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Frankfurts Banken-Skyline

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Trotz neuer Kontrollen: Die Bankenbranche ist immer noch gefährlich

Angst vor der Abwicklung: Die Politik hat den Banken jede Menge neuer Regeln auferlegt – trotzdem halten Experten die Branche noch immer für gefährlich.

Von Carla Neuhaus

Die Ansage von Angela Merkel war klar. „Wir wollen die Finanzkrise nicht einfach überstehen. Wir wollen stärker aus ihr herausgehen, als wir hineingekommen sind.“ Das sagte die Kanzlerin in ihrer Neujahrsansprache – vor sechs Jahren. Wie ihre Kollegen aus anderen Ländern hatte Merkel damals harte Monate hinter sich. Im September war die US-Bank Lehman Brothers zusammengebrochen und hatte eine bis dahin unvorstellbare Kettenreaktion ausgelöst. Heute dagegen – sagen die Politiker – sei das Finanzsystem sicherer. Doch stimmt das auch? Sind die Institute tatsächlich weniger krisenanfällig? Experten haben Zweifel.

Keine Bank soll mehr mit Steuergeldern am Leben gehalten werden

Dabei waren die Politiker in den vergangenen Jahren nicht untätig. Im Gegenteil. Auf EU- wie auf Bundesebene haben die Staats- und Regierungschefs seit 2008 etliche neue Regeln eingeführt, um besser für eine Finanzkrise gewappnet zu sein. Im gerade zu Ende gegangenen Jahr haben sie die Europäische Bankenunion auf den Weg gebracht. Das heißt: Große Institute werden künftig von der Europäischen Zentralbank (EZB) beaufsichtigt. Geldhäuser, die zusammenbrechen, sollen abgewickelt werden können – anstatt sie mit Steuergeldern am Leben zu halten. Außerdem gibt es einheitlichere Regeln für die Sicherung der Spareinlagen. Und: Die Banken müssen inzwischen deutlich mehr Eigenkapital vorhalten und so für den Ernstfall vorsorgen.

Mehr Sicherheit? Irrtum

Das alles hört sich gut an. Und doch heißt es nicht, dass das Finanzsystem sicherer ist. Dorothea Schäfer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht noch immer Schwachstellen. Die Ökonomin glaubt zum Beispiel nicht, dass die Politiker ihr Versprechen halten können, künftig für die Bankenrettung weniger Steuergeld einzusetzen. Zwar gibt es neue Regeln für die Bankenhaftung – doch über die könnten sich die Regierungen von Fall zu Fall locker hinwegsetzen.

Eigentlich sollen künftig erst die Gläubiger und die Eigentümer der Banken bei einer Rettungsaktion zahlen. Anschließend soll Geld aus dem neuen Abwicklungsfonds fließen, in den die europäischen Banken bis 2024 insgesamt 55 Milliarden Euro einzahlen müssen. Und erst wenn auch das nicht reicht, soll der Staat einspringen. So weit die Theorie. Doch Schäfer meint, dass das in der Praxis kaum durchsetzbar sei. „Gerät eine Großbank in Schieflage, wird die Politik von diesem Kaskadenmodell schnell Abstand nehmen“, glaubt sie. Die Ansteckungsgefahr sei zu groß, die Folgen für die Volkswirtschaft zu heftig. „Das Versprechen, dass der Steuerzahler nie wieder für die Rettung einer Bank zahlen muss, kann die Politik dann nicht mehr einhalten.“

Die Großen wird man auch in Zukunft retten

Auch ist noch immer nicht klar, wie man eigentlich mit  Banken umgehen soll, die zu groß sind, um fallen gelassen zu werden („Too big to fail“). Daran ändert auch die neue Abwicklungsbehörde nichts. Sie soll dafür sorgen, dass eine Bank, die nicht mehr lebensfähig ist, vom Markt verschwindet. So wie es in anderen Wirtschaftsbereichen selbstverständlich ist. Doch je größer eine Bank, desto schwerer sei es, sie untergehen zu lassen, meint Thomas Heidorn, Professor an der Frankfurt School of Finance and Management. „Systemrelevante Häuser wird der Staat auch in Zukunft retten müssen“, glaubt der Ökonom.

Selbst wenn die Abwicklungsbehörde plane würde, ein Großinstitut zu zerschlagen, würden im Zweifel wohl EU-Kommission und Finanzminister von ihrem Vetorecht Gebrauch machen. „Kein Politiker wird sich trauen, eine Großbank abwickeln zu lassen“, ist auch DIW-Wissenschaftlerin Schäfer überzeugt. Hierzulande ist es vor allem die Deutsche Bank, die zu groß ist, als dass die Regierung sie fallen lassen dürfte. „Auch die Commerzbank halte ich nicht für abwickelbar“, sagt Schäfer. „Dafür ist dort bereits zu viel Geld vom Staat reingeflossen.“

Ist die EZB die richtige für den Job?

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Im vergangenen Jahr hat sich einiges für die Banken verändert. Sie werden nun von der EZB beaufsichtigt und können im Zweifel abgewickelt werden.

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Einen Vorteil hat die neue Abwicklungsbehörde immerhin: „In vielen europäischen Ländern gab es vorher gar kein spezielles Verfahren, nach dem Banken abgewickelt werden“, sagt Martin Hellwig,  Direktor am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn. Insofern gebe es nun zumindest klarere Regeln, wie man überhaupt mit einem kriselnden Institut umgehen sollte.

Für richtig halten die meisten Experten es, dass die Großinstitute der Euro-Zone künftig zentral beaufsichtigt werden. Nicht ganz so glücklich sind manche damit, dass ausgerechnet die EZB diese Rolle übernommen hat. „Darauf hat sich die Politik geeinigt, weil sie die EU-Verträge nicht ändern wollte“, sagt Hellwig. „Dabei wäre es besser gewesen, Geldpolitik und Bankenaufsicht strikt voneinander zu trennen.“ Denn so könnte die EZB schnell in einen Interessenkonflikt geraten. Sie könnte Entscheidungen treffen, die nur dazu dienen, Banken zu retten – und nicht dem geldpolitischen Ziel folgen, die Preise stabil zu halten.

Nur das Geld zählt, nicht die Idee

Auch an der inhaltlichen Ausrichtung der Aufsicht gibt es Kritik. So prüft die EZB in ihrem jährlichen Stresstest etwa nur, ob die Banken ausreichend Eigenkapital vorhalten – nicht aber ob sie ein nachhaltiges Geschäftsmodell haben. Und das sei bei vielen Instituten ein Problem, sagt Christoph Kaserer, Bankenprofessor an der TU München. „Bankmanager beschäftigen sich heute vor allem mit der Regulierung statt mit der so wichtigen Frage, wie das Institut noch am Markt bestehen kann.“ Langfristig geht er deshalb davon aus, dass längst nicht alle Institute überleben werden. In den kommenden Jahren werde es im Bankensektor eine deutliche Konsolidierung geben, glaubt Kaserer. Vor allem kleinere Institute müssten sich dann zusammenschließen, um zu überleben.

Die Banken selbst sehen sich gut aufgestellt. Laut Jürgen Fitschen, Co- Chef der Deutschen Bank und Präsident des Bankenverbands, hat der Finanzplatz deutlich an Stabilität gewonnen. Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon sieht das ähnlich. Risiken, sagt er, entstünden nun eher an anderer Stelle. „Gefahren dürften künftig eher von Schattenfinanzdienstleistern drohen, die keine Banken sind, aber sich in vielen Bereichen verhalten wie Banken.“

Wer über die Banken bestimmt: Eine Übersicht

Im vergangenen Jahr hat sich einiges für die Banken geändert. Ein engmaschiges Überwachungsnetz soll verhindern, dass sich Finanzkrisen wiederholen:

Aufsicht

Im November hat die Bankenaufsicht der Euro-Zone ihre Arbeit aufgenommen. Sie ist bei der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main angesiedelt. Geleitet wird die Einheit von der Französin Daniele Nouy, die sagt, sie wolle streng, aber fair vorgehen. Unter die neue Aufsicht fallen alle Banken der Euro-Zone mit einer Bilanzsumme von mehr als 30 Milliarden Euro. Insgesamt sind das 128 Institute, davon 21 aus Deutschland. Überwacht werden die Banken von Teams unterschiedlicher Nationalitäten. Dabei gilt: Der Teamleiter darf nicht aus demselben Land kommen wie die Bank, die er prüft. Zudem rotieren die Teams, damit sie nicht zu lange dasselbe Institut überwachen. Für kleinere Banken bleiben die nationalen Behörden zuständig: in Deutschland die Bafin und die Bundesbank.

Daniele Nouy leitet die Bankenaufsicht.
Daniele Nouy leitet die Bankenaufsicht.

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Standards

Nach welchen Standards die EZB und nationale Behörden die Banken überwachen, legt die European Banking Authority (EBA) fest. Die Behörde mit Sitz in London soll dafür sorgen, dass die Kontrolle der Institute in der EU stärker vereinheitlicht wird. Dafür arbeitet die EBA an einem Regelwerk, dem Single Rulebook. Theoretisch hätte die EBA auch anstelle der EZB die Bankenaufsicht übernehmen können. Allerdings stand die Behörde in der Kritik, weil sie nach Ansicht vieler Experten bei ihren Stresstests zu lasch vorgegangen sei. Geleitet wird die EBA von dem Italiener Andrea Enria.

Risikorat

Um Finanzkrisen in Zukunft besser vorzubeugen, gibt es auf europäischer Ebene seit 2011 einen Risikorat: den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (ESRB). Angesiedelt ist er bei der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main, Vorsitzender des ESRB ist der EZB-Präsident Mario Draghi. Dieser Ausschuss beobachtet zum Beispiel, wie stabil Europas Finanzsystem als Ganzes ist und soll rechtzeitig Warnungen aussprechen und Empfehlungen geben. Adressat können dabei die EU-Kommission, die EU insgesamt, einzelne Mitgliedstaaten sowie nationale Aufsichtsbehörden sein. Der Haken dabei: Die Warnungen und Empfehlungen des ESRB sind nicht verbindlich.

Liquidität

Um zahlungsfähig zu bleiben, brauchen Banken Liquidität (flüssige Mittel). Haben sie davon zu wenig, können die Institute sie sich bei der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main gegen Sicherheiten besorgen. Zu welchen Konditionen sie das tun können, hängt vom Leitzins ab, den die EZB regelmäßig anpasst. Notenbankchef Mario Draghi hält den Zins nun schon sehr lange sehr niedrig (mittlerweile liegt er bei 0,05 Prozent). Draghi hofft, auf diese Weise Banken im Süden Europas dazu animieren zu können, mehr Kredite zu vergeben. Weil das jedoch bislang eher schlecht funktioniert, verlangt die EZB inzwischen einen Strafzins von Banken, die Liquidität bei der Zentralbank parken wollen, statt sie in Form von Krediten auszureichen. Die Institute geben die Konditionen der Zentralbank in der Regel an ihre Kunden weiter.

Abwicklung

Banken, die in eine finanzielle Schieflage geraten, sollen in Zukunft schneller abgewickelt werden können. Dafür gibt es eine neue Abwicklungsbehörde mit Sitz in Brüssel, das Single Resolution Board (SRB). Die Behörde muss künftig entscheiden, welche kriselnde Bank gerettet und welche abgewickelt wird. An ihrer Spitze steht Elke König, die bisherige Chefin der deutschen Finanzaufsicht Bafin. Ein Jahr hat sie noch Zeit, die Behörde aufzubauen – die ersten Banken kann das SRB Banken frühestens Anfang 2016 abwickeln. Entscheiden dürfen König und ihre Kollegen dann aber nur über die Abwicklung von Instituten, die unter die EZB-Aufsicht fallen. Und: Die EU-Kommission muss jeden Beschluss des SRB bestätigen, der Finanzministerrat kann Widerspruch einlegen. Um die Abwicklung der Institute zu finanzieren, wird ein Fonds aufgebaut: Banken müssen von 2016 bis 2024 darin 55 Milliarden Euro einzahlen. Je größer ein Institut ist, desto stärker soll es sich an der Finanzierung des Fonds beteiligen.

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