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Aufgefahren. Der Protest gegen die Tesla-Ansiedlung hält an. Auch am Wochenende gingen in Grünheide wieder Demonstranten auf die Straße.

© imago images/Christian Ditsch

372.000 Liter pro Stunde: Wofür braucht Teslas Gigafactory in Grünheide so viel Wasser?

In Teslas „Gigafactory“ in Grünheide sollen 372.000 Liter pro Stunde verbraucht werden. Das sorgt für Unruhe in der Region. Andere Autobauer sind sparsamer.

Unweit des „lieblichsten Tals der Mark“, wie Theodor Fontane das Löcknitztal nannte, sollen bald die Bagger rollen. Das knapp 500 Hektar große Naturschutzgebiet grenzt an jene Fläche, auf der Tesla seine Elektroautofabrik errichten will. Die Gegend ist wasserreich, das Tal, dem das Flüsschen Löcknitz den Namen gibt, wird eingefasst von mehreren Seen im Norden und der Müggel-Spree im Süden.

Auch rund zwei Drittel des Tesla-Areals liegen in einem Wasserschutzgebiet. In der Schutzzone 3B muss der US-Autobauer besondere Auflagen beachten. Dabei steht Tesla unter besonderer Beobachtung, denn die Autofabrik wird Wasser brauchen – viel Wasser.

Mit 372.000 Liter in der Stunde gibt Tesla in seinen Antragsunterlagen den Verbrauch an. Eine gewaltige Zahl, die Naturschützer und Anwohner fürchten lässt, die Autofabrik könnte nicht nur Flora und Fauna das Wasser abgraben, sondern auch die Trinkwasserreserven der Region angreifen. Am Samstag gingen erneut 120 Gegner des Tesla-Werks in Grünheide auf die Straße.

Tesla braucht 18,2 Millionen Kubikmeter Wasser im Jahr

Nach Angaben des Wasserverbands Strausberg-Erkner (WSE) entsprechen 372 Kubikmeter Wasser pro Stunde dem Pro-Kopf-Jahresbedarf von 71.500 Menschen. Hochgerechnet auf das Jahr 2021, wenn die Tesla-Fabrik die Produktion aufnehmen soll, müssten laut WSE pro Jahr 18,2 Millionen Kubikmeter Wasser gefördert werden. Erlaubt sind aktuell 10,9 Millionen.

Weil Tesla schnell sein will und die Zeit drängt, macht nun auch der WSE politisch Druck. Es müssten zusätzliche Fördermengen genehmigt werden, so heißt es, und in den Ausbau des Wasserwerks und der Abwasserleitungen investiert werden. Andernfalls werde das Wasser womöglich tatsächlich knapp, wenn Tesla produziert.

Wofür aber braucht Tesla überhaupt so viel Wasser? In seinem 246-seitigen Bericht über die voraussichtlichen Umweltauswirkungen (UVP-Bericht) der Autoproduktion gibt das Unternehmen an, Wasser werde für verschiedene Prozesse benötigt: in der Gießerei, der Lackiererei, der Batteriefertigung, der Endmontage, für die Kühltürme sowie für die Sanitäranlagen und für Reinigungszwecke. Für mögliche Brandfälle gebe es zudem Bedarf an Löschwasser.

Elon Musk muss noch Überzeugungsarbeit leisten.
Elon Musk muss noch Überzeugungsarbeit leisten.

© REUTERS

Da kommt einiges zusammen. Angenommen, die „Gigafactory“ arbeitet nach der Inbetriebnahme bei voller Auslastung im Drei-Schicht-Betrieb rund um die Uhr an 250 Tagen im Jahr, ergibt sich ein Wasserbedarf von gut 2,2 Millionen Kubikmetern pro Jahr.

Zum Vergleich: Das VW-Werk in Zwickau, in dem künftig der elektrische ID.3 und weitere E-Modelle gebaut werden sollen, brauchte zuletzt bei gleicher Auslastung 350.000 Kubikmeter Wasser. Im BMW-Werk Leipzig, das unter anderem den elektrischen i3 produziert, wurden an etwas weniger Arbeitstagen (237) bis zu 250.000 Kubikmeter Wasser im Jahr eingesetzt. Nach dieser Rechnung würde Tesla also fast zehn Mal so viel Wasser verbrauchen wie der deutsche Wettbewerber BMW.

Klimawandel macht mehr Wasser nötig

Kaum besser schneidet das US-Unternehmen ab, wenn man den Bedarf pro Auto kalkuliert. Baut Tesla wie geplant pro Jahr 500.000 Model Y und Model 3 in der Grünheider Fabrik, würden nach den Plänen pro Fahrzeug 4,4 Kubikmeter Wasser eingesetzt. VW fertigt in Zwickau 300.000 Autos und kommt auf knapp 1,2 Kubikmeter pro Wagen. BMW verbraucht in Leipzig 1,1 Kubikmeter bei einer Jahresproduktion von 250.000 Fahrzeugen.

Wasser wird in allen Autofabriken zum Beispiel zur Kühlung von Maschinen oder Schweißrobotern eingesetzt. „Hier macht sich auch der Klimawandel bemerkbar“, sagt ein BMW-Sprecher. In den letzten heißen Sommern mit Extremtemperaturen war mehr Kühlung nötig, vor allem in Produktionsbereichen, in denen mit konstanter Luftfeuchtigkeit und Temperatur gearbeitet wird. Wasser wird auch verbraucht, wenn Prüfungen der Dichtheit in Beregnungsanlagen stattfinden. Vor der Auslieferung werden die Fahrzeuge zudem gewaschen und der Innenraum gereinigt.

„Drei Viertel des Wassers werden aber in der Lackiererei verbraucht“, sagt ein BMW-Sprecher. Gerade hier bemühen sich die Hersteller, mit neuen Verfahren den Ressourceneinsatz zu reduzieren. Beim Aufsprühen landet eine Menge Lack nicht auf der Karosserie („Overspray“). Die Partikel sinken stattdessen in Wasserrinnen, die unter der Anlage verlaufen. Der dort aufgefangene Lackschlamm wird abgeschieden und wiederverwendet.

Wasser als kritische Ressource

BMW setzt künftig statt Wasser Kartonagen ein, die die überschüssigen Lackpartikel auffangen. Von den 300 Millionen Euro, die der Hersteller in den Ausbau seines Leipziger Werks investiert hat, fließt ein Großteil in die Modernisierung der Lackiererei. Im Mai geht die neue Anlage in den Serienbetrieb.

Wasser ist eine kritische Ressource für Autobauer. Im „Global Water Report“ der Organisation CDP (früher Carbon Disclosure Project) geben Dreiviertel aller Unternehmen an, dass die Verfügbarkeit von Wasser ein substanzielles Risiko für die eigenen Aktivitäten beziehungsweise die der Zulieferer darstelle. Entsprechend sorgsam gehen Autohersteller mit Wasser um und dokumentieren dies in ihren Umwelt- und Nachhaltigkeitsberichten.

Elon Musk will "ein paar Dinge klären"

CDP verteilt dafür jedes Jahr Noten. Die Bestnote „A“ erhielten 2019 unter anderem Volkswagen, Ford, GM, Toyota, Nissan oder Hyundai. BMW kam auf ein „A-„. Mit einem „F“ bewertete CDP Daimler – und Tesla. Beide Autobauer hatten zu wenig Informationen über ihren Umgang mit Wasser veröffentlicht, um bewertet zu werden.

In der Brandenburger Landesregierung nimmt man die Bedenken der Bevölkerung, Tesla gehe verschwenderisch mit der Ressource um, durchaus ernst. „Tesla hat in seinem Antrag allerdings einen Maximalbedarf angegeben, um einen Puffer zu haben“, heißt es etwa beim Umweltministerium. „Der durchschnittliche Wasserverbrauch wird auf jeden Fall niedriger ausfallen.“

Auch Tesla-Chef Elon Musk versuchte, die Sorgen der Brandenburger zu zerstreuen. „Klingt so, als müssten wir ein paar Dinge klären“, twitterte er Ende Januar. Tesla werde nicht jeden Tag so viel Wasser verbrauchen. „Das ist möglicherweise ein seltener Fall einer Spitzennutzung, aber nichts, was jeden Tag vorkommt.“

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