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Wirtschaft: Teures Öl bedroht den Aufschwung

Experten rechnen mit weiter steigenden Notierungen/Benzinnachfrage aus den USA treibt die Preise in Europa

Berlin (fo/höl/mot). Die weltweiten Ölpreise haben ein neues Rekordniveau erreicht. In New York werden fast 40 Dollar pro Barrel (159 Liter) gezahlt, OpecÖl kostet knapp 35 Dollar. Branchenexperten rechnen damit, dass die Preise weiter steigen werden. Zur bevorstehenden Feriensaison dürften daher Benzin und Super so teuer wie noch nie sein. Blieben die Preise auf dem aktuellen Niveau, wäre auch der ohnehin schwache Aufschwung in Gefahr.

Für die Preisexplosion der vergangenen Tage werden die wachsenden Terrorrisiken in Nahost und die ungewöhnlich starke Nachfrage aus den USA nach Fertigprodukten wie unverbleitem Benzin verantwortlich gemacht. „Tatsächlich knapp ist Öl dagegen zurzeit nicht“, sagte der Rohstoffexperte des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs (HWWA), Klaus Matthies. Doch die „Zuspitzung der politischen Lage im Irak und jetzt auch in Saudi-Arabien“ treibe die Spekulationen an den Börsen. Hinzu kommt: Die Vorräte der Raffinerieen sind wegen der jetzt schon hohen Preise minimal. Der Bedarf wird kurzfristig gedeckt. Öl kostet zurzeit so viel wie Anfang der 90er Jahre.

Bliebe der Rohstoff so teuer wie in diesen Tagen, müssten möglicherweise auch die Wachstumsprognosen für 2004 revidiert werden. „Der Ölpreis ist ein Problem“, räumte Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement am Mittwoch ein. Er gehe aber noch nicht davon aus, „dass die boomende Weltwirtschaft dadurch behindert wird“. Es sei allerdings wichtig, dass eine ausreichende Rohstoffversorgung garantiert sei. Der neue Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF), Rodrigo Rato, fürchtet indes, dass beim derzeitigen Niveau der Ölpreise das weltweite Wachstum um 0,3 Prozent niedriger ausfalle als erwartet.

„Steigt der Rohölpreis dauerhaft um zehn Dollar, reduziert sich das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um ein Fünftel“, sagte Klaus-Jürgen Gern vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). In ihrem Frühjahrsgutachten rechnen die Wirtschaftsforschungsinstitute noch mit einem Ölpreis von 30 Dollar und einem BIP-Wachstum in Deutschland von 1,5 Prozent. „Wenn das Öl weiter 35 Dollar kostet, müssen wir die Prognose auf 1,4 Prozent senken“, sagte Gern. Von einer Entspannung der Preise geht er – auch mit Blick auf die Wechselkursentwicklung – nicht aus. „Wir sind an der Untergrenze der Belastungen für den Aufschwung“, glaubt der IfW-Experte.

Auch HWWA-Forscher Matthies ist davon überzeugt, dass die Benzinpreise in den kommenden Wochen weiter kräftig steigen werden. Sein Argument: Wenn Ende Mai in den USA die Reisesaison beginnt, wird die Nachfrage aus den Vereinigten Staaten nach Kraftstoff aus Europa anziehen. Auch der Mineralölwirtschaftsverband glaubt, „dass die Angst vor Versorgungsengpässen in den USA Nachfrage und Spekulation anheizen werden“, wie Sprecherin Barbara Meyer-Bukow sagte. Die US-Raffinerien haben in den vergangenen Jahren zu wenig investiert, um das von immer mehr Bundesstaaten geforderte bleifreie Benzin produzieren zu können. Deshalb kaufen die Amerikaner in Europa ein. Das wiederum treibt auch hier die Preise. In Deutschland kostete ein Liter Super Plus zum Wochenbeginn bis zu 1,30 Euro. Inzwischen ist der Preis wieder ein wenig gebröckelt. Am Mittwoch lag der Preis für die Sorte bei Aral bei 1,24 Euro.

Die hohen Kraftstoffpreise haben unterdessen eine neue Debatte um Energiesteuern entfacht. Denn fast drei Viertel des Endpreises an der Zapfsäule sind Steuern (Mineralöl-, Mehrwehrt- und Ökosteuer). Ohne diese Belastungen würde beispielsweise ein Liter Super Plus bei Aral nur 41 Cent kosten. Die Bundesregierung sieht aber keinen Handlungsbedarf. Forderungen der Autoindustrie, von der Opposition und von Verbänden nach Senkung der Steuern wurden von der rot-grünen Koalition am Mittwoch zurückgewiesen. Es gebe keinen Grund für gesetzgeberische Maßnahmen bei Benzinpreisen, „erst recht nicht bei der Ökosteuer“, hieß es im Finanzministerium. Die Ökosteuer sei erst vor kurzem durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt worden. „Es gibt keinen Handlungsbedarf.“ Der SPD zufolge kann Steuerpolitik nicht vom aktuellen Marktpreis abhängig gemacht werden.

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