zum Hauptinhalt
Bald wieder aufwärts? Olaf Scholz (SPD) hofft auf ein Ende des Handelsstreits zwischen China und den USA.

© Tobias Schwarz/AFP

Trotz schwächelnder Konjunktur: Finanzminister Scholz verbreitet Optimismus

Die deutsche Konjunktur kühlt ab, Finanzexperten und EZB-Chef Draghi sind besorgt. Nur der Finanzminister rechnet noch mit rascher Besserung.

Berlin - Der Blick in die Zukunft kann zuweilen zu unterschiedlichen Interpretationen und Ergebnissen führen. Doch für die deutsche Konjunktur mehren sich die Zeichen einer spürbaren Abkühlung. Ein großer Teil der Finanzexperten für Deutschland geht inzwischen davon aus, dass sich die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland in den kommenden sechs Monaten verschlechtern wird, teilte das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am Dienstag mit.

Wichtige Faktoren sind demnach die Sorge um die Weltwirtschaft sowie die schlechtere aktuelle Lage der deutschen Wirtschaft. Der Index fiel um 19 Punkte auf einen Wert von minus 21,1 Punkten. Er liegt damit weit unter dem langfristigen Durchschnitt von plus 22 Punkten.

Ifo: Deutsche Wirtschaft geschrumpft

Auch das Essener RWI-Institut senkt seine Konjunkturprognosen für die deutsche Wirtschaft. Das Bruttoinlandsprodukt werde in diesem Jahr um 0,8 und im kommenden um 1,4 Prozent wachsen, teilte das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) am Dienstag mit. Im März war es noch von 1,0 und 1,6 Prozent ausgegangen. Im laufenden Quartal geht eine aktuelle Prognose des Ifo–Institut sogar von einer Schrumpfung der deutschen Wirtschaft aus. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte von April bis Juni um 0,1 Prozent zum Vorquartal sinken, sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Zu Jahresbeginn hatte es noch ein Wachstum von 0,4 Prozent gegeben. „Der private Konsum dürfte im zweiten Quartal zurückgehen“, begründete der Experte. „Auch die Exportflaute setzt sich fort.“

Die schlechtere Konjunktur dürfte auch der Staat zu spüren bekommen. Nach dem Rekordüberschuss im Staatshaushalt von gut 57 Milliarden Euro im vergangenen Jahr zeichne sich für 2019 ein Plus von nur noch 42 Milliarden und für 2020 von knapp 32 Milliarden Euro ab. Die Schuldenstandquote, die Ende 2018 noch rund 61 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erreichte, dürfte in diesem Jahr merklich unter die in den EU-Verträgen vorgesehene 60-Prozent-Obergrenze rutschen.

Brexit, Iran-Krise und Handelsstreit lähmt die Wirtschaft

Eine Rezession – also mindestens zwei Minus-Quartale in Folge – erwartet das Institut aber nicht. Ifo-Präsident Clemens Fuest ist auch deshalb gegen ein staatliches Ausgabenprogramm zur Förderung der Wirtschaft. „Es ist nicht sinnvoll, so etwas einzuleiten wie ein Konjunkturprogramm“, sagte er. „Viele Faktoren, die die Industrie belasten, kommen zudem aus dem Ausland“, ergänzte er mit Blick auf Handelskonflikte, Brexit oder Iran-Krise. Da könne die Bundesregierung relativ wenig machen. Sie könne aber die Rahmenbedingungen verbessern, etwa in der Energie- oder Steuerpolitik, um so den Standort zu stärken.

Ähnlich stark fielen auch die Konjunkturerwartungen für die gesamte Eurozone, teilt das ZEW mit. So hätten sich Produktion, Exporte und Einzelhandelsumsätze in Deutschland im April schlechter entwickelt als erwartet, erklärte ZEW-Präsident Achim Wambach. Belastet werde der Ausblick zudem durch die Verschärfung des Konfliktes zwischen den USA und China. Sorgen bereite außerdem das gestiegene Risiko eines militärischen Konfliktes im ölreichen Nahen Osten. Schließlich sei durch den Rücktritt der britischen Premierministerin Theresa May die Wahrscheinlichkeit eines ungeordneten Austritts Großbritanniens aus der EU gestiegen.

Draghi: Werden alle Flexibilität nutzen

Diese Entwicklung beobachtet offenbar auch EZB-Chef Mario Draghi, der auf den letzten Metern seiner Amtszeit die Weichen für eine erneute Lockerung der Geldpolitik stellt. Wenn die Inflation weiterhin nicht anziehe, werde zusätzlicher geldpolitischer Anschub erforderlich sein, sagte er am Dienstag auf dem EZB-Notenbankforum im portugiesischen Sintra. „Wir werden alle Flexibilität innerhalb unseres Mandats nutzen, um unseren Auftrag zu erfüllen.“

Immerhin einer verbreitet weiterhin Optimismus: Bundesfinanzminister Olaf Scholz SPD. Der sonst eher zurückhaltende Sozialdemokrat rechnet mit einer baldigen Konjunkturerholung. „Wir erwarten, dass das Ende des Jahres wieder besser werden wird und im nächsten Jahr auch“, sagte er am Montag nach einem Treffen der Bundesregierung mit den Sozialpartnern in Meseberg. Die gegenwärtige Wachstumsschwäche habe mit weltweiten Spannungen wie dem Handelsstreit zwischen den USA und China zu tun. „Wenn die zu Ende gehen, kann man davon ausgehen, dass es sogar einen neuen zusätzlichen Impuls für die Weltwirtschaft geben wird.“ Die Glaskugel, sie bleibt neblig. mit rtr/AFP

Zur Startseite