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Wirtschaft: Thomas Haffa: "Nur wer eine starke Marke hat, wird überleben"

Der EM-TV-Chef über Aktienkurse, die Zukunft des Fernsehens, seine Nähe zu Leo Kirch, Freunde, Feinde und Geheimnisse für Anleger, auf Entertainment-Aktien zu fliegenHerr Haffa, warum sind Entertainment-Unternehmen an der Börse so gefragt?Vor fünf Jahren gab es nur den Dax und gar keine Möglichkeit Heute gibt es den Neuen Markt, an dem 150 Unternehmen notiert sind.

Der EM-TV-Chef über Aktienkurse, die Zukunft des Fernsehens, seine Nähe zu Leo Kirch, Freunde, Feinde und Geheimnisse für Anleger, auf Entertainment-Aktien zu fliegen

Herr Haffa, warum sind Entertainment-Unternehmen an der Börse so gefragt?

Vor fünf Jahren gab es nur den Dax und gar keine Möglichkeit Heute gibt es den Neuen Markt, an dem 150 Unternehmen notiert sind. Da bieten sich enorme Chancen - nicht nur für die Anleger, sondern auch für die Unternehmen. Ohne die Börse wäre unser Wachstum nicht möglich gewesen. Die Leute sind vom Fernseh-Business einfach fasziniert. Unsere Ware ist anfassbar, unser Geschäft ist nachvollziehbar.

Die EM-TV-Aktie hat seit dem Börsenstart im Oktober 1997 um 14 000 Prozent zugelegt. Ist EM-TV zu hoch bewertet?

Es hat sich ja nicht nur der Aktienkurs so rasant entwickelt, sondern das Unternehmen EM-TV selbst. Als wir an die Börse gingen, hatten wir 1800 halbe Stunden Programm, was schon viel ist. Heute - knapp zwei Jahre später - haben wir über 27 500 Stunden Kinder- und Jugendprogramm. Im Jahr 2000 streben wir in der Gruppe einen Umsatz von einer Milliarde an. Die Anleger schauen sich die Ergebnisse genau an. Sie reagieren nicht mehr nur emotional

Kann man Filmrechte und Maskottchen so verkaufen wie Autos oder Computer?

Wir betreiben ein komplexeres, ein fantasievolleres Geschäft. Wir verstehen uns als Brücke zwischen den Medien und der Industrie.

Was macht Ihr Geschäft komplexer?

Wir brauchen Fantasie. Aus einer beliebten Kinder-Figur kann man mehr machen: einen Zeichentrickfilm, ein Musical, einen Club, Spielzeug. Darauf muss man erst kommen.

Seit einigen Wochen hat am Neuen Markt Ernüchterung eingesetzt. Auch die EM-TV-Aktie ist um rund 30 Prozent unter ihren Höchststand gerutscht.

Man muss die Dinge relativieren. Nehmen Sie unseren Kurs vom Jahresanfang, dann liegen wir heute um über 120 Prozent darüber. Wir halten uns in einem schwierigen Umfeld sehr gut. Ich glaube im Übrigen nicht, dass die Anleger übersättigt sind. Sie sind auch nur Menschen, die zu zweifeln anfangen, wenn die Dinge zu lange zu gut gehen. Außerdem ist der Neue Markt mit 150 Unternehmen recht voll.

Seit diesem Montag können Anleger neue EM-TV-Aktien zeichnen. Ihre Kapitalerhöhung kommt zu einer denkbar schlechten Zeit.

Natürlich ist das Umfeld nicht einfach. Als wir uns zu der Kapitalerhöhung entschlossen haben, konnten wir nicht ahnen, wie die internationalen Vorgaben sein würden. Aber wir gehen das Projekt nicht hemdsärmelig an, sondern bereiten uns mit unseren Partnern sehr intensiv darauf vor. Wir haben 15 Millionen Mark allein für unsere Anzeigenkampagne ausgegeben. Die Resonanz stimmt uns sehr optimistisch.

Bleiben Sie Mehrheitsaktionär von EM-TV?

Die Familie Haffa wird auch nach der Kapitalerhöhung Hauptaktionär von EM-TV mit 56 Prozent bleiben.

Wenn es gelingt, die 10,8 Millionen neuen Aktien zu platzieren, würde dies beim derzeitigen Kurs rund eine Milliarde Mark in Ihre Kassen spülen. Was wollen Sie mit dem Geld machen?

Wir finanzieren damit unsere jüngste Beteiligungen bei Tele-München und Constantin Film sowie einige kleinere Beteiligungen. Und es wird etwas übrig bleiben für zukünftige Projekte, zum Beispiel ein größeres Engagement in Amerika.

Sie haben mehrfach angekündigt, dass Sie sich in den USA engagieren wollen. Wann ist es denn so weit?

Wir sind in abschließenden Verhandlungen. Aber ich kann keine Termine nennen, weil wir im Augenblick prüfen, ob die Sache auch hält, was Sie verspricht.

Ein Partner, mit dem Sie bereits zusammenarbeiten, oder betreten Sie Neuland?

Wir betreten kein Neuland.

Der Markt, auf dem Sie den meisten Umsatz machen, das Kinder-Fernsehen in Deutschland, ist kleiner geworden. 1998 hat der US-Sender Nickelodeon sein Programm in Deutschland abgeschaltet, Kabel 1 hat das Format reduziert. Bricht Ihr Geschäft weg?

Dass es in Deutschland weniger Kinderprogramm gibt, ist völliger Unfug. Wir haben den öffentlich-rechtlichen Kinderkanal, der sich hervorragend positioniert hat. Und wir starten zusammen mit Sat 1 Kinder-TV unter der Marke Junior. Außerdem haben wir die neue digitale Plattform Premiere World der Kirch-Gruppe, auf der jüngst Disney mit einem eigenen Kinder-Format gestartet ist und wo wir auch noch einiges mit unseren Kanälen Junior und K-toon vorhaben

Sie glauben, dass Digitales Fernsehen in Deutschland vor dem Durchbruch steht?

Die Zahlen beweisen es. Das Format ist den Leuten bisher nicht richtig erklärt worden, weil es konkurrierende Sender - DF 1 und Premiere - gab. Das hat sich nach der Zusammenlegung zu Premiere World geändert. Die Kirch-Gruppe verkauft ihre Abos sehr gut, seit die neue Kampagne läuft.

Sie haben mit der Kirch-Gruppe das 50 : 50-Joint Venture Junior gegründet. Birgt Ihre enge Anbindung an die Kirch-Gruppe, die das Projekt Digitales Fernsehen mit hohem finanziellem Risiko verfolgt, nicht auch erhebliche Risiken für EM-TV?

Nein, diese Geschäfte laufen völlig unabhängig voneinander. Der Junior-Katalog, den wir von Kirch gekauft haben und in dem sich die Rechte an Klassikern wie "Heidi" und "Biene Maja" finden, liegt in einer unabhängigen Gesellschaft, der Junior GmbH. EM-TV hat zeitlich und räumlich unbegrenzt alle Verwertungsrechte für diesen Katalog.

Haben Sie Kirchs Junior-Paket mit 500 Millionen Mark viel zu teuer bezahlt?

Denen kann ich nur sagen: Am 15. Februar haben wir uns den Deal von der Hauptversammlung absegnen lassen. Bis heute haben wir von den 500 Millionen über 300 Millionen Mark zurückverdient. Die Analysten haben uns zehn Jahre dafür gegeben.

Branchenkenner sagen, dass rund ums deutsche Kinder-Fersehen ein Werbeumsatz von insgesamt 200 Millionen Mark generiert werden kann. Reicht denn das für alle?

Der Werbemarkt ist noch lange nicht ausgeschöpft. Ganz einfach, weil die werbetreibende Wirtschaft bisher gar keine ordentliche Präsentationsmöglichkeit hatte. Entscheidend ist aber die Digitalisierung. Sie wird die technischen Kosten der Programmausstrahlung drastisch reduzieren. Das Betreiben eines Senders wird im Jahr 3,5 Millionen Mark kosten. Die Industrie und der Handel werden dann eigene Sender betreiben. Es kann dann DaimlerChrysler-TV oder Deutsche-Bank-TV geben, und einige Sender werden auch Kinderprogramm brauchen, womit wieder wir im Spiel sein werden.

Was passiert, wenn die Europäische Union Werbung im Kinder-Fernsehen verbietet?

Ich hoffe, dass es nicht so weit kommt. Aber die Sender würden trotzdem Kinder-TV machen, weil sie die Kinder brauchen, um sie möglichst früh an den Sender zu binden. Es dreht sich heute alles um Marken. Nur wer eine starke Marke hat, wird überleben.

Junior soll erst noch zu einer weltweiten Marke aufgebaut werden. Wie wird Ihnen Kirch dabei helfen?

Ich habe zu Leo Kirch persönlich ein sehr gutes Verhältnis und teile mit ihm das gemeinsame Interesse, Kinder-TV in Deutschland groß zu machen. Deshalb haben wir ein Joint Venture gegründet. Ich wollte Kirch nicht draußen haben. Ich will, dass uns dieser Konzern mit seinen Stärken und seiner Struktur hilfreich ist. Das Ziel von EM-TV ist es, ein internationaler Spieler zu werden. Die Amerikaner haben uns jahrzehntelang quasi diktiert, was wir zu sehen haben. Warum? Weil sie sich besser an der Börse finanzieren konnten. Jetzt haben wir den Neuen Markt, und damit können wir ein Gegengewicht zu den Amerikanern bilden.

Mit "Heidi" oder der "Biene Maja"? Haben die nicht inzwischen Staub angesetzt?

Gutes Kinderprogramm wird nicht alt. Das sehen sie an Walt-Disney-Produktionen oder an "Tom und Jerry" oder "Familie Feuerstein", die zwischen 35 und 50 Jahren alt sind. Die jüngste unter den Klassikern ist die "Biene Maja" mit 26 Jahren. Und sie spielt heute wesentlich mehr ein als 1973. Zeichentrickfilme verstauben nicht.

Sie wollen nach der Kapitalerhöhung auch in den Markt für Erwachsenen-TV vorstoßen. Kaufen Sie dann auch Sportrechte?

Nachdem wir im Kinder-Segment so ziemlich alles erreicht haben, was man erreichen kann in so kurzer Zeit, wollen wir natürlich expandieren. Zunächst in den fiktionalen Bereich. Deshalb hat sich EM-TV an Bernd Eichingers Constantin Film beteiligt.

Über die Beteiligung an der Tele-München-Gruppe haben Sie Zugang zum Champions-League-Sender TM 3...

Es gibt Gelegenheiten, die tun sich nur einmal im Leben für auf. Die Beteiligung an der Tele-München-Gruppe war für uns eine solche Gelegenheit. Wir hätten einen so einzigartigen Programmstock kurzfristig gar nicht aufbauen können. Aber Sportrechte werden für uns kein Schwerpunkt sein.

Sie wollen ein "kleiner Walt Disney" werden. Aktionäre feiern Sie auf der Hauptversammlung wie einen Popstar. Sind Sie Vorreiter einer neuen Manager-Generation?

Ich definiere mich nicht so. Ich bin nahe bei meinen Mitarbeitern und meinen Kunden. Ich verfolge eine klare Aufgabe: Profit erwirtschaften. Und wenn sie meine Geschichte anschauen, werden sie in meinem Umfeld keine Feinde finden. Unser Haus ist offen, es gibt keine Geheimnisse. Wem das nicht liegt, der darf nicht an die Börse gehen.

Was war Ihr größter unternehmerischer Fehler?

Den habe ich nicht als selbstständiger Unternehmer gemacht, sondern als Angestellter von Kirch. Da hat ein Kreativer ein sehr gutes Konzept umgeschmissen, das wir besser weiterverfolgt hätten. Das hat mir eine Lehre erteilt: Ich handle nicht nach den Meinungen der Kreativen - die ich sehr schätze und die wir auch brauchen -, sondern ich verlasse mich auf meinen Bauch.

Wann rückt EM-TV in den Dax?

Wir fühlen uns am Neuen Markt noch sehr wohl. Auch Microsoft ist nach wie vor an der Nasdaq und zum reichsten Unternehmen der Welt geworden. © 1999

Herr Haffa[warum sind Entertainment-Unternehmen a]

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