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Recep Tayyip Erdoğan dürfte versuchen, im kommenden Jahr die Nachfolge von Staatspräsident Abdullah Gül anzutreten. Erdogan könnte dann den 100. Geburtstag der Republik im höchsten Staatsamt feiern.

© AFP

Türkei: Große Pläne am Bosporus

Die Türkei investiert 200 Milliarden Euro in ihre Infrastruktur. Dazu gehört nicht nur der größte Flughafen der Welt, sondern auch drei Atomkraftwerke.

Für kapitalstarke Investoren, kompetente Konstrukteure und leistungsfähige Baukonzerne gibt es zurzeit viel zu tun in der Türkei. Am Freitag schrieb die Regierung gleich zwei Mega-Projekte aus: westlich von Istanbul den Bau des weltgrößten Flughafens, der rund sieben Milliarden Euro kosten soll, und die Konstruktion eines Atomkraftwerks, veranschlagt auf 17 Milliarden Euro. Doch das sind nur zwei von einem Dutzend Jahrhundert-Vorhaben, mit denen Ministerpräsident Tayyip Erdogan sein Land bis 2023, wenn sich die Gründung der Republik zum 100. Mal jährt, unter die zehn größten Wirtschaftsnationen der Erde führen will.

Die türkische Wirtschaft soll 2013 um mehr als fünf Prozent wachsen

Derzeit liegt die Türkei global auf Rang 17. Gehörte das Land zur EU, wäre es dort die Nummer sechs. Aber beim Wirtschaftswachstum wird die Türkei eh nicht an europäischen Maßstäben gemessen: 2010 und 2011 lag sie mit Wachstumsraten von neun und 8,5 Prozent gleichauf mit China. Und wenn, wie 2012, das Bruttoinlandsprodukt einmal nur um 2,2 Prozent zulegt, dann spricht man bereits von einer Rezession. In diesem Jahr soll die Wirtschaftsleistung aber wieder um mehr als fünf Prozent zulegen. Um diesen Prozentsatz ist die türkische Wirtschaft in den vergangenen zehn Jahren jährlich im Durchschnitt gewachsen, und dabei soll es auch im kommenden Jahrzehnt bleiben.

Infrastrukturprojekte im Volumen von umgerechnet 200 Milliarden Euro sind in der Planung. Zu ihrer Verwirklichung setzt die Regierung vor allem auf privates Kapital: „Ich lade sie ein, im Zentrum der Welt zu investieren“, sagte Verkehrsminister Binali Yildirim Ende März selbstbewusst auf einer Konferenz in London. Der wichtigste Wachstumsmotor wird die 15-Millionen-Metropole Istanbul sein. Hier geht ein Großprojekt bereits seiner Vollendung entgegen: Marmaray, ein fast 14 Kilometer langer Eisenbahntunnel, der den Bosporus unterquert und die bisher getrennten Schienennetze im europäischen und asiatischen Teil der Metropole miteinander verknüpft. Damit entsteht zugleich eine durchgängige Eisenbahnverbindung vom Balkan in den Nahen Osten.

Ein weiteres Milliardenprojekt: eine künstliche Wasserstraße vom Schwarzen Meer zum Marmarameer

Auch überirdisch soll es flüssiger laufen zwischen den beiden Kontinenten: In Kürze beginnt der Bau einer dritten Hängebrücke über den Bosporus. Das auf 3,5 Milliarden Euro bezifferte Brückenprojekt ist Teil der geplanten Marmara-Autobahn, die als Europastraße 80 von Lissabon in Portugal über Istanbul bis zur iranischen Grenze führen soll. Die Fernstraße wird auch an den geplanten Istanbuler Großflughafen angebunden. Er soll 2017 in Betrieb gehen und anfangs für 70 Millionen Passagiere im Jahr ausgelegt sein. In der zweiten Ausbaustufe wird der Airport mit sechs Bahnen sogar 150 Millionen Fluggäste pro Jahr abfertigen können. Er wäre damit nach heutigen Maßstäben der größte der Welt.

Die Katastrophe von Fukushima ändert nichts an den Plänen

Unweit des Flughafens soll ein weiteres Milliardenprojekt entstehen, der Istanbul-Kanal, eine künstliche Wasserstraße vom Schwarzen Meer zum Marmarameer. Ein japanisch-französisches Konsortium gilt als Favorit für den Bau des zweiten türkischen Atomkraftwerks bei Sinop an der Schwarzmeerküste. Bis 2023 will die Türkei insgesamt drei Atommeiler ans Netz bringen. Auch die Katastrophe von Fukushima hat den Glauben der islamisch-konservativen Regierung an die Kernenergie nicht erschüttern können.

Erdogan wird das Jubiläumsjahr 2023 zwar nicht mehr als Regierungschef erleben, denn nach den Statuten seiner Partei darf er bei den Wahlen im Juni 2015 nicht ein viertes Mal kandidieren. Deshalb dürfte Erdogan versuchen, im kommenden Jahr die Nachfolge von Staatspräsident Abdullah Gül anzutreten. Erdogan könnte dann den 100. Geburtstag der Republik im höchsten Staatsamt feiern. Bis dahin soll auch ein weiteres Großprojekt fertig sein, das dem frommen Premier besonders am Herzen liegt: Vergangenen Monat begannen auf dem Camlica-Hügel über Istanbul die Arbeiten zum Bau einer riesigen Moschee. Das gigantische Gotteshaus soll 30 000 Gläubigen Platz bieten und gleich sechs Minarette haben, „die höchsten der Welt“, wie Erdogan verspricht.

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