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Im Minus. Die Dispozinsen sind meist nur Teil einer Gesamtkalkulation der Banken. Manche Banken bieten günstigere Dispozinsen, verlangen dafür mehr Geld für Karten oder die Kontonutzung selbst. Ein Bankwechsel wegen des Dispos sollte also überlegt und mit spitzem Stift durchgerechnet sein.

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Teure Überziehungskredite: Lieber umdisponieren

Die Zinsen sind niedrig, doch das Überziehen kostet immer noch viel Geld. Die Politik will das ändern. Und vergleichen lohnt sich.

Der gesellschaftliche Druck wirkt langsam: Die Dispozinsen bleiben insgesamt auf extrem hohem Niveau, sind jedoch in den vergangenen zwei Jahren stärker gefallen als das Zinsniveau insgesamt. Während der Leitzins seit April 2012 von einem auf 0,25 Prozent zurückging, sanken die Überziehungszinsen auf Girokonten im Schnitt von 11,17 um einen vollen Prozentpunkt auf jetzt 10,17 Prozent. Das belegen Erhebungen der FMH Finanzberatung in Frankfurt am Main. Jene Strafzinsen, die die meisten Banken verlangen, wenn der Kunde sein Konto noch über den erlaubten Rahmen hinaus weiter überzieht, fielen seit April 2012 im Schnitt von 15,61 auf jetzt 13,97 Prozent. Immer mehr Banken verzichten aber völlig auf die höheren Strafzinsen, zuletzt die Internetbank ING-Diba und die Sparda-Bank Baden-Württemberg.

Der Dispo ist ein teurer Kredit

Dennoch bleibe der Dispo „der teuerste Kredit, den eine Bank hat“, kritisiert die Stiftung Warentest. Der Dispo, „ursprünglich gedacht als nützliches Instrument, um übergangsweise finanzielle Engpässe zu finanzieren, ist zur Kostenfalle geworden“, sekundiert auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV). Dass das Dispo-Niveau insgesamt immer noch überhöht sei, liege vor allem daran, dass bei Leitzins-Erhöhungen in früheren Jahren rasch auch die Dispozinsen gestiegen, bei deutlichen Leitzinssenkungen aber nicht ebenso deutlich gefallen seien, erklärt Max Herbst, Zinsexperte der FMH-Finanzberatung.

Die Politik plant ein neues Gesetz

Die Politik will nun gegensteuern. Verbraucherminister Heiko Maas (SPD) plant ein neues Gesetz, das Banken zu einem Warnhinweis an ihre Kunden verpflichten soll, sobald sie ins Minus rutschen. Dies soll die Kunden für den hohen Preis sensibilisieren. Commerzbank- Chef Martin Blessing schlug in der „Bild“- Zeitung eine Grenze von zehn Minus-Tagen vor, nach denen ein automatischer Warnhinweis via SMS oder E-Mail erfolgen müsse. Niemand solle längere Zeit sein Konto überziehen dürfen, ein Gesetz gegen die dauerhafte Nutzung des Dispos sei erforderlich, verlangte Blessing. Es gebe günstigere Kredite.

Es gibt auch Alternativen

Der Bundesverband deutscher Banken jedoch gibt zu bedenken, dass „Banken und Sparkassen schon jetzt Kunden ansprechen, die sich für längere Zeit auffällig im Dispositionskredit befinden“. Berater sprächen mit solchen Kunden auch über Alternativen, sagt Verbandssprecherin Tanja Beller. Die Bundesregierung überlegt dennoch, die Banken gesetzlich zu verpflichten, den Kunden günstigere Umschuldungen anzubieten. In ihrem Programm zur Bundestagswahl war die SPD noch einen Schritt weitergegangen und hatte fixe Obergrenzen versprochen, um „angemessene Dispozinsen in Höhe von maximal acht Prozent über Basiszinssatz gesetzlich sicherzustellen“. Bei einem Leitzins von 0,25 Prozent wären derzeit dann 8,25 Prozent für die Kontoüberziehung das Maximum.

Ein Bankwechsel sollte gut durchgerechnet werden.

Kreditkonditionen
Kreditkonditionen

© Gitta Pieper-Meyer

Die Banken selbst legen häufig den sogenannten Euribor als Basiszinssatz zugrunde, also jenen Satz, zu dem sich Banken gegenseitig Geld leihen. Er liegt derzeit je nach Geltungsdauer zwischen 0,219 (eine Woche) und 0,6 Prozent (ein Jahr). Allerdings verlangt die Commerzbank selbst, an der der Staat mit 17 Prozent beteiligt ist, aktuell 11,9 Prozent von ihren Dispo-Kunden und wirbt mit „finanzieller Freiheit – unabhängig von Ihrem Kontostand“. Die geduldete Überziehung über den vereinbarten Rahmen hinaus kostet bei der Commerzbank sogar 17,4 Prozent.

Ist er Dispo überzogen, wird es noch teurer

Damit ist der Dispo bei dem Institut etwa zweieinhalb Mal teurer als bei den günstigsten Banken. So verlangt die PSD Berlin-Brandenburg für die gestattete und die geduldete Kontoüberziehung maximal 6,75 Prozent, die DAB Bank 7,5 Prozent und die ING-Diba 7,95 Prozent. Doch Vorsicht: Auch die Dispozinsen sind meist nur Teil einer Gesamtkalkulation der Banken. PSD-Banken sind nur für Kunden vor Ort zugänglich und bieten kaum Filialberatung, oft auch ebenso bescheidene Guthabenzinsen. Direktbanken wiederum haben kein Filialnetz, zudem ist für den Kunden der kostenfreie Zugang zu Bargeld mangels Geldautomaten erschwert. Manche Banken bieten günstigere Dispozinsen, verlangen dafür mehr für Karten oder die Kontonutzung selbst. Ein Bankwechsel wegen des Dispos sollte also überlegt und mit spitzem Stift durchgerechnet sein. Hinzu komme, mahnen Verbraucherschützer, dass Kunden mit ausgereiztem Dispo nicht von allen Banken erwünscht seien.

Abrufkredite sind eine Alternative

Was also tun? Als Alternative bieten sich neben strenger Kostendisziplin vor allem sogenannte Abrufkredite an, die jedoch nur wenige Banken anbieten. Dabei vereinbaren Bank und Kunde einen finanziellen Rahmen, der sehr flexibel ausgeschöpft und getilgt werden kann. Je nach Bank liegt dieser Rahmen zwischen 2500 und 50 000 Euro, hat ein Marktcheck der Stiftung Warentest im Februar bei 150 Kreditinstituten ergeben. Zurückgezahlt wird mit monatlichen Raten, die der Kunde selbst festlegen kann oder die etwa bei einem bis zwei Prozent der in Anspruch genommenen Summe pro Monat liegen. Testsieger wurde der Abrufkredit der ING-Diba. Die Bank gewährt ihn nach Prüfung der Bonität und verlangt effektiv 6,43 Prozent, unabhängig vom Bonitätsgrad des Kunden. Die VW Bank verlangt 7,4, die Deutsche Bank 11,75 Prozent, bei guter Bonität kann der Satz auch niedriger sein. Oft gilt: Persönliches Verhandeln kann sich lohnen, denn die Margen für die Banken sind gut. Der Nachteil: Die Flexibilität von Abrufkrediten gilt auch für den Zins, der nicht fest ist und der Marktentwicklung angepasst werden kann.

Eine Umschuldung ist nicht immer möglich.

Eine Umschuldung in einen echten Ratenkredit mit fixer Laufzeit, fixer monatlicher Zinszahlung und Tilgung ist dagegen gerade für Kunden mit hoch und notorisch überzogenem Konto nicht immer möglich. Schuldnerberatungsstellen hatten laut VZBV schon 2011 berichtet, dass etwa 70 Prozent der Wechselwünsche von den Banken abgelehnt worden seien. Sei die Umschuldung in einen Ratenkredit bewilligt worden, so „standen die Kunden in sieben von zehn Fällen am Ende schlechter da“. Eine einfache Beispielrechnung belegt dies: Ein Kunde mit einem Nettoeinkommen von 2000 Euro hat sein Limit von 5000 Euro ausgereizt und zahlt dafür einen Dispozins von beispielsweise 10,5 Prozent, das sind 525 Euro im Jahr oder 43,75 Euro pro Monat. Schuldet er auf einen sehr günstigen Ratenkredit um, den er nicht nur bedienen, sondern auch meist binnen 60 Monaten tilgen muss, fallen pro Monat bei einem Zins von 4,44 Prozent bereits 92,87 Euro an. „Ein notorischer Schuldner wäre noch weniger in der Lage, einen Ratenkredit zu bedienen als einen Dispokredit“, gibt Zinsexperte Herbst zu bedenken. Sinnvoller sei es, die Ausgaben zu reduzieren und ein Institut mit günstigeren Dispo-Konditionen zu suchen.

Es gibt bonitätsunabhängige Kredite

Wer Sparpotenzial hat und dennoch einen Ratenkredit abschließen möchte, ist bei Anbietern am besten aufgehoben, die bonitätsunabhängige Sätze gewähren. Sie funktionieren nach der Alles-oder- nichts-Regel: Der Kunde erhält den Kredit – oder er erhält ihn nicht. Bei einem „Ja“ der Bank ist der Zinssatz bonitätsunabhängig stets gleich. Bonitätsunabhängige Zinsen bieten etwa die PSD Berlin, 1822 direkt, die DKB oder die Netbank.

Echte Erleichterung ist für die Dispo- Kunden in Zukunft dennoch nicht zu erwarten. Denn die Leitzinsen sind im Keller und haben viel Potenzial nach oben. Die Euribor-Sätze steigen bereits seit November wieder an.

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