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Wirtschaft: "The Proving Ground": Im Auge des Orkans

Die schlimmste Katastrophe bei einer Ozean-Regatta in jüngerer Zeit ereignete sich am 26. Dezember 1998 vor Australien .

Die schlimmste Katastrophe bei einer Ozean-Regatta in jüngerer Zeit ereignete sich am 26. Dezember 1998 vor Australien . 115 Yachten brachen an jenem Samstag in Sydney zum Hobart Race auf, einem 630 Seemeilen (1167 Kilometer) langen Wettsegeln zur Hauptstadt der australischen Insel Tasmanien. Bereits kurz nach dem Start gerieten die Yachten in einen Hurrikan mit riesigen Wellen, der zwei Tage lang anhielt. In dem Sturm gingen mehrere Boote verloren, sechs Männer starben, und bei den Überlebenden hat es tiefe Spuren hinterlassen.

Eines der Boote des Rennens war Sayonara, eine so genannte "Max-Yacht" von Larry Ellison, dem Gründer von Oracle. An Bord waren unter anderem auch Lachlan Murdoch, der älteste Sohn des Medienbarons Rupert Murdoch. Larry Ellison verbrachte fast die ganze Montagnacht in seiner Koje. Sonntagnacht war bereits fürchterlich gewesen, aber jetzt waren die Wellen sogar noch höher. Die letzten 24 Stunden war er, wie der Großteil seiner Crew, seekrank gewesen und hatte nichts gegessen. Ebenso erging es Lachlan Murdoch. Niemals zuvor war er in einem solchen Unwetter gesegelt, niemals zuvor derart seekrank gewesen, doch er wollte durchhalten. Murdoch wusste, wie leicht das Wettsegeln zu einem Desaster werden könnte.

Das wurde Ellison spätestens am frühen Dienstagmorgen, drei Tage nach dem Start am Samstag, klar. Die Seekrankheit und die Angst, der Schiffskörper könne auseinanderbrechen, machte seiner Gewinnen-ist-Alles-Haltung ein Ende. Als er aus seiner Koje herausblickte, sah er, wie Mark Turner auf dem Boden kniete und auf das Innere des Schiffskörpers Kreise malte. "Was zum Teufel machst Du da?", fragte er. "Ich markiere die Stellen, an denen sich der Boden in seine Bestandteile auflöst. Beim Bug ist das schon seit einiger Zeit der Fall, und es gibt ein paar andere problematische Stellen", sagte Turner. Das Boot werde noch eine Zeit lang zusammenhalten. Aber man solle erwägen, "etwas ruhigeres Gewässer" anzusteuern. "Shit!", fluchte Ellison.

Ein Albtraum, dachte er bei sich. Ihm war das Problem mit dem Bug bekannt. Hin und wieder hatte er auch daran gedacht, dass das Boot auseinanderbrechen und er sterben könnte, aber er hatte solche Gedanken verscheucht. Die Statistik sprach für ihn. Tausende von Menschen hatten bereits am Hobart Race teilgenommen, nur wenige waren gestorben. Ich befinde mich auf einer Yacht in perfektem Zustand mit einer der weltbesten Crews, hatte sich Ellison Mut gemacht. Andere Boote mögen in Gefahr sein, nicht aber unserers. Aber die Kreise, die Turner zeichnete, waren zu real.

Als Ellison wenig später aus seiner Koje kroch und an Deck kam, hatte er beschlossen, dass die Sayonara nicht weiter gegen die Wellen ankämpfen würde, egal, was dies für den Ausgang der Regatta bedeuten würde. Er wusste, dass sein Hauptkonkurrent, die Brindabella, ihre Position zuletzt nicht angegeben hatte, obwohl jede Yacht dazu verpflichtet war. Damit war es unmöglich zu wissen, wo die Brindabella war - aber Ellison war es ohnehin gleichgültig. Er ging ins Cockpit und fragte den Navigator, wo man sei. "Etwa 75 Meilen vor der Küste Tasmaniens", antwortete Mark Rudiger. "Ich möchte eine Wende machen, damit wir auf das Land zusegeln." Rudiger entgegnete: "Wir wissen nicht, wo die Brindabella ist. Ich denke nicht, dass es die beste Idee ist, wenn wir gewinnen wollen." Ellison wurde wütend. "Und ich denke, dass wir auch nicht gewinnen werden, wenn wir untergehen." Er gab den Befehl zur Wende.

Sofort wurde es besser.Trotzdem machte sich Rudiger immer noch Sorgen - wegen der Brindabella, bis er einen Heikopter mit einem Fotografen sah, der aus Norden Richtung Hobart flog. Er ging davon aus, dass der Fotograf Fotos von der anderen Max-Yacht gemacht hatte, was bedeutete, dass die Brindabella noch hinter der Sayonara lag.

Doch die Erleichterung über den ruhigeren Seegang und die Aussicht auf den Sieg wurde durch die schlechten Nachrichten erschüttert, die Rudiger auf seinem Radio hörte. Während er Informationen über die Brindabella suchte, hörte er nur Berichte von verlassenen Schiffen und vermissten Seglern. Ellison war sprachlos. Auch wenn er um sein Leben gebangt hatte, hatte er nicht damit gerechnet, dass es ihm vorzeitig genommen werden könnte. "Das sollte Spaß machen", sagte er. "Es war nicht geplant, dass man dabei umkommt."

Aber er würde es auch nicht. Als die Sayonara in den Fluss Derwent, kurz vor dem Ziel, einfuhr, lag die Konkurrenz weit zurück. Die 15-Knoten-Brise war sanft, es gab keine Wellen und die Sonne schien. Ellison saß an der Reling und betrachtete die Ufer, wo dramatische Felsenformation mit rosafarbenem Heidekraut gesäumt waren. Dabei überkam ihn die Vorstellung, sein Boot hätte auseinanderbrechen und sinken können. "Wir sind durch die Hölle gegangen", sagte Ellison zu seiner Crew. Niemals wieder werde er diese Regatta segeln. Ellison wusste, dass er nach dem Hobart Race 1998 genau das Gleiche gesagt hatte. "Dieses Mal ist es mir ernst", sagte er. "Für kein Geld der Welt würde ich es noch einmal machen."

Die Sayonara überquerte die Ziellinie kurz nach acht Uhr am Dienstagmorgen - zwei Tage, 19 Stunden und drei Minuten, nach dem Start. Auch wenn das bei weitem unter dem Rekord lag, traf die Yacht immerhin fast drei Stunden vor der Brindabella ein. Normalerweise empfängt am Ende eines Hobart Race eine Flotte von 200 oder 300 Booten den Sieger. Dieses Mal waren es weniger als 50, die kamen, um die Sayonara zu sehen. Wie in anderen Jahren stand ein Dudelsackbläser im Schottenrock beim Ziel und gab einen klagenden Ton von sich. In den Ohren von Larry Ellison und den Rest der Crew klang es unaussprechlich traurig. Den meisten von ihnen standen Tränen in den Augen. Die Siegerehrung war abgesagt worden, und für den Neujahrstag war bereits ein Gedenkfeier geplant - für die vier Vermissten, einen Mann, der an einem Herzinfarkt gestorben war und einen anderen, der ertrank, als sein Boot kenterte.

G. Bruce Knecht

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