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Für und Wider. Die Einführung einer Transaktionssteuer wurde nach der Finanzkrise immer wieder gefordert.

© picture alliance / dpa

Transaktionssteuer: Gespart und besteuert

Die Transaktionssteuer soll die Finanzindustrie an den Folgen der Krise beteiligen und Spekulation eindämmen. Für Sparer könnten allerdings Fonds und Versicherungen teurer werden.

Von Carla Neuhaus

Otmar Issing hat sie einst mit dem Ungeheuer von Loch Ness verglichen, das immer mal auf- und wieder abtaucht: die Finanztransaktionssteuer. Doch anders als von dem ehemaligen Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank vorhergesagt, kommt die vieldiskutierte Steuer jetzt tatsächlich. Elf Länder Europas, darunter Deutschland und Frankreich, wollen als Vorbild vorangehen und sie einführen.

Hinter dem sperrigen Begriff steckt eine Steuer auf Börsen- und Finanzgeschäfte. Sie funktioniert ähnlich wie eine Mehrwertsteuer und soll künftig bei jedem Kauf oder Verkauf einer Anleihe, einer Aktie oder eines Derivats fällig werden. Die Politik will auf diese Weise Banken und Hedgefonds an den Folgen der Krise beteiligen und besonders spekulative Geschäfte weniger attraktiv machen.

Allerdings könnten auch Sparer von der Steuer belastet werden. Nach der Planung der EU-Kommission sollen die Staaten die Steuer bereits zum 1. Januar 2014 einführen. Experten halten diesen Zeitplan allerdings für sehr ambitioniert, da die Mitgliedsländer noch die Details festlegen müssen. So hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble die Einnahmen aus der Steuer auch erst für 2015 eingeplant.

Alleingang statt EU-Regelung

Einen ersten Gesetzentwurf für eine Finanztransaktionssteuer hatte die EUKommission bereits im September 2011vorgelegt. Weil der aber auf Ebene der 27 EU-Staaten keine Mehrheit fand, haben sich elf Länder jetzt entschieden, im Alleingang eine solche Steuer einzuführen. Neben Deutschland und Frankreich sind das Italien, Belgien, Griechenland, Österreich, Portugal, Spanien, Estland, Slowenien und die Slowakei. Großbritannien oder Luxemburg, beides wichtige Handelsplätze, wollen sich nicht beteiligen.

Die genaue Höhe der Steuer auf Aktien, Anleihen und Derivate sollen die beteiligten Staaten selbst festlegen. Nach den Vorgaben der EU-Kommission soll sie mindestens 0,1 Prozent des Kaufpreises für Aktien oder Anleihen und 0,01 Prozent des Nominalwertes bei Derivaten betragen. Die Steuer fällt an, wenn ein Kauf oder Verkauf durch eine Bank ausgeführt wird, die ihren Sitz in einem der elf beteiligten Länder hat. Oder wenn es sich um ein Finanzprodukt handelt, das in einem dieser Länder aufgelegt worden ist. In der Praxis heißt das: Selbst wenn eine japanische Bank eine deutsche Aktie an einen amerikanischen Hedgefonds verkauft, fällt die Steuer an.

Folgen für Fondssparer
Beim Kauf einer einzelnen Aktie oder einer Anleihe dürften Verbraucher die Steuer kaum spüren. Anders sieht es aus, wenn sie einen Fonds kaufen, der das Geld der Anleger in eine Vielzahl von Finanzprodukten, zum Beispiel verschiedene Aktien, investiert. „Wie hoch die Steuer ins Gewicht fällt, hängt davon ab, wie häufig der Fonds umschichtet“, sagt Dorothea Schäfer, Forschungsdirektorin für  Finanzmärkte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Denn jedes Mal wenn die Fondsgesellschaft mit dem Geld der Anleger Aktien oder Anleihen kauft und verkauft, muss sie die Steuer bezahlen. Fondsgesellschaften klagen deshalb schon jetzt, dass die Steuer ihre Produkte spürbar teurer machen wird – weil sie einen Teil der Belastung an den Verbraucher weitergeben.

Union Investment, die Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken, hat die Belastung für ihren Fonds UniGlobal durchgerechnet, der das Geld der Anleger weltweit in Aktien investiert. Ein Verbraucher, der 40 Jahre lang 100 Euro im Monat einzahlt, kommt demnach bislang bei einer Rendite von fünf Prozent im Jahr am Ende auf 148 856 Euro. Durch die Steuer wird der Verbraucher laut der Beispielrechnung allerdings über die 40 Jahre hinweg mit 14 205 Euro belastet – um diesen Betrag wird also der Wertzuwachs geschmälert, die der Kunde mit dem Fonds erzielt.

DIW-Forscherin Schäfer hält diesen Betrag allerdings für sehr hochgegriffen. Je nach Umschlagshäufigkeit rechnet sie bei einem ähnlichen Fonds mit einer Belastung zwischen 850 bis 10 000 Euro. Um auf eine so hohe Steuerbelastung zu kommen, wie sie Union Investment unterstelle, müsse das Portfolio des Fonds zwei Mal im Jahr komplett umgeschichtet werden, meint Schäfer. Das heißt, die Gesellschaft müsste zwei Mal im Jahr alle Aktien, die im Fonds enthalten sind, verkaufen, und neue zukaufen. Außerdem, sagt die DIW-Forscherin, sei es gar nicht gesagt, dass am Ende tatsächlich der Sparer die gesamte Steuerbelastung tragen müsse. „Die Steuer wird zum Wettbewerbsargument“, sagt sie. Je weniger die Fondsgesellschaft an den Kunden weitergibt, desto bessere Chancen hätten sie am Markt.

Auch bringe die Steuer den Sparern nicht nur Nachteile, argumentiert Schäfer. Derzeit sei es für Verbraucher kaum nachvollziehbar, wie oft ein Fonds im Jahr umschichtet. „Künftig können Sparer das in etwa an der Höhe der Steuer ablesen“, sagt Schäfer. „Fonds, die überflüssig oft das Portfolio umschichten, werden als Folge vom Markt verschwinden.“

Ähnlich wie Schäfer argumentiert auch Lisa Paus, die für die Grünen im Finanzausschuss des Bundestages sitzt. „Gebühren, die Banken von ihren Kunden für Portfolio-Umschichtungen verlangen, sind viel höher als die Steuer auf Finanztransaktionen“, sagt sie. Bei einem klassischen Riestervertrag, bei dem 20 Jahre lang 1200 Euro im Jahr eingezahlt werden und der fünf Prozent Rendite bringt, lägen derzeit diese Gebühren bei 8000 Euro.

Folgen für Versicherte
Der Abschluss eines einfachen Sparbuchs, eines Versicherungsvertrags oder eines Kredits soll nicht besteuert werden. Allerdings könnten vor allem Versicherungskunden die Steuer indirekt zu spüren bekommen. So geht Christoph Kaserer, Professor für Finanzmanagement und Kapitalmärkte an der Technischen Universität München, davon aus, dass die Transaktionssteuer Versicherungen – allen voran Lebensversicherungen – teurer machen könnte. Denn auch dieVersicherer müssen das Geld der Anleger am Finanzmarkt anlegen: Sie zeichnen mit dem Geld der Versicherten zum Beispiel Fondsanteile, kaufen Staatsanleihen oder Aktien. Und wie Fondsanbieter müssen auch die Versicherer die Steuer jedes Mal entrichten, wenn sie ihre Anlage umschichten. „Einen Teil dieser Zusatzbelastung werden die Versicherer übernehmen, einen Teil werden sie aber an die Verbraucher weitergeben“, glaubt Kaserer.

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