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Wirtschaft: Trüber Glanz

Die Europäische Union will prüfen, ob mit importierten Diamanten Bürgerkriege finanziert werden

Brüssel. Als der belgische Geschäftsmann George Forrest im September vor einem Untersuchungsausschuss des belgischen Senats aussagte, konnte er seine Hände noch in Unschuld waschen: Kein UN-Untersuchungsbericht erwähne ihn, verkündete der Mann, dessen Firmen in der Kongo-Provinz Katanga im großen Stil Bodenschätze ausbeuten. Inzwischen hat sich das geändert. Ein UN-Expertenpanel empfiehlt dem UN-Sicherheitsrat jetzt, gegen Forrest finanzielle Sanktionen und ein Reiseverbot zu verhängen.

Mit ihm auf der Liste sind weitere belgische Betriebe aus dem Diamantenzentrum Antwerpen, denen vorgeworfen wird, Diamanten aus afrikanischen Kriegsgebieten zu importieren und damit Rebellenarmeen im Kongo zu Einnahmen zu verhelfen, mit denen sie ihre Kämpfer bezahlen können.

Für Antwerpen, den größten Umschlagplatz von Diamanten auf der Welt, ist der UN-Bericht eine peinliche Ohrfeige. Diamantenhändler, die ohne dubiose Bezugsquellen auskommen, fürchten bereits, ihre Branche könnte durch die schwarzen Schafe auf „ähnliche Weise an den öffentlichen Pranger gestellt werden wie seinerzeit die Pelztierzucht“, so Kirsten Hund von „Fatal Transactions“, einer Initiative gegen den Handel mit Konfliktdiamanten. „Diamanten tragen in vielen Fällen zur Entwicklung bei – vorausgesetzt, der Erlös kommt der gesamten Gesellschaft und nicht nur Rebellenorganisationen und dubiosen Händlern zugute."

Um das Image seiner Diamantenindustrie zu schützen, die sieben Prozent des gesamten Außenhandels ausmacht, hat Belgien bereits ein rigides Kontrollsystem eingeführt: Jedes Diamantenpäckchen wird geöffnet und kontrolliert, wer keine Ausfuhrgenehmigung des Herkunftslandes hat, darf nicht nach Belgien einführen.

Das System hat allerdings zwei Lücken: Es verhindert nicht, daß Diamanten aus Kriegsgebieten in nicht mit UN-Sanktionen belegte Nachbarländer geschmuggelt und dort mit Ausfuhrgenehmigungen ausgestattet werden. Da es in der EU keine Zollkontrollen an den Binnengrenzen mehr gibt, können Diamantenhändler ihre „Blutdiamanten“ auch über ein beliebiges EU-Land ohne Kontrollsystem einführen und von dort nach Antwerpen bringen.

Um diese Lücke zu schließen, hat die Europäische Kommission inzwischen vorgeschlagen, ein EU-weites Kontrollsystem nach belgischem Vorbild einzurichten.

Das kann aber nur funktionieren, wenn sich die Diamantenindustrie selbst verpflichtet, den Weg der von ihr gehandelten Edelsteine lückenlos nachprüfbar zu machen. Nur so könnte beispielsweise die südafrikanische Regierung sicher sein, daß Diamanten, die sie mit einer Ausfuhrgenehmigung versieht, auch tatsächlich aus Südafrika stammen und nicht aus einer Mine in Katanga, in der die einheimische Bevölkerung von Rebellen zur Zwangsarbeit eingesetzt wird.

Das Kontrollsystem, an dessen Errichtung bisher 45 Staaten mitarbeiten, die Diamanten herstellen, handeln oder einführen, soll zum 1. Januar 2003 operativ werden. Am 4. und 5. November treffen sich die Vertreter der beteiligten Regierungen im schweizerischen Interlaken zur Unterzeichnung eines Abkommens, mit dem das Kontrollsystem in Gang gesetzt werden soll.

Doch die Industrie wehrt sich gegen Zuviel Kontrolle. Deren weltweite Interessenvertretung Weltdiamantenkongress hat bei ihrem letzten Treffen Ende Oktober statt des von der EU-Kommission geforderten Systems nur einen Entwurf für eine lauwarme Ehrenerklärung verabschiedet. Darin versprechen die Teilnehmerfirmen nur, ihre Diamanten stammten nicht aus Gebieten, die von der Uno mit einem Handelsboykott belegt seien. Nachprüfen könne man das aber nicht, klagen Menschenrechtsorganisationen. Jurij Steverlingk, Sprecher des Antwerpener „Hohen Diamantrats": „Zu rigide Regelungen führen nur dazu, dass die Händler aus Antwerpen und London abwandern an Börsen mit weniger Skrupeln außerhalb Europas."

Klaus Bachmann

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