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Der Atatürk-Flughafen stößt an seine Kapazitätsgrenzen.

© REUTERS

Türkei: In Istanbul soll der weltgrößte Flughafen entstehen

In vier Jahren sollen bereits die ersten Maschinen vom türkischen Großflughafen starten. Kritiker warnen vor Pannen wie in Berlin.

Noch ist es ruhig am Terkos-See. Das Gewässer und seine Umgebung rund 40 Kilometer nördlich der türkischen Metropole Istanbul ziehen bisher vor allem Angler, Zugvögel und Wochenendausflügler an. Doch schon in wenigen Jahren wird die Gegend in der Nähe der Schwarzmeerküste nicht mehr wiederzuerkennen sein, wenn es nach den Plänen der türkischen Regierung geht: Sie will hier für sieben Milliarden Euro den größten Flughafen der Welt bauen lassen, mit sechs Startbahnen, Stellplätzen für 500 Flugzeuge und einer Kapazität von 150 Millionen Passagieren im Jahr.

In vier Jahren sollen die ersten Maschinen auf dem Riesen-Airport landen, der in vier Phasen auf das endgültige Maß ausgebaut wird. Bis Anfang Mai läuft die Ausschreibung für das Projekt. Kritiker warnen die Planer vor Umweltrisiken und übereilten Schritten – und verweisen auf das Flughafen-Debakel von Berlin.

Über einen dritten Flughafen in Istanbul wird bereits seit einigen Jahren nachgedacht. Die beiden bestehenden Airports – der Atatürk-Flughafen mit derzeit rund 44 Millionen Passagieren im Jahr und der Flughafen Sabiha Gökcen mit 14 Millionen Reisenden – stoßen an die Grenzen ihrer Kapazitäten und können wegen umliegender Wohngebiete nicht erweitert werden. Allein die Passagierzahlen auf dem Atatürk-Airport haben sich seit 2006 mehr als verdoppelt. Das liegt unter anderem am steilen Aufstieg der halbstaatlichen Fluggesellschaft Turkish Airlines (THY), die Istanbul systematisch zu einem internationalen Drehkreuz ausbaut und derzeit mit der Lufthansa über eine Überkreuzbeteiligung verhandelt.

THY wächst so stark wie kaum eine andere Airline auf der Welt. Im vergangenen Jahr beförderte das Unternehmen knapp 40 Millionen Passagiere, 20 Prozent mehr als noch 2011. Bis 2020 will die Airline die Flotte von derzeit 185 auf 350 Maschinen ausbauen und schon bis 2017 mindestens 15 Langstreckenjets vom Typ Boeing 777 kaufen. Erst vor wenigen Monaten hatte THY dieselbe Anzahl an Airbus-Jets des Typs 330 bestellt. All diese Maschinen müssen irgendwo hin.

Am Terkos-See soll in einigen Jahren auch der Riesen-Airbus 380 landen können, der für die bisherigen Istanbuler Flughäfen zu groß ist. Mit dem neuen Flughafen werde Istanbul zu einem Drehkreuz „zwischen Westeuropa und dem fernen Osten“, sagt Verkehrsminister Binali Yildirim. Gleich neben dem neuen Flughafen soll eine ganz neue Stadt aus dem Boden gestampft werden, unter anderem zur Ausrichtung der Olympischen Spiele im Jahr 2020, um die sich die Türkei bewirbt.

Nach den Worten des amerikanischen Städteplaners Sidney Rasekh, der die türkische Regierung bei den Großprojekten berät, will die Türkei mit dem neuen Flughafen in die globale Oberliga aufsteigen: Istanbul solle zu einem der fünf oder sechs wichtigsten Drehkreuze des internationalen Luftverkehrs gemacht werden, sagt Rasekh. Nur Zentren wie Hong Kong oder London sollen sich von der Bedeutung her mit Istanbul messen können. Insofern ist der neue Flughafen auch ein Ausdruck des Selbstbewusstseins der aufsteigenden Wirtschafts- und Regionalmacht Türkei.

Derzeit bringt es der Flughafen mit dem weltweit größten Passagieraufkommen, der Airport in Atlanta in den USA, auf etwa 92 Millionen Reisende im Jahr. Diese Größenordnung streben die Planer in Istanbul schon für den Abschluss der ersten Bauphase im Jahr 2017 an. Am AtatürkFlughafen sollen unterdessen Frachttransporte und Flugzeugwartungen weitergehen.

Ihre ehrgeizigen Ziele gehen die Türken mit der Rückendeckung der Regierung, viel Geld und hohem – selbst auferlegten – Zeitdruck an. Insgesamt 80 000 Menschen sollen für den Bau des Riesenflughafens beschäftigt werden, später sollen 120 000 Menschen am Airport arbeiten, der insgesamt 7700 Hektar groß werden soll. Minister Yildirim gab die Eckdaten für die Materialschlacht vor: 350 000 Tonnen Baustahl, 415 000 Quadratmeter Glasfläche, ein Hauptterminal von 680 000 Quadratmetern Größe, 70 000 Auto-Parkplätze. Gebaut wird der Airport im Build-Operate-Transfer-Modell, nach dem der Gewinner der Ausschreibung den Flughafen 25 Jahre lang betreiben darf. Zu den an dem Projekt interessierten Unternehmen gehört auch Fraport, der Betreiber des Rhein-Main-Flughafens, der sich bereits beim Flughafen im südtürkischen Urlaubsort Antalya engagiert.

Ob alles so glatt läuft, wie sich die Regierung das erhofft, ist aber nicht sicher. Umweltschützer protestieren gegen die geplante Abholzung von mehreren tausend Hektar Wald und verweisen darauf, dass die Gegend um den Terkos-See ein Ruheplatz für Zugvögel ist. „Ruhe- und Futterplätze der Vögel werden vernichtet“, kritisiert Osman Güdü, ein Oppositionspolitiker im Istanbuler Stadtrat. Er weist die Planer zudem darauf hin, dass die Region für die Trinkwasserversorgung von Istanbul sehr wichtig sei. Juristische Schritte gegen das Projekt sind möglich. Städteplaner drohten schon im vergangenen Jahr mit einer Klage gegen das Doppelprojekt des Flughafens und der neuen Olympia- Stadt im Istanbuler Norden.

Andere Probleme könnten ebenfalls auftauchen. Die Zeitung „Habertürk“ erinnerte ihre Leser an die vielen Verschiebungen der Flughafeneröffnung in Berlin und empfahl, in Istanbul bei den Vorbereitungen sorgfältig vorzugehen, damit die geplanten Gebäude nicht gleich nach Errichtung reparaturbedürftig würden. „In Berlin gibt es solche Probleme“, mahnte die Zeitung. Deutschland spreche inzwischen von einer „nationalen Schande“ – und die will die Türkei natürlich vermeiden.

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