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Christian Bale als Michael Burry in einer Szene aus dem Film «The Big Short».

© Jaap Buitendijk/Paramount Pictures/Regency Enterprises/dpa

"The Big Short": Die reale Story hinter dem Film: Wie Trader die Wall Street besiegten

Hinter dem Film „The Big Short“ verbergen sich reale Trader – was sie taten, was aus ihnen wurde, was man von ihnen lernen kann. Lesen Sie hier die Geschichte hinter dem Film.

Von Andreas Oswald

Michael Burry schlägt im Takt mit seinen Schlagzeugsticks auf seinen Schreibtisch, vor ihm am Bildschirm rollen lange Zahlenreihen. In sich versunken, mit Rockmusik im Ohr, gibt sich Burry einer Eingebung hin, die ihn nicht mehr loslässt. Dieser Mann, in seinem verschwitzten T-Shirt, ist 2005 offenbar der erste Mensch auf der Erde, der die drohende Katastrophe erkennt: Investmentbanken und die Hypothekenindustrie sitzen auf einem großen Haufen fauler Hypothekenanleihen, die zu einer gigantischen Finanzkrise führen werden. 2008 geht die Lehman-Bank daran zugrunde. Zu sehen ist das derzeit im Kino.

„The Big Short“ beschreibt, wie Michael Burry und einige weitere hellsichtige Trader in den Jahren 2005 bis 2008 gegen die Wall-Street-Banken spekulierten – und gewannen. Der Film beruht auf dem gleichnamigen Buch von Michael Lewis, der mit den Protagonisten geredet und die Einzelheiten recherchiert hat.

Warum haben sich diese Trader getraut, gegen die Wall Street zu spekulieren? Warum haben sie gewonnen? Was ist aus ihnen geworden?

Michael Burry, gespielt von Christian Bale, trägt wochenlang dieselbe Schlabberhose. Er ist Hedgefonds-Manager, dem Investoren Geld in Milliardenhöhe anvertraut haben, ansehen tut man ihm das nicht. Im Gegenteil. Lewis beschreibt den Fondsmanager als Kauz, der unter dem Asperger-Syndrom leidet und sich kaum mit Menschen unterhalten kann, ohne sie vor den Kopf zu stoßen.

Diese Männer haben das Platzen der Immobilienblase und die Finanzkrise vorhergesehen

Dieser Mann beschließt, mit dem Kapital seines Fonds gegen die Wall Street zu spekulieren. Die Wall-Street-Banken verpacken nämlich Schrotthypotheken zu Anleihen und lassen sie von den willfährigen US-Ratingagenturen als Papiere mit höchster AAA-Bonität versehen. Burry fällt das auf. Sein Plan: Er lässt die Wall-Street-Banken, gegen die er wetten will, Kreditausfallversicherungen kreieren, die er von ihnen kauft. Im Falle eines Ausfalls müssen die Banken bluten und Geld an ihn zahlen. Die Banken, die selber nicht wissen, welche Risiken sie mit ihren eigenen Schrottanleihen eingegangen sind, geben ihm diese Ausfallversicherung gerne und billig. CDS, Credit Default Swaps, heißen diese Kreditausfallversicherungen.

Steve Eisman platzt fast vor Wut. Gerade hat eine Analystin der Ratingagentur Moody’s zugegeben, dass die Ratingagenturen nahezu blind minderwertige Hypothekenanleihen mit der Bestnote versehen. Eisman, cholerischer Polterer, war früher ein konservativer Reagan-Verehrer. Ausgerechnet als Chef eines Hedgefonds mutiert er zu einem Linken. Die Investmentbanken der Wall Street sind aus seiner Sicht Betrüger, die nichts anderes im Sinn haben, als die amerikanische Mittelschicht auszuplündern.

Brad Pit (l) als Ben Rickert und Finn Wittrock als Jamie Shipley im Film "The Big Short". Die wahren Trader hinter dem Film hießen Ben Hockett und Charley Ledley.
Brad Pit (l) als Ben Rickert und Finn Wittrock als Jamie Shipley im Film "The Big Short". Die wahren Trader hinter dem Film hießen Ben Hockett und Charley Ledley.

© dpa

Steve Eisman greift zu, als ein windiger Händler der Deutschen Bank, Greg Lippman, gespielt von Ryan Gosling, auftaucht. Dieser abgezockte Zyniker hat die Idee von Michael Burry abgeschaut und verkauft nun an Eisman und andere ebendiese Kreditausfallversicherungen, obwohl sie eine Wette gegen seine eigene Bank sind – die Deutsche Bank, eine Meisterin im Verschnüren von wertlosen Ramsch-Hypotheken.

Und dann ist da noch eine dritte Gruppe. Charlie Ledley und Jamie Mai, zwei junge Nerds, die aus einer Garage heraus einen Hedgefonds gründen. Zu ihnen gesellt sich ein Ex-Trader, gespielt von Brad Pitt, ein Aussteiger, der lieber Gemüse zieht, als im Big Business mitzumischen.

Wetten gegen die Wall Street? Das hat damals funktioniert. Die Querdenker, die Außenseiter haben sich gegen die herrschende Meinung gestellt und die Finanzkrise vorhergesehen. Acht Millionen Menschen in den USA verloren damals ihre Arbeit, Millionen mussten ihre Heime verlassen. Weltweit gerieten Banken in die Krise, auch in Deutschland. Die Deutsche Bank schlingert bis heute.

Stehen wir heute wieder vor einem Kollaps wie zu Zeiten der Finanzkrise? Die Börsen stürzen ab, China wankt, in Italien mussten vor Weihnachten vier Banken gerettet werden. Timo Wollmershäuser vom Ifo-Institut in München äußert sich vorsichtig. "China erlebt einen Rückgang des Wachstums. So ein Wandel kann mit einer Krise einhergehen, muss aber nicht. China stürzt nicht ab. Andererseits hängen wir von der Weltkonjunktur ab, die derzeit ohne viel Schwung verläuft. Eine weitere Abschwächung kann man als Risiko sehen."

Zusätzliche Regulierungen haben dazu geführt, dass das Bankensystem heute sicherer ist als 2008. Die Institute müssen deutlich mehr Eigenkapital als Sicherheit vorhalten, in vielen Bereichen wurden ihnen Fesseln angelegt.

Und was ist aus den Tradern von damals geworden? Michael Burry schloss seinen Hedgefonds, nachdem er seinen Investoren einen sagenhaften Profit von 418 Prozent innerhalb von acht Jahren beschert hatte. Er selber soll mit der Wette gegen die Wall Street etwa 100 Millionen verdient haben. Ein paar Jahre lang arbeitete er nur noch für sich selber, bevor er 2013 einen neuen Hedgefonds gründete, Scion Asset Management, ein ganz ähnlicher Name wie der seines ersten Fonds.

Die Investoren, die er sorgfältig auswählt, müssen mit einer hohen Summe einsteigen, deren Höhe er nicht nennt. Die Projekte, die er damit finanziert, scheinen groß zu sein. So verriet er, dass er in Wasser investiert, weil es in Zukunft für die Menschheit kein Recht auf Wasser mehr geben wird, wie er vermutet.

Michael Burry: Bürger sollen keine Schulden machen und sich nicht von Banken und Firmen verführen lassen

Aber er kauft nicht Wasserrechte, wie das andere Investoren tun, er hebelt, indem er auf landwirtschaftliche Projekte in wasserreichen Gebieten setzt. Es ist sinnvoller, so verriet er dem "New York Magazine", eine Flasche Wein zu exportieren, als eine Flasche Wasser, weil die Produktion einer Flasche Wein 400 Flaschen Wasser benötigt.

Von der Zukunft erwartet der notorische Pessimist nichts Gutes. Die schärfere Regulierung der Finanzindustrie hält er in dem Interview mit dem "New York Magazine" für überhaupt nicht ausreichend. Er bezeichnet es als Skandal, dass die Banker der Wall Street, die neben den unfähigen Regulierern schuld an der Finanzkrise sind, nicht nur ohne Strafe davongekommen, sondern samt und sonders reich geworden sind.

Er sieht eine neue Krise heraufkommen, unter anderem durch das billige Geld der Notenbanken und die enormen Schulden, die bei Bürgern, in Firmen und in Staaten aufgehäuft werden. Die Notenbanken vergrößerten die soziale Ungleichheit und schaffen negative Zinsen.

Aber Michael Burry hat auch eine Botschaft. Er fordert die Bürger auf, Verantwortung für ihre Finanzen zu übernehmen und nicht zu glauben, wenn ihnen eine Bank oder ein Unternehmen sagt, etwas sei kostenlos. Das sei verführerisch, "aber das ist der Teufel, der deine Seele will".

Rechthaber haben es an der Börse schwer

Steve Eisman, der im Film Mark Baum heißt, wurde nach seinem Sieg über die Wall Street zumindest vorübergehend ein angenehmer Mensch. Jedenfalls sagte das seine Frau. Aber irgendwie konnte er das Quertreiben nicht lassen. Er verließ zunächst den Hedgefonds FrontPoint Partners nach einem internen Skandal, an dem er selber keinen Anteil hatte. Er startete eine Kampagne gegen profitorientierte Colleges. In seinem moralischen Kreuzzug verglich er die Branche mit der "sozial destruktiven und moralisch bankrotten" Subprime-Hypothekenindustrie.

Er sagte vor einem Senatsausschuss gegen die Branche aus und wettete an der Börse auf einen Niedergang ihrer Aktien. Das brachte ihm Kritik progressiver Organisationen ein, weil er finanziell profitieren würde, wenn seine Kampagne Erfolg haben sollte. Das ist ein gewichtiges Argument. Eines muss man Eisman aber lassen. Er hat nicht nur seine Meinung geäußert, wie viele das tun, ohne ein Risiko einzugehen. Er hat mit seinem Geld auf seine Meinung gewettet. Er war zwar ein Eiferer, aber kein feiger Eiferer.

Am 4. Mai 2015 beantragten das Unternehmen Corithian Colleges und 24 Tochterunternehmen die Insolvenz vor dem Konkursgericht.

Rechthaben wollen kann für Anleger aber zu hohen Verlusten führen, wenn ihre Position immer weiter ins Minus rutscht und sie nicht aufhören rechthaben zu wollen. Eisman hatte vor seinem Kreuzzug gegen Profit-Colleges einen eigenen Hedgefonds gegründet und scheiterte. Anstatt zuzugeben, dass er diesmal mit seinen Wetten nicht Recht hatte, begründete er das fast ideologisch damit, dass es heutzutage nicht mehr länger möglich sei, Unternehmen nach fundamentalen Kriterien zu bewerten und darauf eine Investment-Philosophie aufzubauen. Was für eine Ausrede.

Charlie Ledley wechselte nach Angaben der Webseite "bustle.com" zu Highfield Capital Management. Das ist ein Fonds, der Value-orientiert ist, also nach unterbewerteten Aktien sucht. Jamie Mai blieb bei Cornwall Capital und ist der Präsident. Mai erklärte "bustle.com", sie beide seien empört gewesen, dass niemand auf sie hören wollte, als sie überall erklärten, dass der Zusammenbruch des Immobilienmarkts bevorstehe.

Von Ben Hockett ist nicht viel bekannt. In einem Interview mit "vulture.com" sagte Brad Pitt, der im Film Hockett verkörpert, dieser lebe in einem Haus, das man nicht mit dem Auto erreichen könne. Im Buch und im Film wird deutlich, dass Hockett das Schlimmste für die Zukunft befürchtet und seine eigene Nahrung produziere.

Ein Beitrag des Autors über "Rebalancing", wie Anleger sich vor Crashs schützen können, finden Sie hier.

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