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Tiefensees Pläne: Motivation für den Osten

Politik für die neuen Länder und die Straßen: Wie SPD und DGB gemeinsam die deutsche Einheit im Geldbeutel verwirklichen wollen.

Die Wirtschaftsforscher haben genug geredet, die Argumente für und wider den flächendeckenden Mindestlohn sind 1000-fach ausgetauscht. Auch die Frage der Angleichung der Gehälter in Ost und West wird in fast jeder Tarifrunde neu diskutiert. Vieles spricht für gleiche Löhne – wohl auch manches weiterhin dagegen. Jetzt haben Wolfgang Tiefensee (SPD), der Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Länder, und Michael Sommer, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), nochmal gemeinsam die Forderung erhoben, einen Mindestlohn von 7,50 Euro die Stunde einzuführen, der ausdrücklich auch im Osten der Republik gelten soll.

Dieser Appell an sich muss niemanden überraschen. Allerdings verpassten Sommer und Tiefensee der alten Debatte einen neuen Dreh: Ihnen geht es nicht um Wirtschaftswissenschaften, sondern um Psychologie und Motivation der Menschen im Osten, wie es Tiefensee formulierte. Diese Punkte seien als volkswirtschaftliche Faktoren nicht zu unterschätzen, machten beide auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am Montag in Berlin deutlich. „Knapp 20 Jahre nach der friedlichen Revolution ist eine Angleichung der Löhne in Ost und West längst überfällig“, sagte Tiefensee. In all den Gesprächen, die der Verkehrsminister in seiner Funktion als Ost-Beauftragter in den neuen Ländern führe, bekomme er jedes Mal die Frage gestellt: Sind wir Menschen zweiter Klasse? „Mir geht es darum, dass wir ein Gebiet mit 20 Prozent der Bevölkerung nicht mit zweitklassigen Löhnen versehen“, sagte Tiefensee.

„Es spielt für die Motivation und das Lebensumfeld der Menschen eine zentrale Rolle“, sagte er im Hinblick auf die Tatsache, dass bis heute in vielen Branchen im Osten deutlich niedrigere Löhne und Gehälter gezahlt werden als im Westen Deutschlands. Das sei auch einer der Hauptgründe dafür, dass immer noch so viele junge Menschen den Osten verließen, um anderswo zu arbeiten. Die zentrale Frage laute: „Wir können wir Aufschwung und zugleich eine Annäherung erreichen?“ Die Antwort also: Mindestlohn von 7,50 Euro von Gelsenkirchen bis Bautzen. Allerdings räumte Tiefensee ein, dass man diese Forderung mit der Union als Koalitionspartner nicht werde durchsetzen können.

Aus dem Grund appellieren er mit Gewerkschaftschef Sommer an die Bundesländer, in einem ersten Schritt zum Abbau der Arbeitslosigkeit das Instrument des Kommunal-Kombilohns zu nutzen. Durch das Bundesprogramm Kommunal-Kombi werden Arbeitsplätze im öffentlichen, gemeinnützigen Bereich vor allem für die Menschen geschaffen, die derzeit auf dem ersten Arbeitsmarkt so gut wie chancenlos sind.

Sommer stellte klar, dass die Gewerkschaften keine natürlichen Freunde von Kombi-Lohn-Modellen sind. „Wir haben etwas gegen Merkel-Lohn, also unterster Lohn plus Hartz IV“, sagte Sommer. Aber die Gewerkschaften seien durchaus bereit, Kombi-Löhne mitzutragen, solange „spezifische Arbeit für spezifische Gruppen zeitbefristet gefördert wird“. Als konkretes Beispiel nannte er die Initiative 50plus der Bundesregierung. Der Kommunal-Kombi könne, Sommer zufolge, helfen, in Ostdeutschland den Wegzug von Menschen zu stoppen und eine soziale Perspektive für Langzeitarbeitslose zu schaffen.

Vor dem Hintergrund der steigenden Energiepreise sprachen sich beide auch dafür aus, Möglichkeiten zu prüfen, wie man sozial Schwächere entlasten könnte – jenseits der Übernahme der Wohnkosten für Hartz-IV-Empfänger. Sommer sprach sich für Sozialtarife aus und eine Differenzierung bei der Mehrwertsteuer. Allerdings müsse man dabei darauf achten, dass der Staat damit nicht indirekt die Energiekonzerne fördere.

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