete am 31. März dieses Jahres 33,9 Millionen analoge Standardanschlüsse und 14,3 Millionen ISDN-Kanäle. Hiervon entfallen wiederum 6,3 Millionen auf Privat- und acht Millionen auf Geschäftskunden. Nun hat jeder ISDN-Teilnehmeranschluss gleich zwei Nutzkanäle, also könnte man grob von derzeit drei Millionen privaten ISDN-Nutzern ausgehen, auch wenn die Telekom eine derartige Zahl nicht bestätigen mag. Während sich im Ortsnetz der Ex-Monopolist die Konkurrenz bislang recht gut vom Hals halten konnte, entfallen immerhin 35 bis 40 Prozent des Fernbereichs auf die Wettbewerber, die das Tempo immer weiter verschärfen. Jedenfalls profitierten die Verbraucher insbesondere von einer bis zu 85prozentigen Senkung der Preise im Fernnetzbereich.

Wichtiger Wirtschaftsfaktor

Die Bundesbürger telefonieren laut VATM täglich 650 Millionen Minuten. Durchschnittlich sind das pro Bundesbürger und Tag knapp acht Minuten. Anders ausgedrückt - an jedem Tag werden 1236 Jahre verredet. Auf die Wettbewerber entfallen davon immerhin 130 Millionen Minuten - eine Menge, die der Telekom zu denken gibt. Der Gesamtumsatz im Festnetz fiel von 45,78 Milliarden Mark 1998 auf 40,5 Milliarden 1999. Pro Telefonkanal und Monat bedeutet das einen Rückgang von 83 auf 71 Mark, und das bei einer deutlichen Vermehrung der monatlichen Gesprächsminuten - von 360 im Jahr 1998 auf 390 im Jahr 1999, wie die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) ermittelt hat. Deckungsgleich sind die Zahlen nicht, aber sie beschreiben eine Tendenz.

Volkswirtschaftlich spielt der Telekommunikationsmarkt eine enorm wichtige Rolle. Für 1999 wurde laut RegTP ein Gesamtumsatz von 96 Milliarden Mark ermittelt - für dieses Jahr liegen die Schätzungen zwischen 100 und 120 Milliarden, und zwar für Infrastruktur, Endgeräte und Dienste. Die Zahl der Erwerbstätigen in der Telekommunikation stieg 1999 um sieben Prozent auf 237000. Davon entfallen 50000 auf die Wettbewerber der Telekom. Allein im Mobilfunk rechnet die RegTP für dieses Jahr mit 30000 Arbeitsplätzen. Und dieser Bereich boomt derzeit wohl am heftigsten.

Monat für Monat kommen etwa zwei Millionen Nutzer hinzu, auch wenn sich viele den mobilen Funkkomfort gar nicht leisten können oder wollen. So sollen bereits 1,5 Millionen Handybesitzer ihre Rechnungen nicht zahlen. Insgesamt gibt es jetzt 33,2 Millionen Nutzer. Spitzenreiter ist das D2-Netz von Mannesmann mit 13,5 Millionen, gefolgt von T-Mobil (D1) mit 13 Millionen. 4,9 Millionen funken über E-plus (E1) und 1,7 Millionen sind bei Viag Interkom (E2) eingebucht. Das analoge C-Netz der Telekom versorgt noch 100000 Kunden.

Die Weiterentwicklungen heißen WAP (Wireless Application Protocol), GPRS (General Packet Radio Service), HSCSD (High Speed Circuit Switched Data) und UMTS (Universal Mobile Telecommunications-System). UMTS wird das schnelle Internet auch ins Handy bringen. Übers Telefonkabel wäre es schon lange möglich, aber die Telekom hat hier eine Hürde aufgebaut - erst muss ein ISDN-Anschluss her, dann kann über T-ISDN dsl gesprochen werden. Die drei Buchstaben stehen für Digital Subscriber Line, einen High-Speed-Zugang fürs Internet, der auf der herkömmlichen Kupferleitung basiert. Nutzer sind ständig für einen festen monatlichen Betrag (Flat Rate) mit dem Internet verbunden ("always on", im Gegensatz zu "dial in").

Dsl soll in der genutzten Version 13mal schneller als über Modem-Betrieb sein. Weltweit wird diese Technik fast nur über analoge Anschlussleitungen angeboten, doch die Telekom will das nicht akzeptieren, lässt nur für Deutschland Geräte modifizieren und weitere Hürden errichten. Als Ende Juni in Berlin der wichtigste internationale Kongress zu diesem Thema stattfand, war der anvisierte Telekom-Sprecher erst gar nicht erschienen.

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