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Wirtschaft: Tiefe Furchen

Die Regierung will Gentechnik auf die Äcker bringen. Aber der Widerstand ist groß. Selbst bei den Bauern

Die Polizei kam mit 300 Beamten. Reiter- und Hundestaffeln sicherten das Gelände, ein Helikopter kreiste über dem Feld. Die Stimmung an diesem letzten Sonntag im Juli war alles andere als entspannt: Rund 80 Aktivisten waren nach Zehdenick im Norden Berlins gekommen, um in einer „Feldbefreiung“ gentechnisch veränderte Maispflanzen auszureißen. „Wir wollen keine Gentechnik“, sagt Michael Grolm. Der Berufsimker von der Initiative „Gendreck-weg“ wird sich an diesem Donnerstag vor dem Landgericht Neuruppin verantworten müssen. Einschüchtern lässt er sich nicht. „Ich plane weitere Aktionen.“

Wenn es nach dem Willen von Bundeskanzlerin Angela Merkel geht, wird er dazu bald noch mehr Gelegenheit haben. Die Kanzlerin will , dass deutsche Bauern Gen-Pflanzen schon zur Pflanzsaison in diesem Frühjahr leichter anbauen können als bisher. Gentechnik sei eine Spitzentechnologie und müsse gefördert werden. In ihrem Auftrag hat Bundesagrarminister Horst Seehofer (CSU) gerade Eckpunkte für eine Neufassung des Gentechnikgesetzes erarbeitet, die dem kommerziellen Anbau und der Forschung mit Gen-Pflanzen den Weg ebnen soll. Die Bauern selbst sind skeptisch: „Der Verbraucher will solche Lebensmittel derzeit nicht, darum werden wir sie auch nicht produzieren“, sagt Bauernpräsident Gerd Sonnleitner dieser Zeitung (siehe Interview). Diskutieren werden die Bauern und der Minister diese und andere Zukunftsoptionen bald auf der „Grünen Woche“ in Berlin. Die größte Agrarschau der Welt beginnt am kommenden Freitag.

Seehofer steckt in einem Dilemma: Als Bundesminister muss er das Koalitionsversprechen umsetzen. Doch ausgerechnet in seinem Wahlkreis Ingolstadt haben die Bauern eine gentechnikfreie Zone ausgerufen. Auch der bayerische Agrarminister Josef Miller (CSU) stellt sich auf die Seite von Bauern und Verbrauchern. „Ich fordere Wahlfreiheit der Verbraucher und eine klare Koexistenz- und Haftungsregelung“, sagte er dem Tagesspiegel am Sonntag. Es hängt wohl auch damit zusammen, dass Seehofer die Novelle des Gentechnikgesetzes, das schon im vergangenen Jahr auf den Weg gebracht werden sollte, mehrfach verschoben hat.

Auch der Koalitionspartner SPD hat keine Eile. „Wir sollten nichts übers Knie brechen“, sagte Waltraud Wolf, die agrarpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, dieser Zeitung. Viele Vorschläge des Seehofer-Entwurfs seien mit der SPD nicht machbar. Eine abgestimmte Position werde es „sicher nicht vor Ende Januar geben“, sagte sie. Damit ist klar, dass die Novelle nicht rechtzeitig zur Aussaat im April in Kraft treten kann.

Die SPD sieht Nachbesserungsbedarf vor allem bei den Abstandsregeln zwischen Gen-Feldern und konventionellen Feldern. Sie sollen eine unbeabsichtigte Auskreuzung verhindern. Seehofer hatte einen Abstand von 150 Metern vorgeschlagen. Die SPD fürchtet, dass der Puffer zu gering ist. Auch bei der Haftung gibt es Differenzen. Geht es nach Seehofer, soll es eine Entschädigung erst geben, wenn die Verunreinigung mit gentechnisch veränderten Bestandteilen den Grenzwert von 0,9 Prozent übersteigt. Die SPD will einen Schadensausgleich schon bei einem Wert „deutlich unter 0,9 Prozent“. Außerdem fordert Wolf, dass die Kosten für Nachweistests vom Verursacher getragen werden. „Dass die Bauern auf ihren Kosten sitzen bleiben sollen, erschließt sich mir nicht“, sagt sie.

Daran haben auch die Biobauern ein existenzielles Interesse. Thomas Dosch, Chef des Erzeugerverbandes Bioland, weiß, dass es für Bio-Bauern schwer wird, wenn der Genpflanzenanbau großflächig erlaubt wird. „Wir produzieren ja nicht unter der Glasglocke.“ Eine Auskreuzung könne man in der Natur nicht verhindern, bestätigt Beatrix Tappeser vom Bundesamt für Naturschutz.

Berufsimker Grolm muss seinen Abnehmern schon jetzt garantieren, dass sein Honig keine genveränderten Pollen enthält. Er fürchtet um seine Existenz, wenn Gen-Pflanzen angebaut werden. „Die Vermarktung wird zusammenbrechen.“

Maren Peters

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