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Wirtschaft: Tietmeyer: Zinssenkung ist kein Tabu mehr

WASHINGTON (ro).Bundesbank-Präsident Hans Tietmeyer schließt Zinssenkungen nicht mehr aus.

WASHINGTON (ro).Bundesbank-Präsident Hans Tietmeyer schließt Zinssenkungen nicht mehr aus.Sollte sich die Krise an den Finanzmärkten ausweiten und deutlich auf die Realwirtschaft ausstrahlen, könnte auch in die deutsche Geldpolitik Bewegung kommen."Wenn es notwendig ist, werden wir auch bei uns Zinssenkungen nicht tabusieren", sagte Tietmeyer am Montag auf der Herbsttagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds.

Allerdings sieht Tietmeyer derzeit noch ein erhebliches Zinssenkungspotential in Europa, weil mehrere Euro-Länder ihre Sätze an das derzeitige Zinsniveau nach unten angleichen müssen."Das wird sich mittelfristig auch bei uns auswirken."

Im Interimausschuß, dem höchsten Entscheidungsgremium des Internationalen Währungsfonds (IWF), sei die Position der deutschen Seite voll akzeptiert worden.Konkrete Entscheidungen wurden am Sonntagabend im Interimausschuß nicht gefällt.Sorgen macht sich das Gremium über einen weiteren Abzug von Privatkapital aus den Schwellenländern: Der "Ansteckungseffekt" müsse eingegrenzt werden.Doch Kapitalverkehrskontrollen seien "grundsätzlich unangemessen", um fundamentale wirtschaftliche Ungleichgewichte zu beseitigen.

Der Leiter der deutschen Regierungsdelegation, Klaus Regling, sagte, eine Finanzkrise könne durch Beschränkungen des Kapitalverkehrs nicht gemeistert werden.Freie Märkte seien die Voraussetzung für Wohlstand.Kontrollen drohten Reformen zu ersetzen, sagte Regling, der Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) in Washington vertritt.

Positiv wertet der Ausschuß

die wirtschaftliche Stabilität in Nordamerika und in Europa

die bereits jetzt erkennbaren Stabilisierungseffekte des Euro

das immer noch starke Wachstum in China und Indien

die Stabilisierung in einigen Entwickungsländern und

die Tatsache, daß protektionistische Tendenzen bislang unter Kontrolle gehalten werden konnten.

Jetzt gelte es, daß jedes einzelne Land alles dafür tue, das Vertrauen wieder herzustellen.Bundesbank-Vertreter ließen in Washington aber durchblicken, daß es wohl zwei bis drei Jahre dauern werde, bis die derzeitige Krise überwunden sei.Auch im Interimausschuß wurde nach Angaben von Tietmeyer und Bundesbank-Vizepräsident Jürgen Stark klar, daß derzeit fast alles am US-Repräsentantenhaus hängt, das nach wie vor die längst beschlossene Kapitalerhöhung beim IWF blockiert.Von der Entscheidung über die Quotenerhöhung hängt auch ab, ob der IWF dem Vorschlag von US-Präsident Clinton folgt und eine neue Einrichtung für Länder einrichtet, die von einer Krise in anderen Ländern angesteckt werden, obwohl ihre eigenen Strukturen und Finanzen in Ordnung sind.

Trotz dieses nach wie vor ungelösten Grundproblems wertet Tietmeyer die Gespräche und Sitzungen in Washington nicht als frustrierend.Klar sei, daß es für Brasilien in absehbarer Zeit ein Hilfspaket geben werde, auch wenn das Land offiziell beim IWF noch keinen Antrag gestellt habe.

"Auch das Thema Transparenz kommt jetzt mit Volldampf auf die Finanzmärkte zu." Tietmeyer selbst soll untersuchen, wie Banken- und Versicherungsaufsicht in den einzelnen Ländern und der IWF enger zusammenarbeiten können.Dabei wird nach Angaben von Tietmeyer auch geprüft, wie die risikoreichen und in Deutschland verbotenen Hedge-Fonds in die Überwachung einbezogen werden könnten.

Einigkeit besteht auch darüber, daß die Privatbanken künftig bei IWF-Hilfspaketen mitwirken sollen."Dafür gibt es aber nicht nur eine und auch keine einfache Lösung", betonte Bundesbank-Vize Stark.

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