zum Hauptinhalt

Treffpunkt Tagesspiegel: Der zweiten Mannschaft eine Chance geben

Beim Treffpunkt Tagesspiegel diskutierten Finanzexperten und Journalisten über Wege aus der Krise.

Berlin - Fritz Kuhn ist bekannt für seine markigen Worte, am Montagabend aber kam der Fraktionschef der Grünen richtig in Fahrt, als er über die Konjukturpakete der Regierung sprach. „Das ist wie Schnapssaufen gegen die Kälte“, schimpfte er. Da müsse man auch immer weitersaufen, damit es warm bleibe. Der Treffpunkt Tagesspiegel hatte Kuhn zusammen mit Wirtschaftswissenschaftlern und Journalisten ins Intercontinental geladen, um unter dem Titel „Systemwende oder Systemende?“ zu diskutieren, wie es mit der Finanzwelt weitergehen soll.

Maßnahmen wie etwa die Abwrackprämie seien „blinde Investitionen“, legte Kuhn vor mehr als 400 Zuhörern nach. Zudem seien die Pakete nicht klar genug strukturiert.

Die Krise erfordere einen ganz neuen politischen Stil, merkte die freie Journalistin und ehemalige stellvertretende Chefredakteurin des Tagesspiegels, Ursula Weidenfeld, an. Ihr Respekt für die Politik in den vergangenen Monaten sei gestiegen.

Kuhn warf der Regierung indes Fehler bei der Bankenrettung vor. Man habe sich von denen die Maßnahmen diktieren lassen, die die Krise verursacht hätten. „Als Rettungsschwimmer darf ich auch nicht den, der in Gefahr ist, fragen, wie er gerettet werden will.“

Tagesspiegel-Redakteur Harald Schumann sieht als wichtigsten Schritt, zunächst die Begünstigten zu suchen. „Wer sind die Gläubiger, die freigekauft werden?“ Diese müssten an der Sanierung beteiligt werden. Wolfgang Gerke, der Präsident des Bayerischen Finanz-Zentrums gab allerdings zu bedenken: „Es gibt in dieser Situation fast nur Verlierer."

Wirtschaftswissenschaftler Michael Burda versuchte ein Szenario zu entwerfen, wie das System gerettet werden könne. Verstaatlichung von Banken klinge zwar vernünftig, aber man müsse auch die Banker einbeziehen. „Die Banker haben diese Türme aufgebaut, und nur sie wissen, wie man sie wieder abbaut.“ Sein Vorschlag: Die erste Mannschaft feuern und der zweiten die Möglichkeit geben, die verstaatlichten Anteile zurückzukaufen, wenn sie die Bank erfolgreich aus der Krise geführt hätten.

Auch Kuhn will die Banker zur Lösung des Problems heranziehen. Die Politik solle sich von ihnen beraten lassen, dürfe ihnen aber nicht blind vertrauen. Gerke warnte die Politik davor, sich bei einer Verstaatlichung der Hypo Real Estate nicht zu überschätzen. „Der Staat ist nicht der bessere Banker.“ Die Bürger seien nur Aktionäre auf Zeit. Zudem müssten die Aufsichts- und Verwaltungsräte neu besetzt werden. „Die Leute müssen Bilanzen lesen können.“ Gerke gab sich zuversichtlich, dass die Maßnahmen zu einem positiven Ergebnis führen werden. „Die Welt wird in fünf Jahren besser aussehen als 2006.“ Florian Ernst

Weitere Fotos unter www.tagesspiegel.de/fotostrecken

Florian Ernst

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false