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Tiefpunkt: Deutsche Wirtschaft versinkt in der Rezession

Bruttoinlandsprodukt schrumpft so deutlich wie noch nie – die Bundesregierung hofft, dass nun das Schlimmste überstanden ist.

Die deutsche Wirtschaft hat zwischen Januar und Ende März einen beispiellosen Wachstumseinbruch erlebt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP), also die Summe aller neuen Waren und Dienstleistungen, schrumpfte um 3,8 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. Das teilte das Statistische Bundesamt am Freitag mit. Forscher rechnen damit, dass der Tiefpunkt nun durchschritten ist und sich die Wirtschaft bis Jahresende erholt.

Die Bundesrepublik erlebt damit das vierte Minusquartal in Folge – eine so lange Rezession gab es noch nie. Dahinter steckt für Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer vor allem Psychologie. Die Pleite der US-Bank Lehman Brothers im Oktober habe „Unternehmen und Konsumenten in eine Art Schockstarre“ versetzt, sagte er. Als Folge brachen der Export und die  Investitionen der Unternehmen weg, zwei der wichtigsten Stützen der deutschen Wirtschaft. Besonders den Branchen Auto- und Maschinenbau macht die Absatzflaute zu schaffen. Insgesamt verkauften die deutschen Firmen in den ersten drei Monaten gut ein Fünftel weniger ins Ausland als ein Jahr zuvor. Nur der Staat und die Verbraucher gaben mehr Geld aus als im Quartal zuvor, teilten die Statistiker mit.

Experten setzen darauf, dass nun der Tiefpunkt der Krise erreicht ist. „Dafür sprechen vor allem die Ausgabenprogramme der Regierung“, argumentierte Marco Bargel, Chefökonom der Postbank, gegenüber dieser Zeitung. Hinzu komme die gestiegene Kaufkraft der Verbraucher – ihnen stünden angesichts der gesunkenen Inflationsrate sowie der Rückzahlung der Pendlerpauschale 35 Milliarden Euro mehr zur Verfügung als im vergangenen Jahr, sagte Bargel.

Auch die Bundesregierung sieht ein Ende des Abstiegs. Es deute sich an, „dass es irgendwann in diesem Jahr zu einer Stabilisierung kommt und dann die Talsohle durchschritten ist“, sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg. Ähnlich sieht es Jürgen Stark, Vizepräsident der Europäischen Zentralbank (EZB). „Wir sollten die Frühlingsblüten, die wir hier und da sehen, positiv bewerten, wenn auch nicht überbewerten“, sagte er am Donnerstagabend in Berlin. Damit spielte er an auf leicht bessere Zahlen vom Export und vom Auftragseingang in der Industrie. Für wichtig hält Stark die Stabilisierung der Finanzbranche. „Ohne Erholung des Bankensektors wird es keine Erholung für die Wirtschaft geben“, befand er. Erst gegen Ende des Jahres trauen die meisten Fachleute der deutschen Wirtschaft wieder ein leichtes Wachstum zu, vorher werde es bestenfalls eine Stagnation geben.

Im europäischen Vergleich ist Deutschland stärker von der Krise betroffen als andere große Länder. In Frankreich ging das BIP um 1,2 Prozent zurück, in Spanien um 1,8, in Italien um 2,4 Prozent. Der Durchschnitt der 27 EU-Staaten lag bei minus 2,5 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. Den Tiefpunkt markierten Lettland und Slowenien mit minus 11,2 Prozent.

Für das gesamte Jahr erwartet die deutsche Regierung ein Minus von sechs Prozent. Derartige Vorhersagen sind allerdings unsicher, wie die Ökonomen einräumen. Denkbar sei auch, dass die Krise noch länger dauert – „wenn die USA nicht auf die Füße kommen, etwa wegen weiter abrutschender Häuserpreise“, warnte Postbank-Experte Bargel. Zudem ist die Krise auf dem Arbeitsmarkt noch nicht angekommen. Womöglich reagieren die Verbraucher mit Konsumverzicht, sollte es in den nächsten Monaten zu einem beschleunigten Jobabbau kommen.

Die Leitzinsen weiter zu senken hält EZB-Vizechef Stark aber für unnötig. Die Zentralbank habe die Geldpolitik erst vergangene Woche gelockert, die Zinsen seien nun auf einem historisch niedrigen Niveau von einem Prozent. Da die Notenbanker davon ausgehen, dass die Maßnahmen erst nach 12 bis 18 Monaten Folgen haben, werde die Zinssenkung erst 2010 „durchwirken“, wie Stark sagte. 

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