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Wirtschaft: Thomas Schwerk

Geb. 1966

Von David Ensikat

Ein linearer, globaler Werdegang. Von Indien bis Thailand. Er sieht die Welle herankommen, sagt, so etwas sehe man im Leben nur einmal, holt die Videokamera aus dem Bungalow und läuft zum Strand hinunter. Sein Schwager folgt – und überlegt es sich dann anders. Man sollte vielleicht doch weglaufen, weg vom Strand.

Thomas ist keiner, der wegläuft. Schon gar nicht, wenn es interessant wird, wenn man was gewinnen kann, und sei es ein neuer Eindruck. Thomas stellt sich den Dingen. Thomas kommt klar. Ist immer klargekommen. Die Leute bewundern ihn dafür. Er bleibt am Strand.

Die Eltern erzählen von ihrem Sohn, einem von sechs Kindern, und es klingt ein großer Stolz durch, vermengt mit einem anhaltenden Staunen. Das betrifft natürlich auch die Dinge, um die sich Thomas in Studium und Beruf so kümmerte: Er war Mathematiker und Informatiker, so einer schreibt eine Doktorarbeit namens „Non-linear stock prediction and portfolio management system“ und hängt mit links die Eltern ab. Mit ebenso großer Verwunderung berichten sie über den gleichermaßen globalen wie linearen Werdegang des Sohnes.

In einem kleinen Dorf in Indien kam Thomas Schwerk zur Welt, sein Vater leitete dort eine Handwerksschule. In Berlin besuchte Thomas die John-F.-Kennedy-Schule, die Eltern fanden, dass der Junge nicht auf eine deutsche Schmalspurschule gehört. In Nairobi, Kenia, kam er auf die International School, als sein Vater vom Deutschen Entwicklungsdienst dorthin geschickt wurde. Natürlich lernte Thomas einigermaßen Kisuaheli. Und er fasste den Entschluss: Studieren will ich in Amerika. Die Eltern konnten sich das nicht vorstellen, viel zu teuer so was. Also erkundigte sich Thomas, wie man delegiert wird und ein Stipendium bekommt. Vier Kriterien mussten erfüllt werden: Beste Leistungen auf akademischem und sportlichem Gebiet – beides kein Problem für den großen Einserkandidaten – sowie gesellschaftliches und künstlerisches Engagement. Thomas kandidierte für die Schülervertretung und, sei es drum, wenn man das muss: Er sang in einem Schülermusical. Und gelangte folgerichtig an eines der besten US-Colleges, nach Bennington, Vermont.

Es folgte, und hier hört man die Eltern ein wenig aufatmen, so etwas wie ein Rückschlag: Thomas begann, an der University of California Physik zu studieren und kam dort mit der harten, karrieristischen Stimmung nicht zurecht.

Also zog er zurück nach Deutschland, nach Berlin, um an der Technischen Universität zu studieren. In dem halben Jahr bis zur Immatrikulation baute er allein auf einer Pazifikinsel für eine Freundin eine Blockhütte auf. Irgendetwas muss der Mensch ja tun.

Für das Berliner Studium brauchte Thomas selbstverständlich kein Semester länger als die Regelstudienzeit – nur eines irritierte ihn damals sehr: die schlaffe Unlust seiner immerschondeutschen Kommilitonen. Aber solche lässt einer wie Thomas rasch hinter sich. Er begann in Frankfurt am Main seinen Berufsaufstieg bei einer Wirtschaftsberatungsfirma, er lernte Petra in der Firma kennen, las mit ihr die Stellenanzeigen in der Zeitung, stieß auf ein Angebot in Hongkong, fand, man könne sich aus Spaß ja mal bewerben.

Die beiden heirateten, zogen nach Hongkong, bekamen zwei Kinder, lernten neue Freunde kennen, Thomas wurde Abteilungsleiter, entwickelte eine Organisationssoftware, viel besser, seiner Meinung nach, als alles, was es auf dem Gebiet bisher gab, er flog in Asien von Dependance zu Dependance und promovierte nebenher. Wenn er mal keine Lust mehr auf den Job hätte, so sein Plan, könnte er nach Singapur ziehen und eine Gastprofessur übernehmen.

Nach Berlin kam Thomas Schwerk nicht allzu oft. Heimat? Die Welt war Heimat, Hongkong immerhin acht Jahre lang. Die Eltern in Berlin rief er gerne aus dem Taxi an, auf dem Weg von der Arbeit nach Hause.

Dieses Weihnachtsfest verbrachte er mit Frau, Kindern, Schwiegermutter und Schwager auf einer thailändischen Insel nördlich von Phuket. Die Frau, die Kinder und der Schwager haben die Welle überlebt.

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