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Wirtschaft: Trichet: Der Pakt bietet genug Spielraum

Zentralbanker und Ökonomen warnen vor dem Plan Brüssels, den Vertrag von Maastricht zu lockern

Berlin/Frankfurt am Main - Die Europäische Zentralbank (EZB) lehnt eine Änderung des Stabilitätspaktes, wie sie die EU-Kommission in Brüssel plant, ab. „Der Pakt bietet einen angemessenen Rahmen, der allen Staaten den gleichen Spielraum für ihre Haushaltsentwicklungen bietet“, sagte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet am Donnerstag in Frankfurt am Main. Auch andere Wirtschaftsexperten warnten vor einer „Aufweichung“ des Paktes und sagten, dies könne zu Zinserhöhungen durch die EZB führen. Am Donnerstag ließ die Notenbank die maßgeblichen Leitzinsen allerdings unverändert bei 2,0 Prozent.

Hintergrund ist der Plan des neuen Wirtschafts- und Währungskommissars der EU, Joaquín Almunia. Er will am Freitag seine Vorstellungen zu einer modifizierten Anwendung des Paktes vorlegen. Bislang sah das Regelwerk vor, dass die Mitglieder der Euro-Währungsunion maximal neue Schulden in Höhe von drei Prozent ihres jeweiligen Bruttoinlandsproduktes aufnehmen dürfen. Mit dieser Marke hatten vor allem Deutschland und Frankreich Probleme, sie verfehlten sie in den vergangenen drei Jahren. Auf ihren Druck hin setzte der EU-Ministerrat im November 2003 das Defizitverfahren aus – sonst wären Strafen in Milliardenhöhe fällig geworden. EU-Kommissar Almunia will nun flexiblere Regeln einführen, die zudem stärker die Gesamtverschuldung sowie die aktuelle Lage eines Landes berücksichtigen sollen (siehe Kasten).

Trichet lehnte dieses Vorhaben aber nicht rundheraus ab. Verbesserungen bei der Umsetzung der Bestimmungen befürworte der EZB-Rat, sagte der Zentralbank-Präsident. So müsse es zum Beispiel mehr Druck geben, damit die Regeln in guten Zeiten eingehalten würden. Außerdem müsse ein strafferer Zeitplan für die Überwachung her. Diese Punkte sind nicht Teile des Almunia-Programms.

Wirtschaftsforscher lehnen das Vorhaben der EU ab. „Das Misstrauen gegen die neue Auslegung des Paktes halte ich für berechtigt“, sagte Heinz Grossekettler, Finanzwissenschaftler in Münster und Vorsitzender des Beirats von Finanzminister Hans Eichel, dieser Zeitung. Die EZB werde „allergisiert“ sein, sollte sich Almunia durchsetzen. Missachteten in Zukunft mehrere Länder den Pakt bewusst, werde es Konsequenzen für die Euro-Stabilität geben. „Dann muss die EZB reagieren. Sie wird in Zukunft noch stärker auf die Geldwertstabilität achten“, sagte Grossekettler. Deutschland habe bereits das höchste Realzinsniveau in der Eurozone – „eine weitere Anhebung wäre schädlich für das Wachstum. Wenn die EZB einen härteren Kurs fährt, würde das Deutschland am stärksten treffen.“ Kompliziertere Regeln im Pakt „erschweren es der Öffentlichkeit, die Finanzpolitik der Regierungen zu überwachen“, bemängelte er. „Einfache, transparente Regeln sind wichtig, damit die Wähler eine falsche Politik verstehen und abstrafen können.“

Auch Michael Hüther, Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, lehnte Änderungen am Pakt ab. „Das ist der Beginn einer Aufweichung, deren Ende ich nicht sehe“, kritisierte er. Wenn sich die Finanzpolitik nicht mehr um die Regeln schere, müsse die Geldpolitik diese Rolle mittelfristig übernehmen. „Das heißt, die EZB müsste härter agieren, als es konjunkturell eigentlich geboten wäre, um ihre Glaubwürdigkeit sicherzustellen. Bei den Problemen, die wir in Deuitschland haben, wäre das sehr schädlich“, warnte er. Der Pakt müsse eher verschärft als gelockert werden. „Verstöße gegen die Schuldenregeln müssen automatisch geahndet werde. Es kann nicht angehen, dass der Beklagte auch die Rolle des Richters übernimmt.“

Die EZB erklärte derweil, für die kommenden Monate habe sie noch keine Zinserhöhung ins Auge gefasst – obwohl sie für die Eurozone ihre Wachstumsprognose für 2004 von 1,7 auf 1,9 Prozent erhöhte. Allerdings sorgte sie sich wegen der hohen Ölpreise um eine steigende Inflation. „Es gibt Aufwärtsrisiken, die sind sehr sichtbar“, sagte Trichet. Die Inflationsrate, die seit Mai etwas über zwei Prozent liegt, werde im Jahresschnitt bei 2,2 Prozent liegen. Preisniveaustabilität sieht die EZB bei einer Rate von bis zu zwei Prozent gewährleistet. mit dpa

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