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Ferdinand Piech, der damalige Aufsichtsratsvorsitzende der Volkswagen AG.

© dpa/ Julian Stratenschulte

Tod von Ferdinand Piëch: Der große Patriarch der Autoindustrie

Ferdinand Piëch machte den Volkswagen-Konzern groß. Lange war er Vorstandschef, dann Aufsichtsratsvorsitzender. Am Sonntag ist er gestorben.

24 Stunden dauerte es, bis die Nachricht an die Öffentlichkeit drang: Der ehemalige VW-Boss Ferdinand Piëch ist tot, bestätigten am Montagabend gut informierte Kreise. Bereits am Sonntagabend sei der 82-Jährige während eines Restaurantbesuchs mit seiner Ehefrau Ursula in Rosenheim zusammengebrochen und dann später im Krankenhaus verstorben.

Von 1993 bis 2002 stand Piëch an der Spitze des Wolfsburger Autobauers Volkswagen, danach wurde er Vorsitzender des Aufsichtsrats. Man sagte ihm nach, dass er „Benzin im Blut“ habe, schon als Kind hegte er den Wunsch, „Autos zu bauen“, wie man sich erzählt. Zuletzt jedoch war es still geworden um den alten Mann. Im Frühjahr hatte er sich zuletzt zu Wort gemeldet und sich von dem Elektroautoprojekt seines Sohnes distanziert, einem von nach eigenen Angaben insgesamt zwölf Kindern.

Ein Patriarch mit vielen Bewunderern

Ferdinand Piëch prägte die Automobilwelt wie kaum ein anderer vor ihm. Seine Bewunderer von der IG Metall nannten ihn gerne einen überragenden „Automobilisten“. „Und im Gegensatz zu anderen Topmanagern war es nie sein Ziel, Standorte zu schließen und Tausende von Arbeitsplätzen abzubauen“, sagte VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh einmal über den Alten. Der hat indes viele Führungskräfte abgeräumt, wenn die nichts taugten („Feiglinge, die sich wegducken, wenn ein Fehler passiert“) oder ihm in die Quere kamen. „Ich guillotiniere erst, wenn ich weiß, wer es war“, hat er einmal seinen Umgang mit Verrätern beschrieben.

Vier Fünftel der Probleme bei VW – aber auch in der Wirtschaft insgesamt – erklärte Piëch mit Managementfehlern. In Wolfsburg führte er ein totalitäres Regime, und es überrascht nicht, dass sich Führungskräfte in einem Brief 1994 an den Aufsichtsratschef beschwerten, VW werde „von einem Mann mit psychopathischen Zügen geführt“.

Ferdinand Karl Piëch wird am 17. April 1937 als drittes Kind des Anwalts Anton Piëch und dessen Ehefrau Louise in Wien geboren. Louise war die Tochter von Ferdinand Porsche, der den VW-Käfer entwickelte und die Grundlage legte für das milliardenschwere Piëch-Porsche-Imperium.

Piëch machte den Volkswagen-Konzern groß

Der kleine Ferdinand hat es schwer, er leidet unter der schnöseligen Porsche-Verwandtschaft und darunter, dass er selbst nicht den Namen des verehrten Großvaters trägt. Piëch studiert Maschinenbau in Zürich, arbeitet für Porsche und Audi, wo er Mitte der 1970er Jahre zuständig wird für die technische Entwicklung und 1988 zum Vorstandschef aufsteigt. Der Ingenieur entwickelt Audi von einer behäbigen Beamten-Kutsche zu einer Hightech-Marke, die sich auf einer Höhe mit Mercedes und BMW bewegt.

Mit Hilfe von Peter Hartz (Arbeitsdirektor) und José López (Einkaufsvorstand) saniert und modernisiert er dann in den 1990er Jahren Volkswagen. Er kauft Bentley, Lamborghini und Bugatti, baut für eine Milliarde D-Mark ein Eventcenter direkt neben dem Mittellandkanal und macht den Konzern mit Scania und MAN zu einem echten Konkurrenten von Mercedes auch bei Nutzfahrzeugen. In seinen neun Jahren als Vorstandsvorsitzender verbreitert sich die Palette von Volkswagen von 28 auf 65 Modelle. Heute ist der Konzern trotz der Dieselaffäre der größte Fahrzeughersteller der Welt. Auch wegen Ferdinand Piëch – und Martin Winterkorn.

Eine schonungslose Abrechnung mit Winterkorn

„In meiner Karriere haben schon einige versucht, mich rauszudrängen, es ist noch keinem gelungen“, sagte Piëch einmal über sich. Er überlebte die Sex- und Korruptionsaffäre um Hartz und Betriebsratschef Klaus Volkert ebenso wie die Industriespionage von López zulasten von General Motors. Der von ihm selbst als Nachfolger ausgewählte Bernd Pischetsrieder („Er ist deutlich besonnener als ich und viel humaner.“) versuchte einst, mit dem damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff und Porsche-Chef Wendelin Wiedeking den Alten aus dem VW-Aufsichtsrat zu entfernen. Pischetsrieder und Wiedeking überlebten das nicht, Wulff drehte bei und kooperierte fürderhin brav mit Piëch.

Im Frühjahr 2015 verspekulierte sich der Alte. Das Präsidium des VW-Aufsichtsrats befand nach Piëchs öffentlicher Distanzierung von Winterkorn, „dass das notwendige wechselseitige Vertrauen nicht mehr gegeben ist“. Ein Rausschmiss. Später erklärte Piëch die damalige Attacke auf Winterkorn mit dessen Tatenlosigkeit in der Dieselaffäre, die zu dem Zeitpunkt wohl noch einigermaßen schiedlich hätte bereinigt werden können. Er selbst lehnte es 2017 ab, vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss als Zeuge auszusagen.

Alle Aufsichtsräte, die ihn damals gestürzt haben – Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, sein Vetter Wolfgang Porsche, Betriebsratschef Bernd Osterloh – hätten damals, also ein halbes Jahr vor dem offiziellen Betrugsgeständnis, schon vor der Dieselmanipulation gewusst. Behauptete Piëch. Er wollte Rache. Die Verräter auf der Guillotine sehen. Doch dieser Wunsch von ihm blieb zu Lebzeiten unerfüllt. (mit Jana Kugoth)

[Dieser Text ist in Teilen anlässlich des 80. Geburtstages von Ferdinand Piëch vor zwei Jahren im Tagesspiegel erschienen und wurde zu seinem Tod nun aktualisiert und ergänzt.]

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