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Wirtschaft: Touren durch den Förder-Dschungel

Der Wettbewerb der Filmstandorte ist hart – die Länder locken mit Millionen

Der Film „Das Wunder von Bern“ von Sönke Wortmann erhielt im vergangenen Jahr insgesamt 5,5 Millionen Euro Filmförderung. Der Erfolgsfilm „Good Bye Lenin“ wurde mit 2,6 Millionen Euro suventioniert, „Herr Lehmann“ mit 3,4 Millionen Euro. Noch nie wurde in Deutschland so viel Geld für Filmförderung ausgegeben – im Jahr 2003 waren es allein etwa 228 Millionen Euro.

Der Millionen-Topf weckt Begehrlichkeiten – nicht nur bei den Produzenten. Filme, die ein Kinoerfolg werden könnten, werden häufig von mehreren Institutionen gefördert, die sich neben dem wirtschaftlichen Erfolg auch eine Steigerung ihres eigenen Renommees erhoffen. So geben neben der Filmförderungsanstalt (FFA) und dem Bundeskulturministerium (BKM) auch die Bundesländer jedes Jahr Millionen für die Filmförderung aus. Dies führt schon seit vielen Jahren zu einem regen Födertourismus durch die Republik. Denn: Erhält eine Produktionsfirma Geld von einer Länderinstitution, verpflichtet sie sich, im jeweiligen Bundesland zu drehen oder zumindest die Postproduktion durchzuführen – mit positiven Effekten auf die lokale Wirtschaft.

Die größte der Landesförderanstalten ist die Filmstiftung Nordrhein-Westfalen, gefolgt vom Film- und Fernsehfonds Bayern und dem Medienboard Berlin-Brandenburg. Wie eine Medienboard-Sprecherin sagte, ist „aus 160 Millionen Euro Filmförderung in den vergangenen neun Jahren ein Regionaleffekt für Berlin und Brandenburg von einer halben Milliarde Euro entstanden“. Dieser für die strukturschwache Region erfreuliche Mehrwert ist jedoch ständig gefährdet. Zwischen den Bundesländern herrscht eine beinharte Standortkonkurrenz, die für die Produzenten absurde Folgen hat. Um möglichst viele Fördertöpfe anzapfen zu können, werden Filme häufig in einem Bundesland nur begonnen, in einem anderen Bundesland fertiggedreht und in einem dritten Land in die Postproduktion geschickt. Immer mehr Regisseure, Produzenten und Studiobetreiber plädieren angesichts dieses Fördertourismus für ein länderübergreifendes System. Philip Evenkamp von der Münchner Produktionsfirma Fanes-Film („Das Experiment“): „Es ist einfach ärgerlich, von Land zu Land ziehen und auf Biegen und Brechen dort drehen zu müssen, wenn man Fördergelder erhalten will.“

Mehr Effizienz wäre wünschenswert, denn es geht auch um Steuergelder. Die FFA bestreitet ihren Jahresetat von 70 Millionen Euro zwar ohne Mithilfe des Steuerzahlers. Der Etat der Länderinstitutionen wird aber aus Steuergeldern und den Einnahmen der Landesmedienanstalten gedeckt. Er lag 2003 bei knapp 130 Millionen Euro. Den Rest der jährlichen deutschen Filmförderung von 228 Millionen Euro steuert das BKM bei.

Als förderungswürdig gilt ein Vorhaben, wenn es erwarten lässt, die Qualität und Wirtschaftlichkeit des deutschen Films zu steigern. Wird ein Antrag bewilligt, erhält die Produktionsfirma üblicherweise ein Darlehen, das nur zurückerstattet werden muss, wenn der Film seine Produktionskosten einspielt. Wurde ein Film ein Kinoerfolg oder wurde er bei Festivals ausgezeichnet, erhält der Produzent zusätzliches Geld für künftige Projekte.

Kritiker bemängeln, dass deutsche Filmförderer vor allem nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten entscheiden – anders als etwa in Frankreich, wo jährlich 700 Millionen Euro in die nationale Förderung fließen. Dass sich die Vernachlässigung künstlerischer Kriterien mitunter auch finanziell rächt, zeigt der Film „Marlene“ aus dem Jahr 2000. Obwohl mit Fördermitteln von mehr als acht Millionen Euro ausgestattet, floppte der Film über das Leben von Marlene Dietrich an der Kinokasse. In dem Film „Der Schuh des Manitu“, den fast zwölf Millionen Kinobesucher sahen, konnten die Filmförderer hingegen kein kommerzielles Potenzial entdecken.

Fritz Niemann

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