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Traumschiff: Drama auf hoher See

Die relativ kleine MS Deutschland hat Probleme auf einem Markt, der von den großen Kreuzfahrtschiffen dominiert wird. Am Mittwoch treffen sich die Gläubiger zu einer Krisensitzung.

Von Carla Neuhaus

An Bord gibt es Drama und Streit, Missverständnisse und Lügen. Doch wenn nach 90 Minuten die Kellner den Nachtisch mit den Wunderkerzen aus der Küche tragen, ist alles wieder gut. Es ist eine Welt mit programmiertem Happy End, die die TV-Serie „Traumschiff“ den Zuschauern vorgaukelt. Dabei rumort es hinter den Kulissen gewaltig. Der Betreiber der „MS Deutschland“ schreibt seit Jahren Verluste. Ein Sanierungsteam sucht derzeit ein Zukunftskonzept – während etliche Kleinanleger um ihr Geld bangen. Sie sind über Mittelstandsanleihen an dem Schiff beteiligt. Insgesamt 50 Millionen Euro haben sie investiert. Diese Woche könnte sich entscheiden, wie es für sie und das Traumschiff weitergeht.

Für Mittwoch hat die MS Deutschland Beteiligungsgesellschaft zu einer Gläubigerversammlung eingeladen. Die Anleger sollen sich zu Zugeständnissen bereit erklären und dem Unternehmen vorläufig die Zinszahlungen stunden, die sie eigentlich im Dezember erhalten müssten. Außerdem sollen sie freiwillig auf ihr Kündigungsrecht verzichten.

Das Schiff hat mehrfach den Besitzer gewechselt

Dabei haben viele die Papiere gekauft, weil sie sie für eine sichere Anlage hielten. Schließlich kennen sie die „MS Deutschland“ aus dem Fernsehen. Außerdem sind die Anleihen mit dem Schiff besichert: Ginge die Betreibergesellschaft pleite, würde die „MS Deutschland“ verkauft und der Erlös an die Anleger ausgeschüttet. In den Büchern steht das Schiff mit 77,4 Millionen Euro. Doch ob die Betreiber es zu diesem Preis verkaufen könnten, ist fraglich. „Da es seit Jahren Verluste schreibt, dürfte es schwer sein, einen Investor zu finden“, sagt Daniel Bauer von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK).

Zuletzt hat die „MS Deutschland“ bereits mehrmals den Besitzer gewechselt. Ursprünglich gehörte sie der Reedereifamilie Deilmann. Gründervater Peter Deilmann bringt es vom Kaufmannslehrling im Kohlehandel zum wohlhabenden Großreeder. Sein größter Coup ist der Vertrag mit dem ZDF: Seit 1986 dreht der Sender das „Traumschiff“ – erst auf Deilmanns Dampfer „Berlin“, später auf seiner „MS Deutschland“. Nach Deilmanns Tod 2003 übernehmen die Töchter Gisa und Hedda die Firma. Sie haben große Pläne – müssen in der Finanzkrise aber Insolvenz anmelden.

Der Umsatz fällt wohl um sechs Prozent

lDie „MS Deutschland“ geht an den Münchner Investor Aurelius. Der will das Traumschiff wieder profitabel machen – gibt aber Anfang dieses Jahres auf. Der nächste Investor, Callista, kommt an Bord. Doch auch ihm bereitet das Schiff Probleme. Ende Juli muss die Beteiligungsgesellschaft mitteilen, dass die Umsätze der „MS Deutschland“ in diesem Jahr wohl sechs Prozent niedriger ausfallen als geplant. „Ich bin skeptisch, ob man das Schiff noch einmal attraktiver machen kann“, sagt Christian-Albrecht Kurdum, Rechtsanwalt in der Berliner Kanzlei Dr. Späth. „Die verschiedenen Betreiber versuchen das jedenfalls schon seit Jahren – bislang ohne Erfolg.“

Der Markt für Kreuzfahrtschiffe ist hart umkämpft. Zwar machen mehr Menschen Urlaub auf dem Schiff. Im vergangenen Jahr haben 6,4 Millionen Europäer eine Kreuzfahrt unternommen, ein Plus von vier Prozent zu 2012. Doch gleichzeitig werden die Kreuzfahrt-Flotten der Reedereien immer größer. 292 Passagierschiffe mit je mehr als 100 Betten sind derzeit auf den Weltmeeren unterwegs. Jedes Jahr kommen fünf bis sechs neue Schiffe hinzu. „Gleichzeitig werden weniger alte Schiffe aus dem Verkehr gezogen“, sagt Arnulf Hader, Wissenschaftler am Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) in Bremen.

Die „MS Deutschland“ hat es da schwer. Hauptproblem ist ihre Größe: Auf dem Schiff haben gerade einmal 480 Passagiere Platz. Auf den neuen sogenannten Mega-Cruisern können dagegen 3000 bis 4000 Gäste mitfahren. Und selbst auf kleineren Schiffen wie denen der Mein-Schiff- oder Aida-Flotte haben gut 2500 Passagiere Platz.

Grosse Schiffe sind preisgünstig

Je weniger Kabinen ein Kreuzfahrtschiff hat, desto schwieriger ist es, es wirtschaftlich zu betreiben. Zum einen fallen bei einem kleinen Schiff die Kosten etwa für Treibstoff stärker ins Gewicht. Zum anderen ist auf größeren Schiffen mehr Platz für Ladengeschäfte, an denen die Reederei mitverdient. „Auf manch einem großen Schiff ist eine Balkonkabine deshalb günstiger als die Innenkabine auf der MS Deutschland“, sagt Hader.

Am kommenden Mittwoch will die Beteiligungsgesellschaft den Anlegern mitteilen, wie das Traumschiff sich künftig auf dem Markt behaupten soll. Vor allem müssen die Anleger dann einen gemeinsamen Vertreter bestimmen, der sich ihrer Interessen annimmt. Übernehmen soll diese Rolle der frühere bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein. Ihn hat die Eignerfirma Callista vorgeschlagen. Allerdings sind Anlegerschützer nicht überzeugt, dass er der Richtige für den Job ist. „Beckstein fehlt aus unserer Sicht der betriebswirtschaftliche Hintergrund“, sagt SdK-Vorstand Bauer. „Er bräuchte auf jeden Fall jemanden an seiner Seite, der das ausgleicht.“ Das Drama auf der „MS Deutschland“ geht weiter. Ein Happy End ist nicht in Sicht.

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